Nr. 72 - Herbst 2019
Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen. Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!" Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce
Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen.
Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen
Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs
Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!"
Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce
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wusste das. Sie beschloss also spontan, die vom Abriss bedrohten<br />
Häuser abzutragen und an einem anderen Ort identisch wieder aufzubauen.<br />
Eine « Rumpelkammer von 68ern »<br />
Um die Organisation zu vereinfachen, wurde 1973 der<br />
Verein Maisons paysannes d’Alsace gegründet, was dem Projekt<br />
gleichzeitig einen « offiziellen Charakter » verlieh. 1980 fand<br />
man dann das passende Grundstück: Die Stadt Ungersheim,<br />
zwischen Colmar und Mühlhausen, war vom Vorhaben und<br />
der Entschlossenheit dieser « Ab- und Aufbauer » beeindruckt<br />
und stellte dem Verein ein zehn Hektar großes, brachliegendes<br />
Grundstück zur Verfügung. Dort konnten die aus dem ganzen<br />
Elsass stammenden, abgetragenen Häuser wieder aufgebaut<br />
werden. Schnell war das Gelände von Balken, Holzbrettern<br />
und anderen Baumaterialien übersät, und nur die Mitglieder<br />
des Vereins schienen in der Lage zu sein, die Systematik<br />
dieser Lagerung zu verstehen … Auch wenn manche dies als<br />
« Rumpelkammer von 68ern » bezeichneten, ließen sich die<br />
angehenden Architekten dadurch nicht entmutigen. Im Gegenteil.<br />
Alle wussten ganz genau, wozu die diversen Materialhaufen<br />
dienten. Zudem hatten sie eine bestimmte Idee, ein<br />
etwas verrücktes Vorhaben im Hinterkopf: Sie wollten hier ein<br />
Freilichtmuseum kreieren.<br />
Zur Überraschung aller und vor allem zur Überraschung<br />
der Kritiker des Projektes, die dieses als eindeutig utopisch eingestuft<br />
hatten, wurde im September 1980 der Wiederaufbau des ersten Hauses<br />
fertiggestellt. Es stand prächtig da und war der Beweis, dass die<br />
Idee realisierbar war. Es war ein enormer Erfolg. Der damalige Präsident<br />
des Conseil départemental du Haut-Rhin, Henri Goetschy, war enthusiastisch<br />
und davon überzeugt, dass die Vereinsmitglieder dadurch<br />
ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatten. Er schloss daher<br />
eine nachhaltige Partnerschaft mit dem Verein, durch die<br />
das utopische Projekt des Freilichtmuseums Realität<br />
wurde. Was das « Rohmaterial » anging, so hatte<br />
man die Qual der Wahl, denn in den 80er-Jahren<br />
wurden im Elsass pro Jahr schätzungsweise 400<br />
traditionelle Fachwerkhäuser abgerissen …<br />
Dies stachelte die Motivation der Frauen<br />
und Männer von Maisons paysannes<br />
d ’Alsace jedoch nur noch mehr an.<br />
Von ihrer Leidenschaft angetrieben,<br />
trugen sie Gebäude ab und bauten<br />
sie beherzt wieder auf. Die<br />
meisten engagierten sich in ihrer<br />
Freizeit, am Wochenende und im<br />
Urlaub. Auf diese Weise entstanden<br />
auf dem Gelände in Ungersheim<br />
20 traditionelle elsässische Häuser. Die Bewohner<br />
der Gegend wurden mit Verwunderung Zeugen davon, wie sich das<br />
Brachland allmählich in ein Dorf verwandelte.<br />
Abgesehen vom Erstaunen begann sich jedoch bald auch ein gewisser<br />
Stolz breitzumachen. Man wurde sich darüber bewusst, dass<br />
dieses architektonische Kulturerbe ein wahrer Schatz ist und darüber<br />
hinaus einen unglaublichen Charme ausstrahlt. Und Charme – das<br />
Die<br />
Besonder<br />
heit<br />
des<br />
Écomusée<br />
d‘Alsace liegt darin, dass<br />
es das architektonische Kulturerbe<br />
und die Traditionen des<br />
Elsass nicht einfach präsentiert,<br />
sondern sie lebendig darstellt. Unter<br />
dem neugierigen Blick der Störche<br />
werden die landwirtschaftlichen<br />
Maschinen und Werkzeuge<br />
regelmäßig in Betrieb genommen<br />
und die Bauernhöfe bewirtschaftet.<br />
Zu den 50 000 Objekten, die im<br />
ganzen Elsass zusammengetragen<br />
wurden, gehören auch<br />
einige Kuriositäten, wie der<br />
erstaunliche Haartrockner aus<br />
dem Jahr 1935 (Seite 28).<br />
Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2019</strong> · 31