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Nr. 72 - Herbst 2019

Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen. Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!" Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce

Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen.
Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen
Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs
Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!"
Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce

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FRANKREICH HEUTE Gesellschaft<br />

MEDIEN IN FRANKREICH:<br />

Ist die Zeit für ein kritisches Hinterfragen gekommen?<br />

Es ist vermutlich eine der unerwartetsten Auswirkungen<br />

der jüngsten Gelbwesten-Bewegung in<br />

Frankreich: Die französischen Medien konstatieren<br />

seit mehreren Monaten, dass sie sich in einer<br />

noch nie da gewesenen Vertrauenskrise befinden.<br />

Der Prozess geht schleichend vonstatten, die Verdrossenheit<br />

nimmt langsam aber stetig zu, wie<br />

man es bisher nur gegenüber der politischen Klasse<br />

erlebte. Kürzlich wurde nun eine ausführliche<br />

Studie eines unabhängigen französischen Thinktanks,<br />

des Instituts Montaigne, in Zusammenarbeit<br />

mit dem Medienlabor der Pariser Hochschule für<br />

Politikwissenschaften und dem Center for Civic<br />

Media des Massachusetts Institute of Technology<br />

(MIT) veröffentlicht, die das mediale System in<br />

Frankreich kritisch beleuchtet. Obwohl die<br />

Schlussfolgerungen sehr aufschlussreich sind,<br />

wurden sie im Hexagon relativ « diskret » behandelt.<br />

Dennoch scheint es, als sei es für die französischen<br />

Medien höchste Zeit, sich einmal<br />

selbst infrage zu stellen …<br />

Die Welt der französischen Medien befindet<br />

sich zurzeit in einer eigenartigen<br />

Situation. Seit einigen Jahren<br />

scheinen sich die Redaktionen – egal ob<br />

Printmedien, Hörfunk, Fernsehen oder<br />

Onlinemedien – in einem ständigen<br />

Umbruch zu befinden. Es vergeht keine<br />

Woche, in der nicht Begriffe wie « Modernisierung<br />

», « Digitalisierung », « Zusammenlegung<br />

» oder « notwendige Synergien mit der<br />

digitalen Welt » zu hören oder zu lesen sind.<br />

Quasi alle Journalisten – egal wo sie arbeiten und<br />

wie groß ihr Team ist – geben heutzutage zu, dass sie<br />

das Gefühl haben, ständig in Bewegung zu sein, dass sie<br />

manchmal gezwungenermaßen eine neue Art des Journalismus<br />

« erfinden », eine neue Beziehung zur Information<br />

und zum Umgang mit ihr schaffen müssen. Manche finden<br />

diese Umstände großartig und begeistern sich dafür, alles –<br />

oder fast alles – neu erschaffen zu können, andere haben<br />

Mühe, damit umzugehen. Und doch sind sich alle einig:<br />

Der Beruf befindet sich mitten in einem Umbruch, es<br />

herrscht ein permanenter Druck zur Veränderung.<br />

Dennoch ist die Situation paradox: Trotz dieses Gefühls der<br />

Erneuerung, gab es in Frankreich noch niemals eine derartige<br />

Vertrauenskrise zwischen der öffentlichen Meinung und denjenigen,<br />

deren Auftrag es ist, mit Informationen zur Meinungsbildung<br />

beizutragen. Nie zuvor wurden Journalisten in<br />

dem Maße kritisiert, dass sie nicht in der Lage seien, ihren<br />

Umgang mit der Information differenziert zu beleuchten. Nie<br />

zuvor haben große Teile der Öffentlichkeit ihnen Unbeweglichkeit<br />

vorgeworfen. Die Diskrepanz ist offensichtlich …<br />

Einige Journalisten bringen zu ihrer Verteidigung vor,<br />

dass dieses Phänomen nichts Neues und im Übrigen nicht<br />

nur typisch für Frankreich sei. Das ist vom Grundsatz her<br />

nicht falsch, denn in zahlreichen anderen demokratischen<br />

Ländern der westlichen Welt konstatiert man heute dieselbe<br />

Krise. Und doch ist diese Erklärung angesichts der jüngsten<br />

Bewegung der Gilets jaunes wie eine Seifenblase geplatzt,<br />

da sie offensichtlich zu einfach und zu sehr berufsständisch<br />

motiviert ist, um der Sache wirklich gerecht zu werden.<br />

Durchleuchtet man heute die französischen Medien etwas<br />

genauer, dann hat man den Eindruck, dass sie sich bisher<br />

wohl in einem schützenden Kokon befunden haben, der<br />

nun im Begriff ist, sich aufzulösen. Als ob die französischen<br />

Journalisten, die daran gewöhnt waren, in ihrem eigenen<br />

Dunstkreis zu leben, sich nun plötzlich der Welt um sich<br />

herum und der immer lauter werdenden Stimme des Volkes<br />

stellen und sich selbst hinterfragen müssten.<br />

Man könnte meinen, dass diese Erwartung vor<br />

allem durch die Gilets jaunes geschürt worden sei.<br />

Dem ist jedoch nicht so, und das ist vermutlich<br />

der interessanteste Punkt in diesem<br />

Zusammenhang. Bereits vor<br />

dieser Bewegung haben mehrere<br />

Umfragen und Studien gezeigt,<br />

dass die öffentliche Meinung<br />

schon seit Langem diesen<br />

Standpunkt teilt. In dieser Beziehung<br />

haben die Gelbwesten<br />

absolut nichts Neues erfunden,<br />

allerdings haben sie dazu beigetragen,<br />

das Bewusstsein<br />

für die Problematik<br />

zu<br />

wecken.<br />

74 · Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2019</strong>

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