Der Reitwagen Mai 1996 (PDF, 19.835 KB) - Motorradreporter
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jetz die Tatsache zugrundelegen. daß für<br />
die meisten Motorrdhändler trotz gesetzlich<br />
vorgeschriebener Gewährleistung èin<br />
gutes Gebrauchtgeschäft wesentlich ertragsstärker<br />
ist als ein mit Kampfpreis erzielter<br />
Neuverkauf (nach Abzug von Rabatten,<br />
NoVa und Steuern bleiben bei einem<br />
durchschnittlichen Neuverkauf magere<br />
4.000 Schilling Handelsspanne), dann können<br />
wir nur leise erahnen, welche Profite<br />
(im Vergleich zum Zeitwert), aber auch<br />
welche Verluste von den Privatpersonen<br />
getätigt werden können! Die bekannten,<br />
aber nicht ganz zu Recht als unverrckbar<br />
geltenden Eurotax-Preislisten Blau/Gelb<br />
können bestenfalls als grober Leitfaden dienen,<br />
da sie auf Händlermeldungen basieren,<br />
die aber bei weitem nicht bei allen Geschäftsfållen<br />
auch bekanntgegeben werden.<br />
Zur Ermittlung des Zeitwertes einer Gebrauchten<br />
etwas realitätsnäher scheint die<br />
Anfrage bei privaten Datenbanken wie dem<br />
RW Club zu sein, wo die Daten von<br />
Abertausenden Privatkäufen gesammelt<br />
sind.<br />
Am ehèsten funktioniert die Theorie, daß<br />
ès bei Individualfahrzeugen um bürgerliche<br />
Auflehnung und um die Okkupation des<br />
(staatlich besessenen) Verkehrsraumes<br />
und seiner Dominierung geht. Beim Motorrd<br />
ganz besonders, es beansprucht<br />
(unvergleichbar billiger als eine Eigentumswohnung)<br />
höchstens drei Quadratmeter:<br />
Sowohl beim Fortkommen in Staugebie-<br />
ten, in der erreichbaren Durchschnittsgeschwindigkeit,<br />
im videogame-ähnlichen Erlebnis<br />
bei Höchstgeschwindigkeit als auch<br />
bei der perfden, zeit = geldraubenden<br />
Parkplatzsuche ist das krftbetriebene<br />
Zweirad unschlagbar. Im Vergleich zu anderen<br />
europäischen Ländern ist in Österreich<br />
die starke Komponente Motorrad nie<br />
in die Verkehrsplanung langfristig integriert<br />
worden, wir leben aber ganz gut damit!<br />
Im April <strong>1996</strong> gibt es stabile Verhältnisse,<br />
sowohl bei den Importeursangeboten als<br />
auch auf dem Gebrauchtmarkt:<br />
DAS BUDGET SCHAFFT AN<br />
Sowohl bei Neuen (eine weitere, 4-5%ige<br />
Steigerung ist <strong>1996</strong> in Sicht) als auch bei<br />
Gebrauchten ist die Nachfrage ungebrochen.<br />
Warum überhaupt ein gebrauchtes Motorrad?<br />
Logisch, daß besonders für junge Motorrdfahrer<br />
neue Maschinen oft unerschwinglich<br />
sind - aber auch im gesetzen<br />
Alter hat man für ein preiswertes Fahrzeug<br />
z.B. innerhalb der Familie einen geringeren<br />
Erklärungsbedan als für ein Topgerät.<br />
<strong>Der</strong> ständige Blick in reichweitenstarke<br />
Medien wie den BAZR zeigt auf, daß gèrade<br />
für ältliche Motorrder exorbitante<br />
Preise verlangt werden: Bevorzugt ist der<br />
"erschwingliche" Bereich von öS 40-<br />
60.000,-. Gesunde T eilberèiche sind die<br />
32 <strong>Der</strong> REITWAGEN<br />
gerade noch erkennbaren Geräte bis ÖS<br />
20.000,- sowie die unfaßbaren Forderungen<br />
für alte, ranzige Hubraumriesen bis öS<br />
100.000,-.<br />
Es scheint eine große Szene an (letzendlich<br />
nur vordergründig) "konsumverweigernden"<br />
Bikern zu geben, die beim Motorrddeal<br />
lieber unter sich bleibt und allein<br />
schon aus der Tatsache, den offziellen<br />
Handel umgangen zu haben, auf ein günstiges<br />
Geschäft schließt. Daß diese "Szenepreise"<br />
nur allzu oft ungerechtfertigt hoch<br />
sind und daß auf die bei Motorradhändlern<br />
üblichen sechs Monate Gewährleistung<br />
verzichtet wird, ist für den Käufer ein anderes<br />
KapiteL. Dazu kommt noch, daß der<br />
Händler pro Motorrad zirka 800 bis 1200<br />
Schilling in die professionelle optische Wiederaufbereitung<br />
investiert - das ist keine<br />
Camouflage, sondern echter Nutzen: Mit<br />
Know How und mit penekten Industriepflegemitteln<br />
werden Ergebnisse erzielt,<br />
wie sie der Privatmann auch nach èinmonatiger<br />
Putzarbeit nicht zustande brächte.<br />
Weiters stellt sich im österreichischen<br />
Durchschnitt heraus, daß ein Motorradhändler<br />
bei 3 bis 5% seiner verkauften Gebrauchtmaschinen<br />
später zur Gewährleistung<br />
in die eigene Tasche greifen muß, um<br />
seine Kundschaft für eventuell folgende<br />
Zubehörkäufe bei der Stange halten zu<br />
können. In der umgekehrten Berechnung<br />
heißt das: Bei jedem zwanzigsten bis<br />
dreißigsten Motorrad tritt innerhalb von<br />
sechs Monaten nach dem Kauf ein mehr<br />
oder minder kapitaler Schaden auf. Wenn<br />
vorher schon das Budget knapp war, wird<br />
es jetzt also ganz eng<br />
In der RW-Blitzumfrage bei Privatleuten<br />
und bei sechs großen österreichischen Motorradhändlern<br />
bestätigt sich, daß unkundige<br />
private Verkäufer von noch unkundigeren<br />
Kunden durchaus abenteuerliche<br />
Preise lukrieren können und daß sich der<br />
Gebrauchtkauf über den BAZAR keineswegs<br />
als Mezzie gegenüber Second-Hand-<br />
Ankäufen bei authorisierten Händlern darstellt.<br />
Völlig verschwunden sind in den letzen<br />
fünf jahren Medien wie Kurier und Kronenzeitung:<br />
Österreichische, mehr oder weniger<br />
regelmäßig erscheinende Fachblätter<br />
wie "Biker in Ö" "Custom Bike", "Fundgrube",<br />
"Motorradmagazin", "Motor-Mark"<br />
und nicht zuletz (als Erfnder und in viel ergiebigerem<br />
Umfang) <strong>Der</strong> REITWAGEN<br />
bieten private Wortanzeigen zum Nulltarif<br />
- kaum ein privater Verkäufertut sich noch<br />
die Bürokratie an, für ein eventuelles Luftgeschäft<br />
fast einen satten Tausender plus<br />
zehn Percent österreichische Anzeigensteuer<br />
zu berappen! Einzig die SN (Salzbur-<br />
ger Nachrichten, TI rriroler Tageszeitung)<br />
und VN (Vorarlberger Nachrichten) haben<br />
an ihren Wochenend-Ausgaben halbwegs<br />
üppige Gebrauchtspalten, bei günstigen<br />
Tarifen und extrem kleinen Règionalmärk-<br />
ten, Man muß sich zum Beispiel nur vorstellen,<br />
daß sich das Bundesland Voralberg<br />
zwar als einigermaßen kaufkräftig erweist,<br />
aber daß es mit 200.000 Einwohnern nur<br />
einen Testmark in der Größe des 10.<br />
Wiener Bezirk Favoriten darstellt. Viel zu<br />
klein für eine aussagefahige Motorrdstatistik.<br />
BILLIGES UND TEURES<br />
<strong>Der</strong> Trend bei den Neufahrzeugen schlägt<br />
sich naturgemäß auch in den Gebrauchtwerten<br />
nieder: Die höchsten Preise können<br />
derzeit für Chopper aller Marken und<br />
Hubraumklassen erzielt werden, sofern sie<br />
sich in serienmäßigem Zustand befinden:<br />
T eure Umbauten und Individualisierungen<br />
werden kaum goutiert bzw. honoriert.<br />
Dichtauf folgen guterhaltene Zweizylinder-<br />
Enduros wie KLE, Transalp oder Africa<br />
T win, nicht ganz so gut lassen sich schwere<br />
i OOOer und Sportöurer anbringen.<br />
Gute Nachfrage herrscht auch nach neueren<br />
Supersportmaschinen, man muß aller-<br />
dings etwas härtere Preisabschläge in Kauf<br />
nehmen. Und Ducatis sinken im Gebrauchtwert<br />
genauso rasch wie japanische<br />
Maschinen, einzig BMW dan als Marke mit<br />
gutem Werterhalt betrachtet wèrden. Mit<br />
Einschränkungen eventuell auch Harley-<br />
Davidson - allerdings verweilt ein solches<br />
Fabrikat auch durchschnittlich sechs Monate<br />
ungewollt auf dem Verkaufsplatz,<br />
während ein preisgerechter japaner schon<br />
nach dreißig Tagen weiterverkauft werden<br />
kann.<br />
Ein interessantes Phänomen tritt bei Gebrauchtmotorrädern<br />
auf, die in ihrer jugend<br />
während einer, hin und wieder vorkommenden,<br />
radikalen Abverkaufs-<br />
Preisaktion erworben wurden: Nach drei<br />
bis vier jahren ist der kurzristige Preisvenall<br />
in Vergessenheit geraten und der Gebrauchtwert<br />
orientiert sich wieder am ur-<br />
sprünglichen Listenpreis. sofern er nicht<br />
dauerhaft gesenkt wurde. So lassen sich<br />
derzeit etwa 900er CBRs ohne allzugroßen<br />
Wertverlust wieder veräußern, oder auch<br />
der Neuankauf einer TDM 850 aus dem<br />
jahr 1995 scheint momentan günstig, auf<br />
lange Frist gesehen,<br />
Wenig Bedeutung kommt mittlerweile der<br />
Leasing-Finanzierung, ob neu oder gebraucht,<br />
zu: Die damit einhergehende ver-<br />
pflichtende teure Vollkaskoversicherung<br />
läßt viele Interessenten davor zurückschrecken.<br />
Restwert -Kredite, die nur T eilkasko<br />
vorschreiben und aus denen man jederzeit<br />
aussteigen kann, haben diese Finanzierungsidee<br />
abgèlöst.<br />
Egal, welches Gerstl man auf den Motorradmark<br />
tragèn möchte, ob Neu- oder<br />
Gebrauchtmaschine, man weiß es schließ..<br />
lich schon seit Menschengedenken:<br />
Nur Bares ist Wahres.<br />
Torque TlNister