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Der Reitwagen Mai 1996 (PDF, 19.835 KB) - Motorradreporter

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G-SCHICHTN AUS DEM WINKELWERK I<br />

den in Briefen zumeist junger Le-<br />

Nicht immer, ser ernsthafte aber immer Zweifel öfter am Wahrwerheitsgehalt der RW-Berichtersattung angemeldet<br />

Man liest die Anektoten trotzdem<br />

gerne, auch wenn man sie für die<br />

feuchten Träume überreizter Redakteure<br />

hält Grundsätzlich bestehen drei Möglichkeiten<br />

der Verarbeitung deftiger Histörchen:<br />

i. Die Geschichte ist übertrieben, erstunken<br />

oder erlogen. 2. <strong>Der</strong> Vorfall hat<br />

sich tatsächlich so ereignet und 3. <strong>Der</strong> Text<br />

gibt nur den Teil des Vorfalls wieder, der<br />

einem einigernaßen zivilisierten Leser zuzumuten<br />

ist. Beginnen wir die Geschichte<br />

mit einem unbedarfen Studenten, der auf<br />

der Suche nach einem Gebrauchtteil für<br />

sein Motorrad ist, Von irgendwoher bekommt<br />

er den Tip, es in einer Werkatt<br />

im Großraum Eßling zu versuchen. <strong>Der</strong><br />

Student klopft an, tritt ein, grüßt freundlich<br />

und geht auf den mit Rücken zu ihm vor einem<br />

Motorrd knieenden Hern im Blauzeug<br />

zu. Dieser wächst in die Höhe, dreht<br />

sich um und erkundigt sich nach dem Begehr<br />

des Eintretenden. <strong>Der</strong> Student hält<br />

inne, verliert einen kurzen, inbrünstigen<br />

Kampf mit seinen Gesichtszügen und stammelt<br />

im Rückwärtsstolpern unzusammenhängende<br />

Entschuldigungsworte, Klappe,<br />

Dann gab es denn Tag, an dem Professor<br />

Plastik, damals noch. Institutsassistent, im<br />

Großraum Wien sämtliche Geschwindigkeitsrekorde<br />

pulverisierte, um im Freun-<br />

deskreis mit desperater Entschlossenheit<br />

Geld zu schnorren. Grund dafür ein nicht<br />

gedeckter Scheck an jene ominöse Werkstatt,<br />

Zwischen Scheckeinreichung und Eintreffen<br />

von. Plastik samt Barschaft lagen gerade<br />

3 Stunden, trotzdem weiteten sich<br />

seine Nasenflügel unter der Spannkrft ei-<br />

nes doppelläufigen Großkalibers. Klappe.<br />

Die vor der Werkatt abgestellten Kundenmotorrder<br />

waren nie abgesperr.<br />

Nornalerweise ein schwerer Fehler in einer<br />

Gegend wie dieser, Trotzdem nicht<br />

das kleinste Eigentumsdelikt. Vielleicht hing<br />

es damit zusammen, daß der Herr im Blauzeug<br />

die auf der Hebebühne stehenden<br />

Motorrder ohne E-Starter grundsätzlich<br />

mit der Hand anriß. Klappe.<br />

Irgendwann zog der Norton-Club aus nicht<br />

näher genannten Gründen aus der Stadt in<br />

die Peripherie, Das damals sehr beliebte<br />

Pratersern-Spiel soli mit dem Exodus<br />

nichts zu tun haben. Das Spiel wurde stets<br />

in der Nähe des Praterserns mit einem<br />

92 <strong>Der</strong> RE/TWAGEN<br />

-<br />

. .~<br />

von Ambrosius<br />

unübersehbaren Verkehrsverstoß vor einer<br />

Motorrdstreife eingeleitet In der provozierten<br />

Verfolgungsjagd zum und rund<br />

um den Pratersern ging derjenige als Sieger<br />

hervor, der den Motorrdkieberer als<br />

erster überholte. Mit der Zeit wurde es<br />

natürlich immer schwieriger, Motorrdstreifen<br />

zum Pratersern zu locken, Klappe,<br />

Das Pratersern-Spiel schuf in den wilden<br />

jahren eine merkwürdige Tradition: jede<br />

Ausfahrt der Wiener Partie führte<br />

grundsätzlich über den Pratersern Ein Dabeigewesener.<br />

"Ich habe keine Ahnung,<br />

warum eine Ausfahrt von Favoriten nach<br />

jesolo über den Praterstern führte. jedenfalls<br />

waren nachher immer vier bis fünf<br />

Teilnehmer weniger," Klappe.<br />

Die Lehnstuben, Kaisermühlen. Dort formierte<br />

sich der ehemalige Norton-Club<br />

unter umsichtiger Leitung seines Präsidenten<br />

Bernd, der eine Werktatt in Eßling betrieb<br />

und betreibt Aus der guten Stimmung<br />

feuchtfröhlicher Versammlungen gingen<br />

dann die Ritterspiele hervor. Voraussetzung<br />

war, in irgendeiner Disziplin besser<br />

als die anderen zu sein, Dabei wurden die<br />

skurrilsten Wettberwerbe kreiert: wer am<br />

schnellsten mit einem Bein an der Karniese<br />

hängend ein Viertel austrinkt oder Uhrentauchen<br />

in einem 3 Dopplern aufgespritz-<br />

ten gefüllten Plastikkübel. Bei einem Pro-<br />

banden brach die Karniese, was zu intensiver<br />

Kontaktnahme von Kopf und Diele<br />

führte, Wer in einer Disziplin unschlagbar<br />

war, durfe den Ehrentitel "Bruder" führen.<br />

Eine "Schwester" war übrigens auch dabei:<br />

sie erwies sich dort als unüberwindlich, wo<br />

dem Mann gewisse physiologische Grenzen<br />

gesetz sind. Klappe.<br />

Großen Erfndungsreichtum bewies der<br />

Club bei Namensgebung der Mitglieder.<br />

Rädelsführer der Partie war Fudo, wir ersparen<br />

dem Leser eine Herleitung dieses<br />

Spitznamens, Die anderen Namen sind<br />

weniger verfanglich: Würfel, weil er so<br />

eckig aussieht; Beton für den Bauingenieur;<br />

Schwamm für den Übergewichtigen; Türk<br />

für den romanischen Einschlag; Eskimo für<br />

den Kühlwagenfahrer, Ölfranz für den<br />

Tankwagenfahrer und Kuckuck für das Ge-<br />

sicht Klappe.<br />

Eine Steigerung der viel mehr amtsgefürchteten<br />

denn amtsbekannten Lehnstuben-<br />

Versammlungen bildeten die sommerlichen<br />

Grubenfeste des Clubs. Die harnloseste<br />

Übungen war die Bahndamm-Abfahrt<br />

mit einem Klapprad, an dem im Sinne<br />

T IST<br />

SEIN<br />

CHNIS,<br />

CHLlMMEN<br />

ICHT<br />

N.<br />

kompetitiver Steigerung zuers die Bremsseile<br />

durchgezwickt und dann die Rahmenschraube<br />

gelöst wurde. <strong>Der</strong> Spitalsportier<br />

war schon ein alter Bekannter und trug<br />

ohne zu fragen "Sturz im Stiegenhaus" in<br />

den Rapport ein. Klappe.<br />

Ein Neuzugang bei der Exekutive betrat<br />

einst die Lehnstuben wegen eines unvorschriftsmäßig<br />

geparken Autos vor der Tür.<br />

Unglücklicherweise steuerte die Stimmung<br />

in den Gastzimmern geradewegs auf den<br />

Höhepunkt zu und die Anwesenden tanzten<br />

oder bewegten sich anderwertig, vereinzelt<br />

noch in Unterhosen, die Dessous<br />

der weiblichen Begleitung um die Stirn gebunden.<br />

<strong>Der</strong> pflichtbewußte Beamte<br />

wollte im Sinne mehrerer Paragraphen einschreiten,<br />

sein einziger Schritt war allerdings<br />

ein raumgreifender durch die geschlossene<br />

Türe auf den Gehsteig. Klappe.<br />

<strong>Der</strong> Gasgriff wurde selbstverständlich in<br />

Ehren gehalten zwischen Kaisernühlen und<br />

Eßling. Testgelände für Probefahrten oder<br />

vollmundige Ankündigungen war der<br />

berüchtigte Telefonweg, eine schnurgerade,<br />

schmale Strasse mit einigen ungeregelten<br />

Kreuzungen und Sprungschanze<br />

über einen Bahnübergang. Mit den alten Eisenhaufen<br />

war Vollgas keine Selbsterständlichkeit<br />

und übertraf an Risiko das<br />

Durchfahren der ungeregelten Kreuzungen<br />

im 180km/h- T akt bei weitem. Klappe,<br />

Traditionsreich sind die Ausfahrten der<br />

rennsportbegeisterten Lehnstuben-Partie<br />

auf die Insel Man, Für Normaltouristen beneidenswert<br />

ist die stets von unmittelbarem<br />

Erfolg gekrönte Quartiersuche der<br />

sanften Wiener, die freilich auch auf übler"<br />

Nachrede basieren kann: " Da hau ma zwa,<br />

drei auße aus'n HoteL." ,<br />

Ebenfalls unbestätigt sind zwei fahrtechnische<br />

Vorkommnisse in der Familie von,<br />

Bernd. Schwamm, sein Golfplatz-besitzender<br />

Bruder, will einen Golfball mit dem<br />

Driver in der Linken und einer am Hinterrad<br />

befindlichen i OOOer in der Rechten ins<br />

Green befördern Insider glauben allerhöchstens<br />

an ein Rough. Bernd, unter dem<br />

die CBX anmutet wie ein Moped, mußte<br />

vor geraumer Zeit ein Kundenmotorrd<br />

auf Weisung eines Höheren verlassen,<br />

während seine Freundin in unmittelbarer<br />

Nähe des Geschehens eine Telefonzelle<br />

okkupierte. Überlieferter Abschlußsatz der<br />

Konversation: "Du, i muß aufhör'n, da<br />

Berndi kummt nämlich auf Ellbogen und<br />

Knie daher!<br />

j

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