altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Januar/Februar 2021
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Seelsorge am Telefon<br />
Wut, Verzweiflung, Trauer<br />
30 | <strong>altlandkreis</strong><br />
Weilheim-Schongau | Wer in verzweifelten<br />
und sorgenvollen Stun<strong>den</strong><br />
aus dem Weilheim-Schongauer<br />
Raum zum Telefon greift<br />
und die Telefonseelsorge anruft,<br />
landet häufig in München, wo das<br />
katholische Erzbistum München<br />
und Freising eine von drei Seelsorgestellen<br />
betreibt. Daneben<br />
gibt es auch noch eine Evangelische<br />
Telefonseelsorge, die bei<strong>den</strong><br />
Stellen arbeiten ökumenisch<br />
zusammen. Bei der Katholischen<br />
Telefonseelsorge in München<br />
arbeiten, unter der Leitung von<br />
Alexander Fischhold und Stellvertreterin<br />
Ulrike Dahme, sechs festangestellte<br />
und 63 ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter im Schichtbetrieb – 24<br />
Stun<strong>den</strong> an 365 Tagen im Jahr. In<br />
<strong>den</strong> Dienststellen München, Mühldorf<br />
und Bad Reichenhall gingen<br />
2019 insgesamt 33 585 Anrufe ein.<br />
Dazu kommen mehr als 3 000<br />
Mail-Beratungen und knapp 1 500<br />
Chats. Die häufigsten Themen der<br />
Anrufer sind: körperliches Befin<strong>den</strong>,<br />
Einsamkeit, familiäre Beziehungen,<br />
Depression, Alltagsbeziehungen<br />
und Ängste.<br />
All das sind die nüchternen Zahlen<br />
und Fakten, die im Jahresbericht<br />
der Katholischen Telefonseelsorge<br />
München zu lesen sind.<br />
Dahinter verbergen sich tausende<br />
von Schicksalen und vor allem<br />
Menschen, die ein Gespräch suchen.<br />
Ulrike Dahme schildert die<br />
aktuelle Entwicklung: „Natürlich<br />
sind die Anrufe zu Beginn der<br />
Corona-Pandemie sprunghaft angestiegen.<br />
Besonders viele junge<br />
Menschen haben sich per Mail<br />
und Chat gemeldet. Diese Art der<br />
Beratung gewinnt zunehmend an<br />
Bedeutung. Unser Vorteil ist, dass<br />
wir in Krisenzeiten sofort handlungsfähig<br />
sind. Und die Mitarbeiter<br />
sind wirklich zur Höchstform<br />
aufgelaufen.“<br />
Intensive<br />
Ausbildung<br />
Eine Mitarbeiterin ist Andrea Maier<br />
(Name v. d. Red. geändert), die<br />
anonym bleiben muss. Sie lebt in<br />
einem Städtchen am Westufer des<br />
Starnberger Sees und ist seit zwei<br />
Jahren bei der Telefonseelsorge.<br />
Doch wie kam sie überhaupt auf<br />
die Idee, ihre Zeit ehrenamtlich<br />
<strong>für</strong> andere Menschen zu opfern,<br />
die sie nicht einmal kennt? Die<br />
51-Jährige erzählt: „Nach einem<br />
Fernstudium in der psychologischen<br />
Beratung habe ich nach<br />
einer ehrenamtlichen Betätigung<br />
in diesem Bereich gesucht. Auf<br />
einer Messe in München stieß ich<br />
auf die Telefonseelsorge. Bei einem<br />
späteren Informationsabend<br />
wur<strong>den</strong> das Konzept, die Philosophie<br />
und das Selbstverständnis<br />
der Arbeit vorgestellt. Für die<br />
Mitarbeit musste ich dann einen<br />
Fragebogen ausfüllen und das<br />
Auswahlverfahren überstehen,<br />
um schließlich die Zusage <strong>für</strong> die<br />
Ausbildung zu erhalten.“<br />
Angeleitet durch Haupt- und Ehrenamtliche<br />
lernte sie mit elf<br />
Einrichtungsleiter Alexander<br />
Fischhold (Mitte) bei der<br />
monatlichen Supervision.<br />
weiteren Anwärtern an neun<br />
Wochenen<strong>den</strong> und mehreren<br />
Aben<strong>den</strong> das Grundwissen zu<br />
psychologischen Themenfeldern,<br />
das Erkennen eigener Grenzen<br />
<strong>für</strong> die Psychohygiene, Krisenintervention<br />
und die Reflexion der<br />
eigenen Lebens- und Glaubensgeschichte.<br />
Es folgten begleitete<br />
Hospitationen am Telefon und im<br />
Chat, sowie intensive Rollenspiele<br />
und praktische Übungen. Nach regelmäßigen<br />
Feedbackrun<strong>den</strong> kam<br />
es schließlich zum erfolgreichen<br />
Abschlussgespräch und seit März<br />
2019 ist sie ehrenamtliche Telefonseelsorgerin.<br />
Schließlich stand die erste eigene<br />
„Schicht“ an, die in der Regel vier<br />
Stun<strong>den</strong> dauert. <strong>Das</strong> kann tagsüber<br />
oder tief in der Nacht sein.<br />
„Ich bin schon mit gehörigem Respekt<br />
an die Sache rangegangen,<br />
aber ich hatte ein gutes Gefühl,<br />
<strong>den</strong>n durch die Hospitationen war<br />
ich gut vorbereitet“, erzählt Andrea<br />
Maier von ihrem Sprung ins<br />
kalte Wasser. Sie setzte sich in das<br />
Büro der Dienstelle und wartete<br />
auf das Klingeln des Telefons.<br />
Wie war das erste Gespräch? „Da<br />
muss ich passen“, sagt sie fröhlich,<br />
„an das erste Telefonat kann<br />
ich mich gar nicht erinnern“. Was<br />
wünschen Sie sich von diesem Ge-