ezepte / ZITRUSFRÜCHTE DIE ERSTE ZITRUSFRUCHT, DIE NACH EUROPA KAM, DÜRFTE DIE ZITRONAT-ZITRONE GEWESEN SEIN. So verschieden die Geschmäcker sein mögen, es gibt ein paar Köstlichkeiten, die uns einen. Die allermeisten Menschen sind sich zum Beispiel einig, dass sie Zitrusfrüchte umwerfend gut finden. Von Japan bis Spanien machen Schalen und Säfte von Zitronen, Orangen und all ihren zahlreichen Verwandten unser Essen besser, und selbst in Gegenden, wo Zitrusfrüchte gar nicht wachsen, gehören sie zum unersetzlichen Würz-Arsenal. Abgesehen von Salz und Pfeffer gibt es kaum ein so universell verwendetes Gewürz. Im fernen Westen ist ganz Kalifornien verrückt nach der süß-kräutrigen Meyer- Zitrone, etwas weiter im Süden, in Mexiko, gehört Limettensaft zur unverzichtbaren Würze am Tacostand (etwa so, wie bei uns Senf zur Wurst gereicht wird). Und in ganz Mittel- und Südamerika werden mit dem sauren Saft von Limetten und Zitronen roher Fisch, Muscheln und Krustentiere gegart und so zu Ceviche veredelt, einem wahrlich umwerfend erfrischenden Meeressalat. Im Osten vibrieren die Suppen Japans oft vom spritzigen Aroma geriebener Yuzu- Schale (oder deren Saft), einer Verwandten der Mandarine. Im Süden Chinas, wo die große Kantonküche zu Hause ist, hat jedes Restaurant irdene Töpfe oder Säcke voll getrockneter Orangenschalen neben dem Herd stehen, deren herb-frisches Aroma Eintöpfe und Saucen würzt. Und im tropischen Klima Südostasiens gedeihen manche Sorten so prächtig, dass sie zu Salaten verarbeitet werden, etwa dem herrlich saftigen, erfrischend herben Pomelo-Salat Vietnams. Die fantastischen Schmorgerichte Nordafrikas verdanken ihre geschmackliche Kraft oft monatelang gereiften Salzzitronen, die Wiener Küche ist seit Monarchie-Tagen abhängig von frischen Zitronen, die in ganz Südeuropa viel öfter als Essig für Säure sorgen. Und selbst die Engländer, jahrhundertelang eher nicht für ihre feine Küche berühmt, erkannten die Würzkraft des Zitrus und aromatisierten mit den Schalen der Bergamotte ihren Tee. Die Zitrus-Familie stammt ursprünglich aus Asien, einerseits aus der Gegend zwischen Südchina und Myanmar, andererseits aus Nordindien, am Fuß des Himalayas. Bereits vor über 3000 Jahren wurden Mandarinen in China und Indien kultiviert, und um das Jahr 1000 berichten chinesische Autoren von über 27 verschiedenen Orangenarten. Die erste Zitrusfrucht, die nach Europa kam, dürfte die Zitronat-Zitrone gewesen sein: Sie spielt eine wichtige Rolle im jüdischen Sukkot-Ritus, ursprünglich eine Art Erntedankfest. Jüdische Auswanderer brachten Zitronat-Zitronen um 300 vor Christus nach Vorderasien und in den östlichen Mittelmeerraum, um 100 vor Christus folgte dann die Zitrone. Allerdings wurden die exotischen Früchte zunächst nicht gegessen: Die Römer betrachteten Zitrusfrüchte eher als Medizin und große Mottenkugeln denn als Genussmittel. Erst im Mittelalter, als die Bitterorange begann, sich von Spanien und Italien aus auszubreiten, entdeckten europäische Köche, was für großartige Aromen in den Früchten stecken: Bitterorangen wurden zu einem der wichtigsten Würzmittel des Adels. Mit ihrem Saft wurde Fleisch mariniert und bei Tisch nachgewürzt, so wie heute mit Salz. Ihre Schalen und Blüten wurden kandiert und etwa zum Aromatisieren von Zucker verwendet. > IM MITTELALTER WAREN BITTERORANGEN EINES DER WICHTIGSTEN WÜRZMITTEL DES ADELS. 124 falstaff
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