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Verantwortlich für deren Inhalt ist nach dem Presserecht Dr. Horst Bach, der Pressesprecher des Seniorenbeirats der Stadt Siegen.<br />
„Absatzkrise“<br />
Im bitterkalten Nachkriegswinter 1946 auf dem Weg zum Trupbacher Bäcker<br />
In den frostigen Zeiten des Winters 2008/<strong>2009</strong> wurden<br />
Erinnerungen wach an Schnee und Eiseskälte in der<br />
Nachkriegszeit. Damals hatten viele Menschen nicht<br />
genug Brennmaterial, sodass der „Kohlenklau“ sogar kirchlicherseits<br />
durch den damaligen Kölner Erzbischof Frings<br />
stillschweigend geduldet wurde. „Fringsen“ nannte man<br />
daher auch das „Klauen“ von Briketts, Koks und anderen<br />
Brennstoffen aus den auf den Bahnhöfen stehenden Güterwaggons<br />
der Reichsbahn. Da viele Väter im Krieg geblieben<br />
oder noch in Gefangenschaft waren, versuchten hauptsächlich<br />
die Mütter der verarmten Familien, mit dieser eigentlich<br />
ungesetzlichen „Brennstoffzufuhr“ ihren Kindern eine<br />
warme Wohnstube nicht nur zu den Festtagen zu „bescheren“.<br />
Aber auch an warmer Kleidung, insbesondere auch<br />
an dem geeigneten Schuhwerk mangelte es. Hier kann sich<br />
Zeitzeuge Helmut Plate aus der Siegener Numbachstraße<br />
noch eindrucksvoll an eine Begebenheit erinnern, die ihn<br />
bis heute nicht losgelassen hat. Mit „Absatzkrise“ beschreibt<br />
der agile 72-jährige Rentner im Gespräch mit dem durchblick<br />
das einschneidende Erlebnis im Nachkriegswinter<br />
1946. Schuhe waren in der Familie damals Mangelware,<br />
und so musste Helmut Plate den ganzen Sommer über in einer<br />
Schreinerei gefertige Holzsandalen mit Lederriemchen,<br />
sogenannte „Kläpperchen“, tragen. Als der Winter näherrückte,<br />
hatte Mutter Plate für ihren Sprössling endlich ein<br />
Paar Lederschuhe aufgegabelt. Viel zu groß, aber mit dicken<br />
Socken und Einlegesohlen wurden sie „tragbar“ und passend<br />
gemacht. Diese Schuhe musste Helmut Plate natürlich hüten<br />
wie seinen Augapfel, denn es waren die einzigen „Treter“,<br />
die er hatte. Und sie mussten den ganzen Winter über halten.<br />
Im Januar 1946 lag wie heute eine dicke Schneedecke<br />
über dem Siegerland. Helmut Plate wurde von seiner Mutter<br />
zum Bäcker nach Trupbach geschickt,<br />
um Brot einzukaufen. Der<br />
Weg von der Numbachstraße aus<br />
durch dicken Schnee war reichlich<br />
beschwerlich. Gut, dass Helmut<br />
Plate da seine derben Schuhe mit<br />
stabilen Absätzen hatte. Doch diese<br />
Stabilität erwies sich als trügerisch,<br />
denn als Helmut Plate nach<br />
Beendigung der Einkaufstour vor<br />
dem Haus in der Numbach seine<br />
Schuhe „abtreten“ wollte, waren<br />
beide Absätze nicht mehr vorhanden.<br />
„Meine Mutter geriet in Wut,<br />
weil sie glaubte. ich hätte irgendwo<br />
Fußball gespielt, und schickte<br />
mich postwendend zurück nach<br />
Trupbach, um die verlorenen Absätze<br />
zu suchen.“ Reichlich „betränt“<br />
machte sich Helmut Plate<br />
Aus dem Seniorenbeirat<br />
auf den Weg, und<br />
siehe da, auf halbem<br />
Wege wurde<br />
der eine, etwas<br />
weiter der zweite<br />
Absatz gefunden.<br />
Freudestrahlend<br />
überreichte er<br />
wenig später die<br />
wiedergefundenen<br />
Schätze seiner<br />
Mutter. Eine genaue<br />
Inspektion<br />
des Schuhwerks<br />
ergab sodann, dass<br />
die vermeintlichen<br />
Lederabsätze nur<br />
aus Pappe bestanden<br />
und mittels<br />
„Mählbabb“ auf<br />
Akrobat schööön: Helmut Plate<br />
bei einer Absatzkontrolle vor dem<br />
Weidenauer Hauptbahnhof.<br />
die Gummisohle<br />
aufgeklebt worden<br />
waren. Mit „Mählbabb“<br />
bezeichneten die Siegerländer damals ihren notgedrungen<br />
aus Mehl und Wasser hergestellten Ersatzkleber. Im<br />
nassen Schnee hatten sich die Absätze auf dem Weg nach<br />
Trupbach gelöst und selbstständig gemacht. „Noch heute<br />
kontrolliere ich routinemäßig immer mein Schuhwerk und<br />
mache einen Absatzkontrolle, wenn ich durch tiefen Schnee<br />
gehe“, sagte der „Absatzroutinier“ Helmut Plate mit einem<br />
leichten Schmunzeln im Gesicht. Von einer erneuten „Absatzkrise“<br />
wollte er allerdings nicht sprechen. <br />
Kein Feinstaubfilt er<br />
nöti g !<br />
DIREKT VOM HERSTELLER<br />
durchblick 1/<strong>2009</strong> 45<br />
5 Bilder Dr. Horst Bach