forum ware - DGWT - Deutsche Gesellschaft für Warenkunde und ...
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30 USABILITY OF FOOD<br />
Dass dies so ist, ist kein Zufall: Verbraucherinnen <strong>und</strong> Verbraucher haben sich häufig genug in dieser Sache<br />
geäußert: Alle Umfragen bestätigen das bekannte Bild: Siebzig bis achtzig Prozent der Verbraucherinnen <strong>und</strong><br />
Verbraucher wollen keine Gentechnik im Essen.<br />
Die Lebensmittelindustrie hat diese Botschaft verstanden: In den Jahren vor dem Inkrafttreten der neuen EU-<br />
Verordnungen (2003/1829 <strong>und</strong> 1830, in Kraft getreten im April 2004) hat sie mögliche Lücken in der Versorgung<br />
mit gentechnikfreier Ware geschlossen, das betrifft in erster Linie gentechnikfreies Soja. In vielen<br />
Lebensmitteln wurden Sojaanteile durch Raps ersetzt. Wie oben erläutert gilt: Gentechnikfrei ist<br />
gentechnikfrei im Sinne der europäischen Gesetzgebung, das heißt eine Verunreinigung von 0,9 Prozent mit<br />
transgenen Anteilen 2 gilt als akzeptabel <strong>und</strong> braucht dementsprechend nicht gekennzeichnet zu werden. Ob<br />
dieser Grenzwert angemessen oder sinnvoll, notwendig oder schlicht zu hoch ist, soll nicht an dieser Stelle<br />
besprochen werden. Verschwiegen werden soll allerdings nicht, dass er nach dem Willen der EU-Kommission<br />
auch <strong>für</strong> die Waren aus biologischer Landwirtschaft angewendet werden soll. Der Vorschlag der Kommission,<br />
die EU-Bioverordnung entsprechend zu ändern hat am Anfang dieses Jahres <strong>für</strong> erheblichen Wirbel gesorgt.<br />
Aber warum ist der Wille der Bevölkerung so ausgeprägt gegen die Gentechnik? Spekulieren ist an dieser<br />
Stelle angesagt, bisher gibt es keine eindeutige Antwort. Sicher scheint allerdings zu sein, dass die Skepsis<br />
oder Abneigung mit den Lebensmittelskandalen <strong>und</strong> Krisen in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
zu tun haben. BSE hat seine Wirkung nicht verfehlt.<br />
Diese Vorsicht hat sich auch in der europäischen Gesetzgebung niedergeschlagen.<br />
Überraschende Erkenntnisse mit gentechnisch veränderten Organismen lassen diesen Weg sinnvoll erscheinen:<br />
So wurde im vergangenen Jahr von Untersuchungen mit gentechnisch veränderten Erbsen berichtet,<br />
denen ein Gen aus Bohnen eingepflanzt wurde. Bei Fütterungsversuchen bekamen die Ratten Entzündungen in<br />
ihren Lungen, eine Erscheinung, die bei den Tieren der Kontrollgruppe nicht auftrat. Man könnte sagen, das<br />
Problem sei doch entdeckt worden, <strong>und</strong> somit die Regulierung in Ordnung. Dagegen ist einzuwenden, dass<br />
ges<strong>und</strong>heitliche Wirkungen nicht immer so offensichtlich auftreten wie in dem beschriebenen Fall <strong>und</strong> in der<br />
Regel keine Langzeituntersuchungen vorgenommen werden. Dies wäre aber z. B. das mindeste, was gewährleistet<br />
sein müsste, da bei der Ernährung lange Zeiträume eher die Regel als die Ausnahme sind.<br />
Aktuell ist es nicht klar, wer die Kosten <strong>für</strong> die Regulierung trägt. Dazu zählen die Kosten im Genehmigungsverfahren:<br />
Im Moment führen die Firmen, die eine Zulassung <strong>für</strong> eine bestimmte gentechnisch veränderte<br />
Pflanze <strong>und</strong> deren Einsatz als Lebensmittel beantragen, die Tests auf die Sicherheit selber durch. Die<br />
daraus zusammengestellten Dossiers - nicht selten eine Reihe von Umzugskartons - müssen von den Behörden<br />
nachvollzogen <strong>und</strong> auf Stichhaltigkeit überprüft werden. Dies kann unter Umständen zur Suche nach der<br />
bekannten Nadel im Heuhaufen werden. Zudem ist es nach wie vor nicht möglich - dies zeigt auch das Beispiel<br />
mit den Bohnengenen in der Erbse -, eindeutig zu beschreiben, wonach gesucht werden muss. Es ist nicht<br />
genug bekannt über die Funktionsweise des Genoms, das Zusammenspiel von Genen <strong>und</strong> den regulierenden<br />
Elementen. Außerdem sind die Methoden der Genübertragung noch immer sehr ungenau.<br />
Auch an anderer Stelle ist bisher nicht geklärt, wie die Kostenfragen geregelt werden sollen - insbesondere<br />
bei der Vermeidung von Kontaminationen gentechnikfreier Ware mit gentechnisch verändertem Material.<br />
Eigentlich sollte klar sein, dass das Verursacherprinzip Anwendung findet: Wer die Gentechnik anwendet,<br />
muss die Kosten übernehmen. Doch im Moment ist das Gegenteil der Fall: Um sich <strong>für</strong> eventuelle Schadensfälle<br />
zu rüsten, müssen die Bauern, die keine GVO einsetzen, umfangreiche Proben nehmen <strong>und</strong> diese<br />
gerichtssicher, wie es heißt, machen, z. B. durch Verplombung. (Erst wenn es zu einem nachweislichen Schaden<br />
gekommen ist, können diese Kosten abgewickelt werden.) Zudem müssen Maschinen, die die Bauern bei<br />
Aussaat oder Ernte teilen, gereinigt werden. In den hektischen Erntezeiten ein zeitaufwändiges <strong>und</strong> mitunter<br />
kostspieliges Unterfangen.<br />
Auch die Aussicht auf die Herstellung von pharmakologisch wirksamen Stoffen in transgenen Pflanzen trägt<br />
eher zur Verunsicherung von Konsumentinnen <strong>und</strong> Konsumenten bei. Noch nicht zur kommerziellen Nutzung<br />
zugelassen, sorgten sie mit Kontaminationen konventioneller Ware <strong>für</strong> den ersten besorgniserregenden<br />
Skandal, als in den Jahren 2001/2002 im US-B<strong>und</strong>esstaat Iowa gv-Mais mit dem Gen <strong>für</strong> ein Vakzin, das in<br />
der Schweinemast zum Einsatz kommen sollte, in einer Ernte konventioneller Soja gef<strong>und</strong>en wurde.<br />
Dies <strong>und</strong> insbesondere der so genannte Starlink-Skandal untermauerten die Ansicht vieler Kritikerinnen <strong>und</strong><br />
Kritiker, die Koexistenz von gentechnisch veränderter <strong>und</strong> konventioneller oder ökologischer Ware könne<br />
2 Zufällig <strong>und</strong> technisch nicht vermeidbar ist in der Gesetzgebung der EU nicht definiert. Nichtsdestotrotz kommt<br />
dieser Formulierung eine große Bedeutung zu, denn: Der Schwellenwert <strong>für</strong> Verunreinigungen mit gentechnisch<br />
verändertem Material gilt nur, wenn diese „zufällig <strong>und</strong> technisch nicht vermeidbar“ sind. (Siehe dazu: Martha<br />
Mertens: Zufällig <strong>und</strong> technisch nicht zu vermeiden“ Gen-ethischer Informationsdienst GID, Feb./März 2006, im<br />
Netz unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/TEXTE/ARCHIV/PRESSEDIENST_GID174/SCHWERPUNKT<br />
174.HTML#Anker863246)<br />
FORUM WARE 34 (2006) NR. 1 - 4