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anderer religiöser Proviant hinzugekommen ist, dürfte von<br />
Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und ist abhängig,<br />
um im Bild der Wanderschaft zu bleiben, von den Erfahrungen<br />
und Erlebnissen seiner bisherigen Wanderschaft.<br />
Angefangen beim Atheisten, der „religiös unmusikalisch“<br />
ist (um eine Formulierung des Soziologen Max<br />
Weber zu verwenden), über eine aus der Natur bezogenen<br />
Religiosität, bis hin zu einem tiefgläubigen Christenmenschen,<br />
Religiosität ist so vielfältig wie es Menschen<br />
gibt. Ihre Bedeutung und ihren inhaltlichen Wert erhält sie<br />
aus der persönlichen Weltanschauung des Menschen, wie<br />
z. B. seiner Gottesvorstellung (Monotheismus, Polytheismus),<br />
seiner Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft<br />
(Christ, Moslem, Jude, Buddhist), seiner humanistischen<br />
Grundeinstellung oder auch seiner Einstellung zur Natur<br />
(Naturgesetze, Urknall- und Evolutionstheorie etc.) Auf<br />
alle diese vielfältigen religiösen Unterschiede kann ich<br />
hier natürlich nicht näher eingehen. Deshalb beschränke<br />
ich mich bei der Religion auf das Christentum, der Religion,<br />
der sicherlich die meisten von uns angehören bzw. am<br />
nächsten stehen, und bei der Religiosität auf eine Teilung in<br />
zwei Hauptzweige, in eine „institutionelle“ und eine „persönliche<br />
Religiosität.“ 3) Wissenschaftler und Psychologen<br />
sprechen auch von einer extrinsischen (extrinsisch = äußerlich,<br />
belohnend, zweckmäßig) und einer intrinsischen (intrinsisch<br />
= verinnerlichen, aus eigenem Antrieb) Glaubensorientierung.<br />
2) Wie groß die Vielfalt von Religiosität ist,<br />
wird auch äußerlich, d.h. architektonisch sichtbar, durch die<br />
vielen unterschiedlichen religiösen Begegnungsstätten und<br />
Kirchen hier in Siegen und Umgebung, wie die oben und<br />
unten mitlaufenden Bildstreifen sehr schön verdeutlichen.<br />
Die institutionelle Religiosität<br />
In diesem Zweig finden wir eine äußerlich sichtbare,<br />
theologisch orientierte Religiosität. Ihre Grundlagen und<br />
Motivation liegen in der Mitgliedschaft einer Religionsgemeinschaft<br />
(Kirche) mit ihren jeweiligen Glaubensinhalten,<br />
Lehren und Dogmen. Sie ist traditionsbewusst und findet<br />
ihren Ausdruck in liturgisch unterschiedlichen Feierlichkeiten<br />
wie Taufe, Gottesdienst, Abendmahl, heilige Messe,<br />
Kommunion und Konfirmation etc. All diese religiösen<br />
Handlungen erfolgen in der Gemeinschaft mit anderen, d.h.<br />
in Kirchengemeinden unter der Leitung ausgebildeter Theologen,<br />
Priester und Pastoren. Sie sind die Vermittler zwischen<br />
Gott und den Gläubigen. In der Gemeinschaft will der<br />
Mensch Gott Ehre erweisen, ihn anbeten, preisen und loben,<br />
ihm geloben, seine göttlichen Gebote zu befolgen, damit<br />
Gott an ihm sein Wohlgefallen hat. (Die alten Griechen<br />
würden sagen, um die Gunst der Götter zu erringen). Der<br />
extrinsisch religiöse Mensch verbindet damit die Hoffnung,<br />
dass Gott ihm gegenüber wohl gesonnen ist. Gott soll durch<br />
gemeinsame Gebete, Gelöbnisse und religiös-liturgische<br />
Opfergaben gütig gestimmt werden, den Menschen segnen,<br />
ihn in seinem irdischen Leben behüten und seine Seele<br />
nach dem Tod in den Himmel des ewigen Lebens aufnehmen.<br />
Die äußerlich praktizierte institutionelle Religiosität<br />
hat, nicht zuletzt aus langer Kirchentradition heraus, zuerst<br />
„Gott im Blick“. Ein Gott, in der Gestalt eines Vaters auf<br />
dem Richterstuhl, vor dem sich der Mensch zu verantworten<br />
hat und vor dessen Urteil er sich fürchten muss. Dieses<br />
Urteil versucht der Mensch zu beeinflussen. Ein Gottesbild,<br />
bei dem Kritiker von einem kirchlich verwalteten und manipulierbaren<br />
Gott sprechen. Es ist eine vom Herzen des<br />
Menschen isolierte Religiosität, angstbesetzt, imperativ<br />
mit der Neigung zur Intoleranz. Ihre festgelegten rituellen<br />
Handlungen vollziehen sich einförmig und schablonenhaft<br />
und ihre vorgegebenen Gebets- und Liedertexte klingen oft<br />
wie Worthülsen, hohl und leer. Der Grund: sie werden meist<br />
ohne echte innere Anteilnahme abgehalten und vorgetragen,<br />
weil sie nicht den ganzen Menschen erfassen und losgelöst<br />
sind von den tatsächlichen Empfindungen und Gefühlen des<br />
einzelnen Menschen. Der Mensch glaubt, seine Pflicht Gott<br />
gegenüber nachkommen zu müssen. Und das wissen wir<br />
doch alle, wenn ich etwas nur aus Pflichterfüllung tue, ist<br />
zwar meine Angst, nicht aber mein Herz anwesend.<br />
Ist es da verwunderlich, wenn bei dieser Form von Religiosität<br />
die Zahl der Kirchgänger und Gottesdienstbesucher<br />
ständig rückläufig ist? Zugespitzt formuliert könnte<br />
man auch von einer „gottgefälligen, kirchlich organisierten<br />
Sonn- und Feiertags-Religiosität mit manipulativen Eigenschaften“<br />
sprechen.<br />
54 durchblick 1/<strong>2009</strong>