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Die Zentralschweizer<br />
streiten am längsten,<br />
die Zürcher am<br />
häufigsten und die<br />
Tessiner am teuersten<br />
Ein einig Volk von Streitern<br />
Wie streiten wir Schweizer? Wo leben die streitfreudigsten Menschen und gibt es einen<br />
Unterschied im Streitverhalten zwischen Frauen und Männern, Jungen und Alten?<br />
Der neue und schweizweit einzigartige TCS-Streitbarometer liefert jetzt Antworten.<br />
TEXT DOMINIC GRAF | ILLUSTRATION NICOLAS KRISTEN<br />
Streit ist nie schön. Aber manchmal<br />
muss man sich sein Recht erstreiten<br />
– oder, wenn man eine Rechtsschutzversicherung<br />
hat, Anwälte<br />
für sich streiten lassen. Zum 50-jährigen<br />
Bestehen der Assista Rechtsschutz<br />
AG hat der TCS rund 263 000 Policen<br />
im Verkehrsrechtsschutz und die daraus<br />
hervorgehenden Rechtsfälle aus dem<br />
Jahr 2018 genauer unter die Lupe genommen.<br />
Untersucht wurden die Fälle<br />
auf ihre Häufigkeit, ihre durchschnittliche<br />
Dauer sowie die Durchschnittskosten<br />
– jeweils unterteilt in die Kategorien<br />
Rechtsgebiet, Region, Altersgruppe, Geschlecht<br />
und Sprache. Die Erkenntnisse<br />
sind im ersten TCS-Streitbarometer zusammengefasst,<br />
aus dem hier die drei<br />
relevantesten Kernaussagen vorgestellt<br />
werden. Ring frei.<br />
Die grössten Streithähne<br />
In Zürich und in der Genferseeregion<br />
haben jährlich beinahe vier von hundert<br />
Personen einen Rechtsstreit infolge<br />
eines Vorfalls auf der Strasse oder im<br />
Zusammenhang mit ihrem Fahrzeug.<br />
Verglichen mit den anderen Regionen<br />
werden im Grossraum Zürich und Genf<br />
beinahe 50 Prozent mehr Rechtsstreitigkeiten<br />
rund um die Mobilität ausgefochten.<br />
Werden die Anteile bei den einzelnen<br />
Kategorien betrachtet, fällt auf,<br />
dass zum Beispiel die Zürcher 80 Prozent<br />
mehr Streitigkeiten im Bereich Verkehrsregelverletzungen<br />
führen als die<br />
Bewohner im Espace Mittelland oder<br />
im Tessin. Die grössten Streithähne der<br />
Schweiz leben in Genf und Zürich,<br />
lautet demnach eine erste Kernaussage.<br />
Doch weshalb ist das so? Um die Erkenntnisse<br />
aus dem Streitbarometer<br />
einordnen zu können, konfrontiert der<br />
«<strong>Touring</strong>» den Soziologen Ueli Mäder<br />
mit den Befunden. Zu den grössten<br />
Streithähnen sagt der emeritierte Professor:<br />
«In Zürich und Genf ist die Urbanität<br />
ausgeprägt. Sich für sein Recht<br />
einzusetzen, gehört zur Normalität.<br />
Wohl mithilfe von Anwälten – sie sind<br />
quasi in Greifnähe und besonders dicht<br />
vorhanden, wie auch das erforderliche<br />
Kleingeld.» Der Begriff Streithähne<br />
sei aber zu despektierlich. Denn einige<br />
Fälle liessen sich auch positiv deuten<br />
und zeugten von Konfliktfähigkeit und<br />
dem Bewusstsein für Gerechtigkeit,<br />
so der Alt-Dekan der Philosophisch-<br />
Historischen Fakultät der Uni Basel.<br />
Streitlust nimmt mit dem<br />
Alter ab<br />
Wird die Streithäufigkeit nach Altersgruppen<br />
betrachtet, ist festzustellen,<br />
dass diese mit zunehmendem Alter<br />
klar abnimmt. Mit fast vier Streitigkeiten<br />
auf hundert Personen sind die 18-<br />
bis 35-Jährigen beinahe doppelt so oft<br />
in einen Verkehrsrechtsstreit involviert<br />
wie die Altersgruppe von 66 und mehr<br />
Jahren. Je älter die Menschen, desto weniger<br />
streitlustig sind sie, lautet folglich<br />
eine weitere Kernaussage des TCS-<br />
Streitbarometers.<br />
Auch hierzu liefert Ueli Mäder eine<br />
mögliche Erklärung: «Jüngere wissen<br />
um ihre Rechte, die sie mit grösserem<br />
Selbstverständnis einfordern – administrativ<br />
und bürokratisch.» Zwar seien<br />
ältere Menschen grundsätzlich stärker<br />
mit dem moralischen Appell an Pflichtgefühle<br />
sozialisiert, jedoch könnte eine<br />
neue Lockerheit eine erhöhte Bereit-<br />
70 touring | <strong>Juni</strong> <strong>2019</strong>