Nr. 72 - Herbst 2019
Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen. Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!" Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce
Ecomusée d'Alsace: das Unmögliche möglich machen.
Bretagne: die verschwiegene Geschichte der grünen Algen
Baskenland: Gorges de Kakuetta: das « wilde Ende » Frankreichs
Centre-Val de Loire: Richelieu: "das schönste Dorf des Universums!"
Chantals Rezept: Kabeljaurücken mit Senfsauce
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FRANKREICH HEUTE Justiz<br />
Treue Leser von Frankreich erleben wissen nur zu gut, dass es uns das kleine und einmalig schöne Dorf<br />
Laguiole im Departement Aveyron (Region Occitanie) schon seit vielen Jahren angetan hat. Zunächst<br />
begeisterte uns eine kulinarische Spezialität, und im Frühling 2012 (Ausgabe <strong>Nr</strong>. 38) erfuhren Sie mehr<br />
über den köstlichen Käse namens Laguiole. Im Jahr 2015 (Ausgabe <strong>Nr</strong>. 55) konnten Sie dann die handwerklich<br />
hergestellten Laguiole-Messer entdecken, die zu den schönsten und bekanntesten in Frankreich<br />
zählen. In diesem Zusammenhang hielten wir Sie regelmäßig über den mutigen Rechtsstreit auf<br />
dem Laufenden, den die Gemeinde seit Jahrzehnten gegen einen skrupellosen Geschäftsmann führt,<br />
der den Ruf des Namens Laguiole ausnutzte, um unter dieser Marke Messer und andere Produkte zu<br />
vermarkten, die im Wesentlichen in Asien gefertigt werden. Es liegt auf der Hand, dass die falschen Laguiole-Messer<br />
hinsichtlich der Qualität mit den echten überhaupt nicht vergleichbar sind. Vor Kurzem<br />
hat das Pariser Berufungsgericht nun ein Urteil zugunsten des kleinen Dorfes im Aveyron gefällt. Ein<br />
schöner Erfolg, den wir mit Ihnen teilen möchten!<br />
Jedes Jahr zu Beginn des Sommers sind sie wieder in<br />
den Regalen der französischen Supermärkte zu finden:<br />
Messer, teilweise in knallbunten Farben, auf deren<br />
Klinge der Name « Laguiole » eingraviert ist, die am<br />
Ende des Griffes mit einer kleinen, herzig aussehenden<br />
Biene geschmückt und meist als « Sommerangebot » ausgezeichnet<br />
sind. Und jedes Jahr ist es dasselbe: Tausende,<br />
Zehntausende von Kunden lassen sich hinters Licht führen.<br />
Sie fallen der grenzenlosen Globalisierung und einem<br />
fehlenden juristischen Schutz zum Opfer, denn sie kaufen<br />
die Messer im guten Glauben, diese seien tatsächlich auf<br />
traditionelle Art und Weise in Laguiole gefertigt. Dabei<br />
nehmen sie Messer – und manchmal sogar Löffel und Gabeln!<br />
– mit nach Hause, die nichts anderes als billige Kopien<br />
der echten, im Aveyron hergestellten Messer sind. Die<br />
so getäuschten Kunden machen dann schnell die Erfahrung,<br />
dass die kleine Biene, das originelle Markenzeichen<br />
der echten Messer, nach einigen Spülgängen bereits abbricht,<br />
dass die Klinge nicht mehr schneidet oder das Heft<br />
auseinanderfällt … Die Qualität hat nichts mit der legendären<br />
Robustheit der echten Messer zu tun, die seit dem<br />
19. Jahrhundert von Hand gefertigt werden und deren<br />
Griff aus natürlichen, oft wertvollen Hölzern oder gar aus<br />
Horn besteht, während der Stahl für die Klinge in Schmieden<br />
vor Ort dafür besonders bearbeitet wird. Es ist ein<br />
richtiggehender « regionaler Industriezweig », der heute<br />
noch in Laguiole 200 Menschen beschäftigt.<br />
Laguiole-Messer aus Asien<br />
Ein kleiner Rückblick in die 90er-Jahre: Gilbert<br />
Szajner, ein Unternehmer aus der Zementindustrie, der<br />
regelmäßig seine Familie im Aveyron besuchte, entdeckte<br />
eines Tages, dass für den Namen « Laguiole » kein Markenschutz<br />
bestand, obwohl die unter dieser Bezeichnung<br />
vertriebenen Messer in ganz Frankreich für ihre Qualität<br />
renommiert waren. Er wusste, dass die Messer, deren Preis<br />
im Durchschnitt 120 Euro beträgt, über ein hervorragendes<br />
Markenimage verfügen. In zahlreichen französischen<br />
Familien sind sie traditionell ein « Geschenk fürs Leben ».<br />
Er ließ den Namen « Laguiole » als Marke eintragen, informierte<br />
aber weder die ansässige Messerindustrie noch<br />
die Gemeinde darüber. Die Eintragung einer Marke beim<br />
Institut National de la Propriété Industrielle (INPI) ist ein<br />
durchaus legaler Vorgang. Gilbert Szajners Ziel war es,<br />
zahlreiche Merchandisingprodukte – von Schirmmützen<br />
über Brillen bis hin zu Löffeln – unter diesem Namen zu<br />
vermarkten. Man schätzt, dass seither weltweit pro Jahr<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>Herbst</strong> <strong>2019</strong>