Nr. 72 - Herbst 2019

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ART DE VIVRE Gastromomie MOUTARDE FALLOT ein Senf mit Tradition und einem einzigartigen Geschmack Rund 40 Kilometer südöstlich von Dijon, im Herzen der Stadt Beaune, die vor allem für ihren Wein und die berühmten Hospices bekannt ist, produziert das Familienunternehmen Fallot seit 1840 einen einzigartigen Senf. Einen Senf, den man nirgendwo anders findet, und den man beinahe nirgendwo mehr gefunden hätte. Angesichts von Giganten wie Amora und Maille, die beide zum niederländisch-britischen Konzern Unilever gehören, ist das Unternehmen Fallot ein Winzling. Doch Fallot hat gekämpft und ist heute das einzige Unternehmen, das einen Senf « 100 % Burgund » produziert, da er vor Ort und ausschließlich aus Senfkörnern der Umgebung hergestellt wird. Darüber hinaus werden diese Körner mit einem traditionellen Mühlstein gemahlen, wie man es hier schon immer machte. 82 · Frankreich erleben · Herbst 2019
Wenn Marc Désarménien über Senf redet, weiß er genau, wovon er spricht. Denn bereits sein Vater und sein Großvater, von denen der heutige Geschäftsführer das 1840 in Beaune (Côte d‘Or) gegründete Unternehmen erbte, waren Senfhersteller. Die Wohnung seiner Eltern befand sich in einem Teil des Produktionsgebäudes in Beaune, dort, wo heute die Besucher empfangen werden. Als Kind spielte er zwischen Jutesäcken mit Senfkörnern, die damals aus verschiedenen Regionen kamen. Es war noch « die gute alte Zeit », in der die Rapsfelder – die mit ihren gelben Blüten aus der Ferne Senffeldern zum Verwechseln ähnlich sehen – in der Gegend noch nicht so verbreitet waren wie heute. Die lokalen Landwirte waren noch stolz darauf gewesen, ihre Senfkörner in der Fabrik abliefern zu können, wo sie von riesigen Mühlsteinen nach der altüberlieferten Methode und mit viel Geduld gemahlen wurden, bevor man den ebenfalls lokal erzeugten Verjus, einen Saft aus unreifen Trauben, sowie einige andere Zutaten hinzufügte. Das Ergebnis war ein ausgezeichneter Senf, der nicht nur Botschafter für Dijon, sondern für die ganze Region Burgund war. Doch dann änderten sich die Zeiten. Innerhalb von nur 20 Jahren musste Marc Désarménien miterleben, wie die Senffelder nach und nach verschwanden. Die Produktion war für die Bauern immer unrentabler geworden, denn die Senfhersteller zogen es inzwischen vor, die Körner aus dem Ausland, vorwiegend aus Kanada, zu importieren. Dort wurden sie billiger als in Frankreich verkauft. Parallel dazu ging die Zahl der Senfhersteller deutlich zurück. Im 19. Jahrhundert hatte es alleine in der Gegend um Dijon und Beaune noch rund 30 und in ganz Burgund knapp 200 solcher Betriebe gegeben. Bedingt durch Globalisierung und Unternehmenszusammenschlüsse gibt es heute in Dijon gerade einmal noch vier solcher Betriebe – die beiden weltweit tätigen Unternehmen Amora und Maille, die zum niederländisch-britischen Konzern Unilever gehören, sowie die deutschen Unternehmen Kühne und Reine de Dijon, die seit 1998 Eigentum von Devely Senf Feinkost sind – und gerade noch einen einzigen in Beaune, nämlich die Moutarderie Fallot. Angesichts dieser Situation hätte Marc Désarménien die Waffen strecken und wie so viele andere sein Familienunternehmen verkaufen können. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Er krempelte die Ärmel hoch und beschloss, einen Senf nach Art seiner Vorfahren sowie mit Respekt und Passion zu produzieren. Wie er uns in einem Gespräch erläutert hat (siehe Interview), konnte der junge Unternehmer mit Unterstützung anderer Akteure vor Ort Landwirte überzeugen, in der Umgebung wieder Senfkörner anzubauen. Er war der Wegbereiter für das Label, das den « Senf aus Burgund » gegen Nachahmer schützen soll. 2009 wurde das entsprechende Gütezeichen endlich vergeben. Damit war das meiste geschafft. Aber das war nicht alles. Als « Kleiner unter Großen » hatte Marc Désarménien schon immer eine enge Beziehung zu seinen Kunden. Dadurch war er in der Lage, auf Marktveränderungen schnell zu reagieren. Der « kleine Senfhersteller » stellte fest, dass die Zeit, in der Quantität vor Qualität ging, irgendwann vorbei war. Heute macht sich der Konsument viel mehr Gedanken darüber, was er isst, er will wissen, wo die Produkte herkommen und bevorzugt, wenn es ihm möglich ist, die Qualität. In dieser Beziehung muss jeder anerkennen, dass der Senf von Fallot einzigartig, der Geschmack unverwechselbar ist. Es fällt sofort auf, dass dieser Senf viel intensiver als Konkurrenzprodukte schmeckt. Marc Désarménien wird nicht müde, den Grund dafür zu erläutern: Bei Fallot mahlt man die Senfkörner nach wie vor mit einem richtigen Mühlstein. Die Körner werden nicht erst erhitzt, um das Zermahlen mit modernen Maschinen zu vereinfachen, wie es andere Hersteller meist praktizieren. Das Ergebnis: Die Körner behalten ihren ausgeprägten Geschmack und ihre Aromen. Der Senf von Fallot ist vor allem auch deswegen einzigartig, weil er zu 100 % aus in Burgund angebauten Senfkörnern sowie aus dem ebenfalls hier produzierten Weißwein Bourgogne Aligoté besteht. Die Bezeichnung « aus Burgund » hat hier also ihre volle Berechtigung. Zuletzt zeichnet sich dieser Senf dadurch aus, dass Frankreich erleben · Herbst 2019 · 83
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