»Jede Person hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.« ARTIKEL 35 SATZ 1 VERFASSUNG DES FREISTAATES SACHSEN
Das Petitionsrecht | 19 1. DAS PETITIONSRECHT Das Petitionsrecht ist die verfassungsmäßig garantierte Möglichkeit, sich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und das Parlament zu wenden. Die Adressaten einer Petition sind verpflichtet, die Petition zur Kenntnis zu nehmen, sie sachlich zu prüfen und dem Petenten einen Bescheid über das Ergebnis dieser Prüfung zu übermitteln. Im Bescheid muss für den Petenten erkennbar sein, dass und in welcher Weise die Petition behandelt worden ist. Ein Anspruch auf ein bestimmtes Ergebnis, beispielsweise die Erledigung der Petition im Sinne des Petenten, kann dagegen aus dem Petitionsrecht nicht abgeleitet werden. Der Petent hat das Recht auf Prüfung und Benachrichtigung. Bei Vorliegen eines Beschlusses des Petitionsausschusses ist auch eine persönliche Anhörung vor diesem möglich. Das Petitionsrecht ist ein außergerichtlicher Rechtsbehelf, auf den jederzeit zurückgegriffen werden kann, um rechtliche Regelungen oder behördliche Entscheidungen einer Überprüfung zu unterziehen. Oft ist der Petitionsausschuss für Bürgerinnen und Bürger eine zusätzliche Anlaufstelle, um ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Petitionen liefern Anregungen für die Tätigkeit der Ab geordneten, indem sie vermitteln, welche Anliegen und Nöte die Menschen bewegen, Lücken in gesetzlichen Regelungen oder Verordnungen aufdecken und die Meinungen der Wählerinnen und Wähler zu aktuellen politischen Fragen widerspiegeln. Petitionen geben dem Parlament gleichzeitig die Möglichkeit, die Arbeit der Regierung und Verwaltung zu kontrollieren. Das Petitionsrecht kann in der deutschen Rechtsgeschichte auf eine verhältnismäßig lange Tradition zurückblicken. So bestimmte bereits 1794 das Allgemeine Landrecht in Preußen: »Dagegen steht es einem Jeden frei, seine Zweifel, Einwendungen und Bedenklichkeiten gegen Gesetze und andere Anordnungen im Staate sowie überhaupt seine Bemerkungen und Vorschläge über Mängel und Verbesserungen sowohl dem Oberhaupt des Staates, als den Vorgesetzen der Departements anzuzeigen; und letztere sind der gleichen Anzeigen mit erforderlicher Aufmerksamkeit zu prüfen verpflichtet.« Das Wort Petition entstammt dem lateinischen Wort »petitio« und bedeutet Verlangen, Bitte, Gesuch. Unter Petitionen versteht man daher Schreiben, in denen Bitten oder Beschwerden zum Ausdruck gebracht werden, die sich auf das Verwaltungshandeln staatlicher oder sonstiger Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, beziehen. Hingegen sind Schreiben, die reine Auskunftsersuchen, Mitteilungen, Belehrungen, Vorwürfe, Anmerkungen oder sonstige Meinungsäußerungen sind, keine Petitionen. Diesen Schreiben fehlen Forderungen nach einem konkreten Handeln staatlicher Stellen. Auch in privatrechtlichen Angelegenheiten, also etwa bei Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter, im Geschäfts leben, in der Nachbarschaft oder in der Familie, darf der Petitions ausschuss nicht tätig werden. Vorschriften zum Petitionsrecht finden sich im Grundgesetz (GG), in der Sächsischen Verfassung (SächsVerf), im Gesetz über den Peti tionsausschuss des Sächsischen Landtags (SächsPetAG) und in der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags (GO) (siehe Kapitel 5). 1.1 Wer darf Petitionen einreichen? Artikel 35 SächsVerf gewährt »jedermann« das Recht, Bitten und Beschwerden einzureichen. Das Petitionsrecht gilt für Erwachsene und Minderjährige, für Ausländer und Staatenlose. Auch Bürgerinitiativen oder juristische Personen des Privatrechts (z. B. eingetragene Vereine) können dem Ausschuss ihr Anliegen schildern. Darüber hinaus haben auch Strafgefangene, Angehörige des öffentlichen Dienstes und Soldaten das Recht, Petitionen einzulegen. Kein Petitionsrecht steht jedoch juristischen Personen des öffentlichen Rechts (z. B. Gemeinden oder Handwerkskammern) zu. Hochschulen, Rundfunkanstalten und öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften, die auch den Status »juristische Personen des öffentlichen Rechts« besitzen, können Petitionen nur dann einlegen, wenn ihr Status als Grundrechtsträger betroffen ist. Der Bürger kann sich in eigener Sache, für einen anderen oder im allgemeinen Interesse an den Petitionsausschuss wenden. Es reicht aus, dass die Person in der