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Der Reitwagen Mai 1996 (PDF, 19.835 KB) - Motorradreporter

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Vorstellungsphase nicht ohne dankbar festzustellen,<br />

daß mir dadurch wenigstens die<br />

technische Einweisung zur RT erspart<br />

bleibt. Wer die Anwesenheit des neuen<br />

ßMW-Tourers bis heute nicht bemerk<br />

hat, bekommt von uns die gesammelten<br />

Auszüge deutschsprachiger Fachmagazine<br />

zum Thema im i Okg-EG-Normkarton zugesandt.<br />

Ich sage nur: T elelever-Gabel, Paralever-<br />

Hinterrdaufhängung natürlich mit Kardan<br />

und 1085 boxende Kubikzentimeter verborgen<br />

unter kurvenreichem Plastik. Das<br />

RT-Fahrwerk entspricht weitgehend den<br />

R- und GS-Modellen. Ein paar Minuten Gabelwinkel<br />

und ein paar Millimeter Radstand<br />

klopfen der gepflegten Entfernung auf die<br />

Schulter.<br />

Rekapitulieren wir kurz die Fahreindrücke<br />

am unverkleideten Boxer: unerreichtes<br />

Kontrollgeffhl über die transparente Vor-<br />

derrdffhrung, fein dosierbares Handling<br />

und Komfort aus Dämpfungsqualität und<br />

Sitzposition. BMW hat mit dieser Kombination<br />

das Thema Fahrspaß neu definiert. Es<br />

steht, wie soli ich das einem GSX-R-Besitzer<br />

erklären, tatsächlich nicht die Motorleistung<br />

im Vordergrund. 70 PS und 850 ccm<br />

sind bei richtiger Abstimmung ausreichend,<br />

um in das Zentrum dessen, was die<br />

meisten vOn uns mit dem Begriff Fahrerlebnis<br />

assoziieren, vorzustoßen. Die Konzep-<br />

tion der R 850 R schöpft ihr Charisma gerade<br />

aus den Attributen distinguierter Bescheidenheit.<br />

Wo und wann hätte man gedacht,<br />

innerhalb eines Besenkammerls von<br />

vielleicht 140 km/h ein neu es Fahrspaß-<br />

Universum entdecken zu können?<br />

Mitten im ergriffenen Schweigen überbietet<br />

BMW die nackte R mit einem Modell,<br />

das zu den genannten Talenten noch<br />

Langstreckentauglichkeit und +200 km/h-<br />

Potential addiert. Zentrale Frage: ist noch<br />

mehr wirklich alles?<br />

Um diese Frage zu ergründen, bin ich mit<br />

der RT pflichtbewußt in die zart blühende<br />

Toskana aufgebrochen. Nicht ohne gleichzeitig<br />

meine Solidarität mit tausenden, vom<br />

Wetter entnerven, österreichischen Mo-<br />

torrdfahrern bei einem andächtigen Glas<br />

Chianti zu bekunden.<br />

Serien mäßig wird die RT mit zwei 331-Koffern,<br />

Sitzhöhenverstellung und Rad i ovorbereitung<br />

ausgeliefert. So einfach die dreistufige<br />

Sitzhöhenverstellung funktioniert, so<br />

genial ist ihre Wirkung: je tiefer der Sitz,<br />

um so näher rückt er zum Lenker. Sitzposition<br />

und Bedienungsergonomie verdienen<br />

sowohl ffr Fahrer als auch ffr Sozia die<br />

volle Wertung. Bevor aber die große Tour<br />

Platz greifen kann, muß man sich mit dem"<br />

recht weit vorne angebrachten Seitenständer<br />

auseinandersetzen. Zwei waagrecht<br />

stehende Zylinder schränken den Fußraum<br />

zum Abstützen des Fahrzeugs naturgemäß<br />

ein, Gesellt sich dann noch ein Verkleidungsrand<br />

zum Zylinderkopfdeckel, wird<br />

42 <strong>Der</strong> RE/TWAGEN<br />

-<br />

;;;0'"<br />

F<br />

Eine RT mit zwei seeligen<br />

Passagieren in romantischer<br />

Kulisse finden Sie in jeder<br />

Schülerzeitung. Wir können<br />

dazu nur anmerken,<br />

daß das mächtige<br />

Drehmoment des Boxers<br />

die Fuhre ansatzlos aufs<br />

Hinterrd reißt.<br />

es sowohl beim Abstützen wie beim Seitenständerklappen<br />

knapp. Stopp und Go-<br />

Betrieb im Stadtverkehr ist mit der RT kein<br />

wahrer Genuß und man benötigt einige.<br />

Zeit Gewöhnung, um beim Anhalten oder'<br />

langsamen Rollen den Fuß zielsicher setzen<br />

zu können.<br />

Viel mehr Freude bereitet da der große<br />

Boxer. Er hat sich im Laufe der jahre immer<br />

größere Abschnitte des Drehzahlmessers<br />

unterworfen und herrcht Jetz feudal zwischen<br />

Standgas und Begrenzer. Leichtes<br />

Geschüttel unter 2500 min betont eher<br />

den starken Charakter denn technische Eigenheiten<br />

des Zweizylinders. Die Begriffe<br />

Durchzug und Drehmoment wurden in<br />

diesem Zusammenhang schon über Gebühr<br />

strapaziert. Wahre Lust entspringt<br />

vielmehr dem Teillastbereich der Bosch<br />

Motronic. Nur eine Idee Gasgriffdrehung<br />

bläst die RT fast schwerelos in Richtung<br />

Horizont. Nicht eine Zehntelsekunde Verzögerungszeit<br />

und weiche, aber beharrliche<br />

Gasannahme suggerieren überlegene Lei-<br />

stungsreserven. Es bereitet unheimliche<br />

Freude, die BMW mit filigraner Gashand<br />

über eine kurvige Landstrasse zu dirigieren,<br />

Volles Einschenken erzielt nicht viel mehr<br />

Wirkung als Halbgas, daffr steigert sich der<br />

Sound zu zornigem Brummen, ohne freilich<br />

in vergleichbar emotionalem Vorwärtsdrang<br />

zu kulminieren. Dies soli die respektablen<br />

Fahrwerte der RT in keinster<br />

Weise herabwürdigen. Eine kleine Dissonanz<br />

schleicht sich bei ganz leichtem<br />

Zurückdrehen des Gasgriffs ein. Die<br />

Motronic schaltet die Benzinzufuhr unmittelbar<br />

ab und sorgt für einen leichten Lastwechselruck.<br />

Typisch ffr einen großvolumigen<br />

Zweizylinder und durch das elektronische<br />

Motormanagement stark gefiltert,<br />

aber dennoch vorhanden. Ähnliches gilt<br />

auch ffr das Getriebe. Exakte Rasterung,<br />

moderate Bedienungskraft, aber heftige<br />

Geräuschentwicklung vor allem bei Gangwechseln<br />

ohne Last. Ich muß mir einmal<br />

von einem Techniker erklären lassen,<br />

warum Getriebefunktion und Lastwechsel<br />

bei einem Zweizylinder rauher ablaufen als<br />

bei einem Vierzylinder.<br />

Über das typische Geschwindigkeitsparadoxon<br />

von BMW-Motorrdern darf auch<br />

bei der RT philosophiert werden. Bis etwa<br />

140 km/h geben sich die 90 Pferde recht<br />

handzahm, darüber scheint eine kollektive<br />

Adrenalinspritze in die Leberkäse einzufahren.<br />

204 km/h bei 7200 min mit hochgestellter<br />

Scheibe sind nicht nur respektabel,<br />

sondern auch einhändig und ohne T urbulenzen<br />

fahrbar. Beläßt man die stufen los<br />

versellbare Frontscheibe in unterser POSition,<br />

liegt wohl der Helm im Luftstrom, von<br />

Turbulenzen bleibt sein Träger aber auch<br />

hier weitgehend verschont. Auch von der<br />

hinteren Sitzbank nur lobende Worte für<br />

Windschutz und Sitzkomfort. Lediglich den<br />

Gepäckträger hätte man mit einer stärkeren<br />

Strebe in flacherem Winkel zu einer<br />

besseren Haltemöglichkeit gemacht. Nur<br />

ffr den Anfang, wenn man den Hasen<br />

noch nicht so gut kennt. Es müssen Ja nicht<br />

alle RT-Eigner verheiratet sein. jedenfalls<br />

volle Wertung für die Windkanal arbeit an<br />

der RT. Was uns ohne Umwege zum Design<br />

bringt. Bei allen spannungsgeladenen<br />

Rundungen kann ich mich mit dem senkrecht<br />

expandierenden Scheinwerferbereich<br />

der RT nicht identifizieren. Von der<br />

Seite gefallt sie mir entschieden besser,<br />

wobei Konturen und Passung der beiden<br />

nicht in Fahrzeugfarbe lackierten Seitenteile<br />

zur Diskussion gestellt sind. Abgesehen<br />

von solchen Details wirk die RT in jeder<br />

Umgebung imposant und übt auch entsprechende<br />

Anziehungskraft auf Passanten<br />

aus.<br />

Anziehungskraft ist auch das Wort für's<br />

Fahrwerk. Das ebenso neutrale wie agile<br />

Eigenlenkverhalten ist für einen 280kg-<br />

T ourer nicht mehr sensationell, sondern

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