Nr. 72 - Herbst 2019

UNTERWEGS IN FRANKREICH Baskenland
Basabura, « der wilde Kopf » oder « das wilde Ende».
So wird die Region Haute-Soule, das Fleckchen
Erde, das sich zwischen Frankreich und Spanien in
die Pyrenäen schmiegt, in der baskischen Sprache genannt.
Es ist das sprichwörtliche « Ende der Welt », weit ab von
allem. Selbst die Christianisierung kam hier erst spät an,
und abgesehen von den Bewohnern war der Ort lange Zeit
nur den Pilgern nach Santiago de Compostela bekannt.
Diese nahmen seit dem 12. Jahrhundert einen Weg, der
durch das Vallée de Saison zur romanischen Kirche Santa
Grazi im kleinen Dorf Sainte-Engrâce führte. Diese Kirche,
die seit 1841 als französisches Kulturdenkmal geschützt
ist, ist ein architektonisches Juwel und immer noch
eine beliebte Etappe für Pilger und Wanderer. Auch
Schmuggler gehörten zu den regelmäßigen Besuchern dieser
Gegend. Die zahlreichen felsigen Steilhänge und Klippen
scheinen zwar nur schwer begehbar zu sein, doch die
Talengen, die sie formen und die wie Narben im Berg aussehen,
waren lange Zeit beliebte Passagen und Verstecke,
um Waren unbemerkt zwischen Spanien und Frankreich
zu transportieren.
Eine Reise in den Bauch der Erde
Die geologischen Besonderheiten des Landstrichs
Haute-Soule mit den zahlreichen Schluchten, Flüssen
und Quellen weckten mit der Zeit die Neugier der
Menschen. Ab dem 19. Jahrhundert begann man, diese
Gegend unter einem anderen Blickwinkel – vor allem
einem wissenschaftlichen – zu betrachten. Das Interesse
für das Innere der Erde führte dazu, dass sich damals
eine neue Aktivität entwickelte: die Speläologie. Für die
Anhänger dieser neuen Beschäftigung bot die Region
Haute-Soule ein ideales Experimentierfeld. Erdbewegungen,
die Abfolge von Eiszeiten und Warmzeiten sowie
der Wasserreichtum haben im Laufe von Millionen
Jahren in den Pyrenäen außergewöhnliche Landschaften
geformt. Edouard-Alfred Martel (1859-1938), einer der
Väter der modernen Speläologie und Entdecker der Höhle
von Padirac (Lot), die wir Ihnen in Frankreich erleben Nr.
44 bereits vorstellten, erforschte 1906 wenige Kilometer
von der Kirche Santa Grazi entfernt zum ersten Mal die
Gorges de Kakuetta. Diese Entdeckung sollte das ruhige
56 · Frankreich erleben · Herbst 2019