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2009-01

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anderer religiöser Proviant hinzugekommen ist, dürfte von<br />

Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und ist abhängig,<br />

um im Bild der Wanderschaft zu bleiben, von den Erfahrungen<br />

und Erlebnissen seiner bisherigen Wanderschaft.<br />

Angefangen beim Atheisten, der „religiös unmusikalisch“<br />

ist (um eine Formulierung des Soziologen Max<br />

Weber zu verwenden), über eine aus der Natur bezogenen<br />

Religiosität, bis hin zu einem tiefgläubigen Christenmenschen,<br />

Religiosität ist so vielfältig wie es Menschen<br />

gibt. Ihre Bedeutung und ihren inhaltlichen Wert erhält sie<br />

aus der persönlichen Weltanschauung des Menschen, wie<br />

z. B. seiner Gottesvorstellung (Monotheismus, Polytheismus),<br />

seiner Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft<br />

(Christ, Moslem, Jude, Buddhist), seiner humanistischen<br />

Grundeinstellung oder auch seiner Einstellung zur Natur<br />

(Naturgesetze, Urknall- und Evolutionstheorie etc.) Auf<br />

alle diese vielfältigen religiösen Unterschiede kann ich<br />

hier natürlich nicht näher eingehen. Deshalb beschränke<br />

ich mich bei der Religion auf das Christentum, der Religion,<br />

der sicherlich die meisten von uns angehören bzw. am<br />

nächsten stehen, und bei der Religiosität auf eine Teilung in<br />

zwei Hauptzweige, in eine „institutionelle“ und eine „persönliche<br />

Religiosität.“ 3) Wissenschaftler und Psychologen<br />

sprechen auch von einer extrinsischen (extrinsisch = äußerlich,<br />

belohnend, zweckmäßig) und einer intrinsischen (intrinsisch<br />

= verinnerlichen, aus eigenem Antrieb) Glaubensorientierung.<br />

2) Wie groß die Vielfalt von Religiosität ist,<br />

wird auch äußerlich, d.h. architektonisch sichtbar, durch die<br />

vielen unterschiedlichen religiösen Begegnungsstätten und<br />

Kirchen hier in Siegen und Umgebung, wie die oben und<br />

unten mitlaufenden Bildstreifen sehr schön verdeutlichen.<br />

Die institutionelle Religiosität<br />

In diesem Zweig finden wir eine äußerlich sichtbare,<br />

theologisch orientierte Religiosität. Ihre Grundlagen und<br />

Motivation liegen in der Mitgliedschaft einer Religionsgemeinschaft<br />

(Kirche) mit ihren jeweiligen Glaubensinhalten,<br />

Lehren und Dogmen. Sie ist traditionsbewusst und findet<br />

ihren Ausdruck in liturgisch unterschiedlichen Feierlichkeiten<br />

wie Taufe, Gottesdienst, Abendmahl, heilige Messe,<br />

Kommunion und Konfirmation etc. All diese religiösen<br />

Handlungen erfolgen in der Gemeinschaft mit anderen, d.h.<br />

in Kirchengemeinden unter der Leitung ausgebildeter Theologen,<br />

Priester und Pastoren. Sie sind die Vermittler zwischen<br />

Gott und den Gläubigen. In der Gemeinschaft will der<br />

Mensch Gott Ehre erweisen, ihn anbeten, preisen und loben,<br />

ihm geloben, seine göttlichen Gebote zu befolgen, damit<br />

Gott an ihm sein Wohlgefallen hat. (Die alten Griechen<br />

würden sagen, um die Gunst der Götter zu erringen). Der<br />

extrinsisch religiöse Mensch verbindet damit die Hoffnung,<br />

dass Gott ihm gegenüber wohl gesonnen ist. Gott soll durch<br />

gemeinsame Gebete, Gelöbnisse und religiös-liturgische<br />

Opfergaben gütig gestimmt werden, den Menschen segnen,<br />

ihn in seinem irdischen Leben behüten und seine Seele<br />

nach dem Tod in den Himmel des ewigen Lebens aufnehmen.<br />

Die äußerlich praktizierte institutionelle Religiosität<br />

hat, nicht zuletzt aus langer Kirchentradition heraus, zuerst<br />

„Gott im Blick“. Ein Gott, in der Gestalt eines Vaters auf<br />

dem Richterstuhl, vor dem sich der Mensch zu verantworten<br />

hat und vor dessen Urteil er sich fürchten muss. Dieses<br />

Urteil versucht der Mensch zu beeinflussen. Ein Gottesbild,<br />

bei dem Kritiker von einem kirchlich verwalteten und manipulierbaren<br />

Gott sprechen. Es ist eine vom Herzen des<br />

Menschen isolierte Religiosität, angstbesetzt, imperativ<br />

mit der Neigung zur Intoleranz. Ihre festgelegten rituellen<br />

Handlungen vollziehen sich einförmig und schablonenhaft<br />

und ihre vorgegebenen Gebets- und Liedertexte klingen oft<br />

wie Worthülsen, hohl und leer. Der Grund: sie werden meist<br />

ohne echte innere Anteilnahme abgehalten und vorgetragen,<br />

weil sie nicht den ganzen Menschen erfassen und losgelöst<br />

sind von den tatsächlichen Empfindungen und Gefühlen des<br />

einzelnen Menschen. Der Mensch glaubt, seine Pflicht Gott<br />

gegenüber nachkommen zu müssen. Und das wissen wir<br />

doch alle, wenn ich etwas nur aus Pflichterfüllung tue, ist<br />

zwar meine Angst, nicht aber mein Herz anwesend.<br />

Ist es da verwunderlich, wenn bei dieser Form von Religiosität<br />

die Zahl der Kirchgänger und Gottesdienstbesucher<br />

ständig rückläufig ist? Zugespitzt formuliert könnte<br />

man auch von einer „gottgefälligen, kirchlich organisierten<br />

Sonn- und Feiertags-Religiosität mit manipulativen Eigenschaften“<br />

sprechen.<br />

54 durchblick 1/<strong>2009</strong>

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