SPORTaktiv April 2021
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DU MUSST<br />
Schuld ist eigentlich der Herr<br />
Pfarrer. Denn dass Mädchen<br />
in die Berge gehen, das war<br />
Ende der 1970er-Jahre nichts<br />
Gewöhnliches. Der Herr Pfarrer aber,<br />
der hat die Jungschargruppe oft mit in<br />
die Berge genommen und in Regina<br />
Poberschnigg die Leidenschaft zu den<br />
Bergen entfacht. „Ich bin eine Genussgeherin,<br />
die extremen Sachen, die sind<br />
nichts für mich“, sagt die heute 57-Jährige<br />
und lacht, dass die Sonne aufgeht.<br />
Dabei war die Regina schon immer alles<br />
außer gewöhnlich und in manchen Dingen<br />
vielleicht sogar extrem.<br />
Über den Alpenverein macht sie die<br />
Jugendführer-Ausbildung und in der<br />
Bergschule, die sie mit ihrem Partner Peter<br />
Larcher leitet, macht sie viele Zugspitz-Touren.<br />
Dabei kommt sie zu vielen<br />
Unfällen. Und weil man Hilfe Mitte der<br />
1990er-Jahre nicht per Handy holen<br />
konnte, hat bald einmal wer zu ihr gesagt:<br />
„Nimm doch ein Funkgerät der<br />
Bergrettung mit“, erinnert sie sich. Die<br />
Bergretter, damals eine echte Männerbastion,<br />
hat darauf gar nicht gut reagiert.<br />
„Mia brauchn do koane Weiber,<br />
hat’s geheißen“, erinnert sich Poberschnigg<br />
zurück. Denn Frauen waren damals<br />
vom Gesetz her bei der Bergrettung gar<br />
nicht zugelassen. Nach einer beinahe<br />
missglückten Rettungsaktion mit einem<br />
Herzinfarkt äußert sie sich kritisch, die<br />
Tiroler Tageszeitung bringt einen großen<br />
Bericht. Von dort weg gibt es kein Zurück<br />
mehr für Poberschnigg. Es kommt<br />
zu einer Abstimmung. Poberschnigg<br />
geht hin, der ORF Tirol dreht einen Bericht<br />
darüber. „Vier-, fünfhundert Männer<br />
und ich. Die Frauen können das<br />
EINEN<br />
SCHNEIDIGEN<br />
VOGEL<br />
HABEN<br />
ALLES ANDERE ALS<br />
GEWÖHNLICH IST<br />
REGINA POBERSCH-<br />
NIGG. ALS EINE DER<br />
ERSTEN FRAUEN<br />
BEI DER TIROLER<br />
BERGRETTUNG HAT<br />
SIE GESCHICHTE<br />
GESCHRIEBEN UND<br />
KÖNNTE BÜCHER<br />
SCHREIBEN – ÜBER<br />
BLÖDE SPRÜCHE,<br />
STARKE EMOTIO-<br />
NEN UND IHRE<br />
GROSSE KLAPPE.<br />
VON KLAUS MOLIDOR<br />
nicht, hat’s geheißen“, erzählt sie. Trotzdem<br />
stimmen 60 % für die Gesetzesänderung.<br />
Zu wenig, es Bedarf einer<br />
Zweidrittelmehrheit. Im Interview sagt<br />
Poberschnigg. „Es gibt bei der Bergrettung<br />
genauso viele Flaschen wie gute<br />
Leut.“ Damit ist klar, dass sie das durchziehen<br />
muss. „Ich hab eine große Klappe<br />
und nach dem Satz gewusst, ich muss<br />
das durchziehen.“ Im Jahr 2000 ist es<br />
dann so weit, die Männerbastion fällt<br />
und Poberschnigg lässt sich zur Bergretterin<br />
ausbilden. Was heute wie aus der<br />
Zeit gefallen und mittelalterlich anmutet,<br />
ist doch erst knappe 20 Jahre her.<br />
„Zu der Zeit gab es auch die Diskussio-<br />
Fotos: Tirol Werbung/Bert Heinzlmeier<br />
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