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SPORTaktiv August 2020

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Ich kam zwei Wochen vor WM-Start<br />

nach Kona. Ich war topfit, ruhte in mir<br />

und freute mich sehr auf den Wettkampf.<br />

Wir waren auf einer Trainingsfahrt.<br />

Da kam dieser Pick-up-Truck. Ich<br />

sehe mich bremsen, über den Asphalt<br />

schlittern. Dann wurde ich bewusstlos.<br />

Als ich aufwachte, tastete ich mein<br />

Schlüsselbein ab, stellte zufrieden fest,<br />

dass es nicht gebrochen war. Ich dachte<br />

immer noch, ich könnte starten. Die<br />

Leute um mich rum riefen aber, ich solle<br />

mich nicht bewegen. Dann wurde ich<br />

wieder bewusstlos.<br />

Wann wurde dir klar, dass du schwer<br />

verletzt bist?<br />

Die Ärzte wollten mir Morphium geben.<br />

Ich lehnte ab, um meinen Start nicht zu<br />

gefährden. Ich trug schon eine Halskrause<br />

und drei Krankenschwestern halfen<br />

mir behutsam in die Röhre. Nach<br />

dem Röntgen waren es plötzlich acht<br />

Krankenschwestern. Jede von ihnen hielt<br />

einen anderen Teil meines Körpers. Da<br />

schwante mir, dass es übel aussah.<br />

Wie hast du reagiert?<br />

Ich habe bitterlich geweint, am ganzen<br />

Körper gezittert. Mein Manager Franko<br />

und die Schwestern hielten mich fest.<br />

Sie hatten Angst, ich würde noch mehr<br />

kaputtmachen. Dann sagte ich: Okay –<br />

ihr könnt mir jetzt das Morphium geben.<br />

Obwohl ich hinter Alistair Brownlee, Lionel<br />

Sanders und Sebastian Kienle nur<br />

Vierter wurde.<br />

Das sind aber auch ein paar harte<br />

Jungs ...<br />

Eben. Es war ein gnadenloser Kampf.<br />

Am Tag nach dem Rennen spürte ich<br />

genau, wie hoch meine Leistung einzuschätzen<br />

war. Ergebnis und Leistung<br />

sind zwei grundverschiedene Dinge.<br />

Würde Patrick Lange dieses Jahr in Kona<br />

gewinnen, würde ihm das vielleicht<br />

mehr bedeuten als seine beiden Siege zuvor.<br />

Weil er 2019 ausgeschieden ist. Weil<br />

er seine Dämonen besiegt und sich zurückgekämpft<br />

hat.<br />

Woher hast du die Energie für dein<br />

Comeback genommen?<br />

Als das Stahlgestell runterkam, hatte ich<br />

monatelang meinen Oberkörper nicht<br />

bewegt. Wir mussten jeden einzelnen<br />

Halsmuskel behutsam aufbauen. Das<br />

war hart. Aber wir machten Fortschritte.<br />

Und am Ende geht es im Ausdauersport<br />

doch immer um das Gleiche. Du musst<br />

die Balance zwischen Besessenheit und<br />

Geduld finden, dich kontinuierlich pushen<br />

– aber auch erholen.<br />

Sechs Monate und fünf Tage nach deiner<br />

Verletzung hast du beim Boston-<br />

Marathon mit 2:49:42 h ein bestauntes<br />

Comeback gefeiert. Dein größter Sieg?<br />

Die Diagnose war niederschmetternd:<br />

Bruch des Halswirbels. Man hat dir<br />

vier Löcher in den Kopf gebohrt und<br />

dich in einem Stahlgestell fixiert.<br />

Wann kam die Idee für ein Comeback?<br />

Fünf Wochen später. Ich setzte mich<br />

eher zum Spaß auf ein Ergometer, bekam<br />

gerade mal 118 Watt getreten. Aber<br />

auf einmal sagte ich mir: Ich werde es allen<br />

zeigen. Ich komme zurück! Endlich<br />

war ich wieder ich selbst, denn ich hatte<br />

eine Herausforderung.<br />

Ist es das, worum es im Leben geht?<br />

Für mich definitiv. Es geht darum, was<br />

du für dich schaffst. Ein Beispiel: Der<br />

IRONMAN 70.3 St. George im Jahr<br />

2017 war eines meiner größten Rennen.<br />

TIMOTHY PHILIP „TIM“ DON<br />

wurde am 14.1.1978 in London geboren. Er nahm als Triathlet an<br />

drei Olympischen Spielen teil, wurde Weltmeister im ITU Duathlon<br />

(2002), ITU-Aquathlon (2005) und ITU-Triathlon (2006). Beim<br />

IRONMAN Brasilien 2017 stellte er mit 7:40:23 einen Weltrekord<br />

auf. Zwei Tage vor dem IRONMAN Hawaii 2017 brach er sich bei<br />

einem Autounfall einen Halswirbel (C2). Drei Monate musste er<br />

ein „Halo“-Stahlgestell tragen. Ein Jahr nach seinem Unfall war<br />

er wieder zurück und finishte als 36. bei der WM in Kona/Hawaii.<br />

www.timdon.com<br />

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