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SPORTaktiv April 2021

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Das Unmögliche ist etwas weiter<br />

oben“ heißt Larchers Buch.<br />

„Weiter oben also“ – oder: „etwas<br />

später“. Also gibt es einen<br />

Grund, es bis dahin nicht zu<br />

versuchen, nicht einfach. Und wenn man<br />

dann einmal so weit gekommen ist, auch<br />

über das (scheinbar) Unmögliche hinaus<br />

zu gelangen.<br />

Im März 2019 hat der Südtiroler die –<br />

nach Meinung von Insidern – weltweit<br />

vielleicht schwierigste „Trad-Kletterroute“<br />

als Erster durchstiegen. Erklärung für<br />

Nichtkletterer: Im Trad-Klettern („traditionell“)<br />

werden nur mobile Sicherungen<br />

gesetzt, was die Schwierigkeit erhöht und<br />

LEBENS<br />

Kannst du unseren Lesern, die viele keine<br />

Kletterer sind, kurz beschreiben, was<br />

für dich diese Route so besonders<br />

macht? Warum du dich in sie, wie es<br />

einmal heißt, verliebt hast?<br />

Das ist eine recht schwierige Frage. Es war<br />

etwas, das für mich voll wichtig war und<br />

wo ich nicht sicher war, ob ich es schaffen<br />

kann. Aber bei dem ich wissen wollte, ob<br />

es möglich ist. Es war die erste Route, in<br />

die ich so viel Zeit investiert habe – warum<br />

ich das getan habe, kann ich bis heute<br />

nicht ganz erklären. Vielleicht hat mitgespielt,<br />

dass ich gleich zu Beginn meiner<br />

Trad-Kletterkarriere auf die Route gestoßen<br />

bin. Die Route ist dann jedesmal,<br />

wenn ich wiedergekommen bin, zu einem<br />

Spiegel meiner Fähigkeiten geworden. Sie<br />

hat mir immer gezeigt, dass ich wieder<br />

etwas dazugelernt habe. In meinem Leben<br />

ist stets viel passiert. Aber die Route war<br />

immer da. So habe ich diese Beziehung zu<br />

ihr aufgebaut.<br />

DER IN BLUDENZ (V)<br />

LEBENDE SÜDTIRO-<br />

LER PROFIKLETTERER<br />

JACOPO LARCHER (31)<br />

HAT EIN „KLETTER-<br />

BUCH NICHT NUR<br />

FÜR KLETTERER“<br />

GESCHRIEBEN: WIE<br />

EINE ROUTE UND WIE<br />

DER KLETTERSPORT<br />

ALLGEMEIN SPIEGEL-<br />

BILD DES LEBENS<br />

SEIN KÖNNEN.<br />

VON CHRISTOF DOMENIG<br />

eine mentale Herausforderung mit sich<br />

bringt, wenn man nicht völlig sicher sein<br />

kann, ob die Sicherung auch hält.<br />

Über sechs Jahre hinweg hat Larcher die<br />

25 Meter lange, vor allem im oberen Bereich<br />

mit extremen Schwierigkeiten aufwartende<br />

Route „Tribe“ in Cadarese in<br />

den norditalienischen Wäldern immer<br />

wieder probiert. Unzählige Male ist er gescheitert.<br />

Um endlich am 22. März 2019<br />

die Route zu durchsteigen. Die Route<br />

„Tribe“ bildet die Klammer des Kletterbuches<br />

– das eigentlich ein Buch übers Leben<br />

und über Werte wie Freiheit, Leidenschaft,<br />

Entwicklung, Beharrlichkeit und Sinn ist.<br />

Jacopo, wann ist dir der Gedanke zu<br />

dem Buch gekommen: bevor oder nachdem<br />

du die „Tribe“-Route nach sechs<br />

Jahren schließlich geschafft hast?<br />

Die Idee gab es schon früher und es sollte<br />

auch nicht ein Buch über „Tribe“ werden.<br />

Ich wollte meine Leidenschaft fürs Klettern<br />

und mein Leben als Kletterer beschreiben.<br />

Gerade als wir uns entschieden<br />

hatten, das Buch zu machen und ich zu<br />

schreiben begonnen habe, bin ich drei<br />

Wochen später tatsächlich Tribe geklettert.<br />

Da lag es natürlich auf der Hand, das<br />

im Buch zu verarbeiten.<br />

Du wolltest der „Tribe“-Route keinen<br />

Schwierigkeitsgrad zuweisen. Warum?<br />

Das stimmt. Ich wollte nicht, dass dieses<br />

Erlebnis nach sechs Jahren auf eine Nummer<br />

reduziert wird. Und ich war fast ein<br />

wenig enttäuscht, als eine der ersten Fragen,<br />

die mir danach gestellt wurde, war,<br />

welchen Schwierigkeitsgrad „Tribe“ meiner<br />

Meinung nach hätte. Ich meine, es<br />

geht im Klettern nicht nur um Performance.<br />

Alle meine Projekte sind wichtige<br />

Prozesse in meinem Leben und man kann<br />

so viel von all diesen Prozessen lernen.<br />

Das kann man nicht auf eine Zahl reduzieren.<br />

Du beschreibst dich als schüchternes<br />

Kind, im Klettersport hast du Selbstbewusstsein<br />

und deine Leidenschaft gefunden.<br />

Was war es, das dich am Klettersport<br />

so fasziniert hat?<br />

Die Kletterhalle in Bozen war mein Platz,<br />

wo ich mich sicher fühlen und lernen<br />

konnte. Und Klettern war mein Mittel,<br />

mich mit der Welt zu verbinden. Bis dahin<br />

hatte ich noch nicht wirklich meinen<br />

Weg gefunden. Beim Klettern habe mich<br />

von Beginn weg sicher und frei gefühlt,<br />

und die Möglichkeit gesehen, mich als<br />

Mensch weiterzuentwickeln.<br />

<strong>SPORTaktiv</strong><br />

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