SPORTaktiv August 2020
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ANDREAS GRAF<br />
Der im <strong>August</strong> 1985 geborene<br />
Niederösterreicher begann im<br />
Alter von zehn Jahren mit dem<br />
Radsport und wurde bereits als<br />
Juniorenfahrer mit dem Bahnrad-Virus<br />
infiziert. Bis heute ist<br />
er auf beiden Belagen unterwegs,<br />
die größeren Erfolge feierte<br />
er aber in den Velodroms:<br />
Europameister 2014, Gesamtweltcup-Sieger<br />
2018 (jeweils<br />
im Madison mit Andreas Müller),<br />
Vizeweltmeister 2016 im<br />
Punktefahren. Dazu kommen<br />
14 Staatsmeistertitel. Bei der<br />
im Februar dieses Jahres in<br />
Berlin ausgetragenen Weltmeisterschaft<br />
qualifizierte sich<br />
das Duo Graf/Müller endgültig<br />
für die auf 2021 verschobenen<br />
Sommerspiele in Japan.<br />
www.prinz-graf.at<br />
Also legen wir los. Oder besser gesagt:<br />
Andreas hält mein Rad fest, lässt mich in<br />
die Pedale schlupfen und gibt mir einen<br />
Schubser, dank dem ich mich in Bewegung<br />
setze. Einmal in Schwung gekommen,<br />
fühlt es sich mit der starren Übersetzung<br />
an wie auf einem Citybike in<br />
hohem Gang. Die mit acht Bar aufgepumpten,<br />
28 Millimeter breiten Reifen<br />
gleiten gleichmäßig über das Holz, die<br />
ersten Verzögerungsversuche sind etwas<br />
ruckelig, werden aber von Mal zu Mal geschmeidiger.<br />
„Zu Beginn fahren wir nur<br />
im ebenen Sturzbereich, damit du ein<br />
Gefühl für das Rad bekommst“, erklärt<br />
Andreas. Beim Begriff „Sturzbereich“<br />
kommt mir erstmals die Frage in den<br />
Sinn, warum wir – außer einem Helm<br />
natürlich – eigentlich keine weiteren<br />
Polsterungen tragen. „Ist nicht üblich,<br />
wird schon nichts passieren“, wischt der<br />
Prinz meine Bedenken vom Tisch.<br />
Während wir also Runde um Runde<br />
drehen, geht mein Blick immer wieder<br />
nach rechts. Also dorthin, wo sich die<br />
Steilkurven wie eine Tsunamiwelle alle<br />
paar Sekunden vor uns auftürmen. Ein<br />
weiterer Beweis, wie wenig TV-Kameras<br />
in der Lage sind, die Realität einzufangen.<br />
45 Grad sind so steil, dass man ohne<br />
fremde Hilfe kaum in der Lage wäre, die<br />
... DANN KANNST<br />
DU EIN PAAR TAGE<br />
LANG HOLZSPLIT-<br />
TER AUS DEINEM<br />
OBERSCHENKEL<br />
KLAUBEN.<br />
Bahn zu Fuß zu erklimmen (was unser<br />
Fotograf übrigens bestätigen kann). Und<br />
da sollen wir auf zwei dünnen Reifen<br />
durchflitzen? Andreas geht es step by step<br />
an. „Zuerst fahren wir auf der Geraden in<br />
die Bahn und vor den Kurven wieder hinaus.<br />
Du musst nur aufpassen, da du<br />
beim Bergabfahren natürlich an Speed<br />
zulegst.“ Dann lautet die Regel: Nur keine<br />
hektischen Lenkbewegungen machen,<br />
einfach dem Verlauf der Bahn folgen.<br />
Und wohl auch ein bisschen auf den lieben<br />
Gott vertrauen.<br />
Spätestens hier fängt sie an, die Überwindung.<br />
Auf dem dunklen Holz der insgesamt<br />
250 Meter langen Runde sind<br />
drei Streifen angebracht, ganz unten ein<br />
schwarzer, etwas höher ein roter und in<br />
der Mitte ein blauer. „Unser Ziel ist es,<br />
ein paar Runden auf dem blauen Strich<br />
zu fahren.“ Eine zu diesem Zeitpunkt<br />
noch ziemlich unrealistische Vorstellung,<br />
aber der Prinz will sich auf keine Kurvendiskussion<br />
einlassen. Hat aber einen königlichen<br />
Tipp in petto. Er fährt in der<br />
nötigen Geschwindigkeit vor, ich soll<br />
mich an sein Hinterrad heften – schließ-<br />
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