Nr. 72 - Herbst 2019
Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen. Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!" Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce
Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen.
Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen
Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs
Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!"
Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce
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In der Bretagne, die wir und viele unserer Leser<br />
so lieben, die so schön und friedlich erscheint, gibt es<br />
seit Anfang der 70er-Jahre ebenfalls ein schwerwiegendes<br />
Umweltproblem: Grünalgen. Vielleicht haben<br />
Sie schon davon gehört oder waren sogar selbst bereits<br />
Zeuge davon, wie jährlich zwischen Mai und Oktober<br />
einige Strände an der bretonischen Küste tonnenweise<br />
von Grünalgen überschwemmt werden. Eine in diesem<br />
Comic publik gemachte Untersuchung zeigt, dass<br />
seit 1997 insgesamt 140 Küstenabschnitte mindestens<br />
einmal von einem solchen grünen Teppich betroffen<br />
waren, 61 davon sogar wiederholt. Die Algen zersetzen<br />
sich innerhalb von rund 48 Stunden und werden<br />
an der Oberfläche weiß. Dem Anschein nach sind<br />
sie zwar unästhetisch, aber harmlos. In Wirklichkeit<br />
stellen sie jedoch eine echte Gefahr dar. Beim Verwesen<br />
entsteht das Gas Schwefelwasserstoff (H 2<br />
S), das,<br />
wenn es in konzentrierter Form eingeatmet wird –<br />
weil sich zum Beispiel unter einer meterhohen Algenschicht<br />
eine Gasblase gebildet hat –, in kürzester Zeit<br />
zum Tod führen kann. Laut dem Institut National de la<br />
Recherche Scientifique (INRS) tritt der Tod beim Menschen<br />
ab einer Konzentration von 1000 ppm innerhalb<br />
weniger Minuten ein. Seit 2009 wurden mehrere<br />
beunruhigende Todesfälle von Tieren (Hunde und<br />
Wildschweine) erfasst, deren Kadaver inmitten von<br />
Grünalgen lagen. Doch auch bei Menschen kam es<br />
bereits zu Gesundheitsbeschwerden und leider sogar<br />
zu Todesfällen: 1989 starb ein 26 Jahre alter Jogger,<br />
2009 und 2018 jeweils ein mit dem Abtransport der<br />
Grünalgen beauftragter Traktorfahrer. Insofern darf<br />
man nicht erstaunt sein, wenn man auch in diesem<br />
Sommer an einigen bretonischen Stränden ein schnelles<br />
Hin und Her von Traktoren beobachten kann, die<br />
die angeschwemmten Algen so rasch wie möglich<br />
einsammeln, damit sie sich nicht zersetzen und das<br />
Gas freisetzen können. Die Algen werden dann in den<br />
meisten Fällen umgehend verbrannt, das Problem ist<br />
auf diese Weise beseitigt und könnte nahezu unbemerkt<br />
bleiben …<br />
Dass dem nicht so ist, liegt daran, dass es Menschen<br />
gibt, die hartnäckig und mutig auf die Problematik<br />
aufmerksam machen. Genau davon handelt<br />
dieser Comic, der das Ergebnis einer dreijährigen Recherche<br />
vor Ort ist. Verblüfft und zugegebenermaßen<br />
anerkennend erfährt man, dass es ein paar Bretonen<br />
gibt, die sich aus Liebe zu ihrer Region weigerten, die<br />
extrem gefährliche Verschmutzung der Strände einfach<br />
zu akzeptieren. Anstatt sich mit der oberflächlichen<br />
Lösung des Problems, also mit dem Verbrennen<br />
der Grünalgen, abzufinden, wollten sie wissen, was die<br />
Ursache dafür ist, damit man das Übel an der Wurzel<br />
packen kann.<br />
Was man nun in diesem Comic erfährt, ist in<br />
mehrfacher Hinsicht unglaublich und jagt dem Leser<br />
teilweise kalte Schauer über den Rücken. Man<br />
Sie trocknen an der Oberfläche, werden weiß und<br />
vermischen sich mit dem Sand.<br />
Denn unten entwickelt sich durch<br />
die Verwesung ein ultragiftiges Gas,<br />
das sich in Blasen ansammelt.<br />
Es stinkt bekanntlich<br />
nach verfaulten Eiern.<br />
… und tötet genauso<br />
schnell wie Zyankali.<br />
So stellen sie eine<br />
perfekte Falle dar.<br />
Schwefelwasserstoff oder H2S.<br />
In großer Menge freigesetzt,<br />
betäubt es den Geruchsnerv, wird<br />
dadurch nicht erkannt, lähmt<br />
Nervensystem und Atemwege …<br />
Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2019</strong> · 77