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SPORTaktiv August 2020

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seilt mich und meine Seilschaft Anja<br />

an und gibt Kommandos. „Schön ruhig<br />

und gleichmäßig steigen.“ Die<br />

ersten Griffe gelingen, dann bin ich<br />

wohl beim Vierer, denn weder Hand<br />

noch Schuhe finden auf die Schnelle<br />

einen Halt. Na bravo, der Anfänger<br />

strauchelt auf den ersten Metern.<br />

Schweiß rinnt aus dem Helm Richtung<br />

Nase, die wohl etwas bleich<br />

wird. Ein Ruck von oben am Seil, ich<br />

riskiere am glatten Fels und irgendwie<br />

klappt es, uff.<br />

Beim Blick nach oben erkenne ich<br />

keine Route, niemals schaffe ich es da<br />

rauf, denke ich. „Nur bis zum nächsten<br />

Griff schauen“, mahnt Heli von<br />

oben. „Spitz steigen“, ist einer der<br />

Tipps. „Auf Reibung gehen“ heißt,<br />

der Sohle vertrauen und „keine langen<br />

Schritte“ sollen Kraft sparen.<br />

„Tänzeln“, sagt Heli. Wenn er klettert,<br />

schaut es leicht aus.<br />

„Die ersten Schritte vom Bergsteigen<br />

zum Felsklettern“ stand auf der<br />

Presseeinladung und meine Journalistenkollegen<br />

haben diese ersten<br />

Schritte schon ein paar Mal absolviert.<br />

Sie haben ihren Spaß mit dem<br />

<strong>SPORTaktiv</strong>-Rookie in ihrer Mitte.<br />

Ich übe mich in Galgenhumor, mache<br />

aus der Drei-Punkt-Kletterei die<br />

„Sieben-Punkt-Technik“ mit 2 x<br />

Hand, 2 x Fuß, 2 x Kniescheibe und<br />

1 x Hintern. Elegant wie ein Seelöwe<br />

hänge ich am Felsen, aber an den<br />

einfacheren Passagen fasse ich Vertrauen<br />

in meine Bergschuhe (erstaunlich,<br />

welchen Grip die Sohle<br />

der Schuhspitze hat) und meine<br />

Arme. Dass ich zwei Tage später den<br />

Muskelkater meines Lebens haben<br />

Fürs Klettern braucht man viel Ausrüstung,<br />

bei Kursen gibt es aber Leihmaterial.<br />

SCHWIERIGKEITS­<br />

GRADE,<br />

ALPINKLETTERN:<br />

I: Einfachste Form der Felskletterei,<br />

kein leichtes Gehgelände mehr. Anfänger<br />

müssen am Seil gesichert werden,<br />

Schwindelfreiheit erforderlich.<br />

II: Mäßige Schwierigkeiten. Hier<br />

beginnt die Kletterei mit Drei-<br />

Punkt-Haltung.<br />

III: Mittlere Schwierigkeiten. Zwischensicherungen<br />

an exponierten Stellen<br />

empfehlenswert. Senkrechte Stellen<br />

verlangen bereits Kraftaufwand. Geübte<br />

und erfahrene Kletterer können Passagen<br />

dieser Schwierigkeit noch ohne<br />

Seilsicherung erklettern.<br />

IV: Große Schwierigkeiten. Hier<br />

beginnt die Kletterei schärferer<br />

Richtung. Erhebliche Klettererfahrung<br />

notwendig. Längere Kletterstellen<br />

bedürfen meist mehrerer Zwischensicherungen.<br />

Nicht mehr ohne Seilsicherung.<br />

V: Sehr große Schwierigkeiten. Erhöhte<br />

Anforderungen an körperliche<br />

Voraussetzungen, Klettertechnik und<br />

Erfahrung.<br />

VI: Überaus große Schwierigkeiten.<br />

Die Kletterei erfordert weit überdurchschnittliches<br />

Können und hervorragenden<br />

Trainingszustand. Große Ausgesetztheit,<br />

oft verbunden mit kleinen<br />

Standplätzen.<br />

VII: Außergewöhnlich große Schwierigkeiten.<br />

Akrobatisches Klettervermögen,<br />

ausgefeilte Sicherungstechniken.<br />

VIII: Hohe Schwierigkeiten. Ein<br />

Schwierigkeitsgrad, der nur von wenigen<br />

Kletterern erreicht wird.<br />

IX. Sehr hoher Schwierigkeitsgrad,<br />

der nur von sehr wenigen Kletterern<br />

beherrscht wird.<br />

X: Sehr, sehr hoher Schwierigkeitsgrad,<br />

den nur noch professionelle<br />

Kletterer beherrschen.<br />

XI bzw. XII: Hier liegt der Weltrekord<br />

bzw. das bislang Mögliche, weltweit<br />

nur von einer Handvoll absoluter Ausnahmetalente<br />

gemeistert.<br />

werde, ahne ich da noch nicht. Dass<br />

hier Zehnjährige mühelos raufkommen,<br />

erfahre ich auch später. Die<br />

Bügeleisenkante wird nach oben hin<br />

aber leichter, auch wenn es seitlich<br />

und hinter uns mittlerweile seeeehr<br />

weit hinuntergeht. Das leicht mulmige<br />

Gefühl im Magen bleibt.<br />

Dann geht es weiter auf den Roten<br />

Turm, der den spektakulären Felsenkessel<br />

um die Karlsbader Hütte dominiert.<br />

Aufstieg wieder als 2er und<br />

3er, vorbei am Holzschild „Nur für<br />

Geübte“ und über den Schneiderkamin<br />

rauf auf den 2702 Meter hohen<br />

Gipfel. Der Fels ist extrem griffig, die<br />

Aussicht atemberaubend. Auch der<br />

Abstieg über den Schmittkamin<br />

raubt mir ein paar Mal den Atem.<br />

Beim Klettern nach unten sieht man<br />

nämlich seine Füße nicht immer.<br />

Eine Passage werden wir abgeseilt,<br />

auch ein Erlebnis auf 2600 Metern<br />

Höhe im blanken Fels. Sobald Heli<br />

bei mir Verunsicherung merkt, kommen<br />

aufmunternde Worte. Ich werde<br />

gelobt wie ein Kindergartenkind am<br />

ersten Tag. Das taugt mir.<br />

Als ich wieder festen Boden unter<br />

den Füßen habe, sinkt der Adrenalinlevel<br />

schlagartig und die positiven<br />

Emotionen sacken. So fühlt sich also<br />

Alpinklettern im Anfängerniveau an.<br />

Respekt vor allen, die mehr draufhaben.<br />

Was unsere Bergführer sonst<br />

meistern, wenn sie kein Kindergartenkind<br />

an der Leine haben, kann<br />

ich mir nur ausmalen.<br />

Fotos: Anja Woertge, Christoph Heigl, Bene Höflinger, Ramona Waldner<br />

Quelle UIAA-Skala bzw. Alpenskala<br />

98 <strong>SPORTaktiv</strong>

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