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altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Januar/Februar 2021

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Die Aufgabe ehrenamtlicher Richter<br />

„Eine Bereicherung<br />

<strong>für</strong> <strong>den</strong> Strafprozess“<br />

Weilheim | Der Sitzungssaal 18 im<br />

Weilheimer Amtsgericht (AG) ist<br />

nicht gut besucht. Dieser Umstand<br />

ist der Corona-Pandemie geschuldet,<br />

Zuschauer sind nicht erlaubt.<br />

Also warten nur die Staatsanwältin,<br />

die Gerichtsschreiberin und<br />

der Angeklagte nebst Anwalt darauf,<br />

dass sich die Tür hinter der<br />

Empore öffnet und der Richter<br />

<strong>den</strong> Saal betritt. Als er schließlich<br />

kommt, erheben sich alle.<br />

Allerdings ist Behör<strong>den</strong>leiter und<br />

Berufsrichter Dr. Lars Baumann<br />

nicht alleine, sondern an seiner<br />

Seite sind zwei weitere Personen:<br />

Behör<strong>den</strong>leiter und Berufsrichter Dr. Lars Baumann (Mitte) mit <strong>den</strong> Schöffen Andrea<br />

Hild und Hans-Georg Hechenrieder.<br />

Andrea Hild und Hans-Georg Hechenrieder.<br />

Ehrenamtliche Richter,<br />

auch „Schöffen“ genannt.<br />

Die Grundlage <strong>für</strong> das Amt des<br />

Schöffen (von althochdeutsch<br />

„sceffino“ oder „scaffin“, der Anordnende)<br />

findet sich im Grundgesetz:<br />

„Alle Staatsgewalt geht<br />

vom Volke aus. Sie wird vom Volke<br />

in Wahlen und Abstimmungen<br />

und durch besondere Organe der<br />

Gesetzgebung, der vollziehen<strong>den</strong><br />

Gewalt und der Rechtsprechung<br />

ausgeübt.“ Die Verfassung des<br />

Freistaates Bayern wird noch konkreter:<br />

„An der Rechtspflege sollen<br />

Männer und Frauen aus dem<br />

Volke mitwirken.“<br />

Lebenserfahrung in<br />

Gerichtsurteil einbringen<br />

Ehrenamtliche Laienrichter gibt<br />

es nicht erst seit wenigen Jahrzehnten<br />

– die Wurzeln reichen<br />

bis in die Zeit der karolingischen<br />

Kaiser im 8. Jahrhundert zurück.<br />

Abgesehen von wenigen Jahrhunderten<br />

mit absolutistischer<br />

Staatsauffassung, waren seither<br />

stets juristische Laien aus dem<br />

Volke in irgendeiner Form an der<br />

Rechtsprechung beteiligt.<br />

„Die Schöffen<br />

üben einen Teil der<br />

Staatsgewalt, also<br />

Macht, aus. Sie tragen<br />

die Mitverantwortung<br />

da<strong>für</strong>, ob jemand<br />

wegen einer Straftat<br />

zu Geldstrafe oder<br />

Freiheitsstrafe, vielleicht<br />

auch zu einer<br />

Maßregel der Besserung<br />

und Sicherung<br />

verurteilt wird.“ So<br />

steht es im Merkblatt<br />

„<strong>Das</strong> Schöffenamt in<br />

Bayern“, herausgegeben<br />

vom Bayerischen<br />

Staatsministerium der<br />

Justiz. Und der Grund<br />

da<strong>für</strong> liest sich ebenso<br />

logisch wie überzeugend,<br />

<strong>den</strong>n die<br />

Schöffen sollen „ihre<br />

Lebens- und Berufserfahrung,<br />

ihr vernünftiges<br />

Urteil, ihren<br />

<strong>Das</strong> Amtsgericht Weilheim an der Alpenstraße.<br />

Gemeinsinn und ihre Bewertungen“<br />

in das Urteil des Gerichts mit<br />

einbringen.<br />

Alle fünf Jahre wer<strong>den</strong> Schöffen<br />

gewählt. Aufrufe fin<strong>den</strong> sich zum<br />

Ende einer Periode in der Zeitung,<br />

im Radio und bei <strong>den</strong> Ämtern.<br />

Die Bewerbungen wer<strong>den</strong> von<br />

der Gemeinde gesammelt. Bei<br />

<strong>den</strong> Schöffen <strong>für</strong> Jugendsachen ist<br />

auch das Landratsamt beteiligt.<br />

Diese Behör<strong>den</strong> treffen eine Vorauswahl,<br />

checken das polizeiliche<br />

Führungszeugnis und das Alter:<br />

Jeder deutsche nicht vorbestrafte<br />

Bürger zwischen 25 und 70 Jahren<br />

kann sich bewerben.<br />

„Ich finde es interessant, was hier<br />

verhandelt wird. Deshalb habe<br />

ich mich beworben, <strong>den</strong>n ich<br />

wollte mal wissen, was bei Gericht<br />

abgeht“, schildert Schöffin<br />

Andrea Hild ihre Motivation. Die<br />

51-jährige Schongauerin arbeitet<br />

in Teilzeit als Bankkauffrau und<br />

sitzt seit 2014 neben <strong>den</strong> Richtern<br />

in Weilheim. „Neuling“ Hans-<br />

Georg Hechenrieder wollte sich<br />

sowieso ehrenamtlich betätigen.<br />

Der 55-jährige Projektleiter in der<br />

Baubranche <strong>den</strong>kt, dass er seine<br />

Lebenserfahrung bei Gericht gut<br />

einbringen kann.<br />

Im Wahlausschuss Weilheim sitzen<br />

zuständige Richter, Landrat<br />

oder Vertreter, sowie sieben Kreisratsmitglieder.<br />

Je sechs Schöffen<br />

wer<strong>den</strong> <strong>für</strong> das Erwachsenen- und<br />

Jugendgericht ausgewählt. Dazu<br />

kommen noch einmal ebenso<br />

viele Hilfsschöffen, die einspringen,<br />

wenn jemand verhindert sein<br />

sollte. Im letzten Schritt wer<strong>den</strong><br />

die „Paare“ ausgelost, also welche<br />

Schöffen zusammen in einer<br />

Sitzung sind. Beim Jugendgericht<br />

müssen das jeweils ein Mann und<br />

eine Frau sein, bei Erwachsenen<br />

ist das Geschlecht egal.<br />

Wenn es zu wenige Freiwillige<br />

gibt, können Schöffen zwangsbestimmt<br />

wer<strong>den</strong>. <strong>Das</strong> Amt gilt als<br />

staatsbürgerliche Pflicht und Ausre<strong>den</strong><br />

gelten nicht. „Hier in Weilheim<br />

sind wir allerdings auf einer<br />

Insel der Glückseligen“, erzählt<br />

Pressesprecherin Christiane Serini<br />

lachend. „Wir haben immer genug<br />

Bewerber und müssen niemand<br />

zwangsverpflichten.“<br />

Die Macht der Schöffen resultiert<br />

aus dem Umstand, dass sie<br />

grundsätzlich gleichberechtigt<br />

neben dem Berufsrichter stehen.<br />

Theoretisch können sie das Urteil<br />

fällen, indem sie <strong>den</strong> Richter über-<br />

52 | <strong>altlandkreis</strong>

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