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16 USABILITY OF FOOD<br />
der Chile-Erdbeere <strong>und</strong> die rote Farbe in Kombination mit einem angenehmen Aroma von der Scharlacherdbeere.<br />
Bis in die heutige Zeit haben Pflanzenzüchter eine Vielzahl von Kultursorten aus der Kombination dieser<br />
zwei Arten geschaffen. Weltweit werden in Genbanken etwa 1000 Sorten erhalten. Die natürliche Vielfalt<br />
der Gattung Fragaria (Abbildung 1, siehe Umschlagseite vorn/innen) ist in den Kultursorten allerdings<br />
weitgehend verlorengegangen.<br />
Allgemein gelten Wilderdbeeren als der Innbegriff eines guten, erdbeertypischen Aromas. Für gutschmeckende<br />
(alte) Sorten wird beispielsweise in Katalogen oft die sensorische Beschreibung "wie Walderdbeere"<br />
als sehr positive <strong>und</strong> erwünschte Eigenschaft verwendet. Einer wissenschaftlichen Untersuchung halten die<br />
Beschreibungen des Geschmacks von Wilderdbeeren allerdings nicht stand, da sie meist aus individuellen,<br />
teils romantisch verklärten Einzelerlebnissen entstammen. Eine systematische sensorische Bewertung von<br />
Wilderdbeeren ist bisher nicht publiziert. In Tabelle 1 sind wichtige sensorischen Parameter einer modernen<br />
Kultursorte <strong>und</strong> vier Wildarten aus Europa <strong>und</strong> Nordamerika zusammengestellt [6]. Die Wildarten werden<br />
zwar als intensiv aromatisch beschrieben, sind jedoch stets von negativen Eindrücken begleitet wie insbesondere<br />
den Eindrücken "adstringierend" oder "bitter". Ein ausgeglichenes Zucker/Säure-Verhältnis <strong>und</strong> angenehmes<br />
M<strong>und</strong>gefühl gibt es dagegen nur bei der Kultursorte.<br />
In Erdbeeren wurden bisher über 360 Aromastoffe identifiziert [7]. Tabelle 2 gibt auszugsweise die Ergebnisse<br />
von Aromaanalysen wieder. Die Tabelle zeigt die Gehalte der terpenoiden Aromastoffe in den 4 Wilderdbeerarten<br />
<strong>und</strong> der Kultursorte, die Summe von insgesamt 119 analysierten flüchtigen Substanzen, die<br />
Summe der wertgebenden Fruchtester <strong>und</strong> die Summe der 8 Aromastoffe die der Stoffgruppe der Terpene<br />
angehören [6]. Terpene sind universelle sog. sek<strong>und</strong>äre Pflanzeninhaltsstoffe, die in der Pflanze unterschiedliche<br />
Aufgaben erfüllen, wie Abwehr von Schädlingen, Attraktion <strong>und</strong> Abwehr von Tieren usw. Sensorisch<br />
erzeugen viele Terpene Geruchseindrücke wie "terpentinartig", "krautig", aber auch "blumig". In hohen Konzentrationen<br />
wirken sie "kratzig" <strong>und</strong> "adstringierend". In Übereinstimmung mit den sensorischen Ergebnissen<br />
wurden in den Wildarten Terpengehalte gef<strong>und</strong>en, die das zwei- bis achtfache der Kultursorte betragen.<br />
Mit einer Gesamtproduktion von r<strong>und</strong> 24 Mio t ist die Möhre weltweit eine der wichtigsten Gemüsearten<br />
überhaupt [8]. Das Heimatgebiet der Möhre ist weit verbreitet; Wildformen wachsen in Europa <strong>und</strong> Asien. Die<br />
heutige Kulturmöhre ist das Produkt einer langen Kultivierung, die in Einzelheiten nicht bekannt ist. Durch die<br />
Untersuchung von 39 Kulturmöhrensorten unterschiedlicher Provenience mittels Humansensorik <strong>und</strong> instrumenteller<br />
Analytik wurden sensorische <strong>und</strong> inhaltstoffliche Parameter <strong>für</strong> Möhrensorten mit hoher Beliebtheit<br />
aufgef<strong>und</strong>en [9]. Demnach werden durch die Verbraucher Möhren bevorzugt, die hohe Werte <strong>für</strong> "süßen<br />
Geschmack" <strong>und</strong> "möhrentypisches", "nussiges" Aroma aufweisen. Parameter wie "krautig", "kratzig",<br />
"adstringierend" führen zu negativen Bewertungen. Hohe Gehalte der Inhaltsstoffe (Terpene) α-Humulene,<br />
Caryophyllene <strong>und</strong> β-Myrcene korrelieren mit geringer Beliebtheit, d. h. sie sind sog. Off-flavour-Verbindungen.<br />
In Abbildung 2 sind die Gaschromatogramme einer Kulturmöhrensorte <strong>und</strong> einer Wildart im gleichen<br />
Maßstab gegenübergestellt. Die Wildmöhre enthält offensichtlich qualitativ <strong>und</strong> quantitativ ein Vielfaches an<br />
terpenoiden Inhaltsstoffen im Vergleich zur Kulturmöhre. Eine Verkostung <strong>und</strong> Analyse ergab darüber hinaus,<br />
dass auch der Zuckergehalt der Wildmöhre sehr niedrig liegt. Die Wildmöhre ist an unseren heutigen<br />
Gewohnheiten gemessen schlichtweg ungenießbar <strong>und</strong> wurde in früheren Zeiten offensichtlich auch mehr als<br />
Heilpflanze genutzt, denn als Gemüse.<br />
Betrachtet man die Beispiele Erdbeere <strong>und</strong> Möhre stellvertretend <strong>für</strong> andere Obst <strong>und</strong> Gemüsearten, kann<br />
man feststellen, dass durch den menschlichen Einfluss in Form einer gezielten Selektion über einen langen<br />
Zeitraum aus den Wildformen neue Pflanzentypen entstanden sind, die <strong>für</strong> die Menschen "angenehme" sensorische<br />
Eigenschaften aufweisen: süßer Geschmack <strong>und</strong> mildes Aroma. Negative Eigenschaften wie "bitter"<br />
<strong>und</strong> "adstringierend" wurden minimiert. Diese Veränderungen sind beim Vergleich von Kultursorten humansensorisch<br />
<strong>und</strong> analytisch an den Aromamustern feststellbar. Was diese Modifikationen, neben den Veränderungen<br />
in den geschmacklichen Eigenschaften, <strong>für</strong> die Vitalität der Pflanze, die Resistenzeigenschaften <strong>und</strong><br />
den Ges<strong>und</strong>sheitswert bedeuten, ist bisher nicht systematisch untersucht.<br />
Der Trichtereffekt - Verengung des Gen-Pools<br />
Nach mehrjährigen Untersuchungen an über 70 Kulturerdbeersorten <strong>und</strong> Wildarten konnten genetisch manifestierte<br />
Unterschiede in den Aromamustern zwischen alten Kultursorten <strong>und</strong> modernen Hochleistungssorten<br />
gef<strong>und</strong>en werden [10]. In Abbildung 3 sind die Aromamuster <strong>für</strong> 19 Schlüsselverbindungen in zwei Kulturerdbeersorten<br />
dargestellt. Die Sorte "Mieze Schindler" wurde in den zwanziger Jahren von Prof. Schindler in<br />
Dresden gezüchtet [11]. Diese Sorte hat den Ansturm von modernen Hochleistungssorten <strong>für</strong> den kommerziellen<br />
Anbau trotz vieler ungünstiger Eigenschaften (geringer Ertrag, weiche Früchte) in deutschen Kleingärten<br />
überlebt. Sie gilt allgemein als der Standard <strong>für</strong> exzellenten Erdbeergeschmack. Zwischen dem Aromamuster<br />
der Hochleistungssorte "Elsanta" <strong>und</strong> "Mieze Schindler" gibt es signifikante Unterschiede im Gehalt an<br />
kurzkettigen Fruchtestern <strong>und</strong> dem Ester Methylanthranilat. Fruchtester erzeugen fruchtig, frische Aromaein-<br />
FORUM WARE 34 (2006) NR. 1 - 4