ThyssenKrupp Magazin Werkstoffe - ThyssenKrupp Elevator AG
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für Militärmaschinen, und auch Panzer dürfen sich dem Stollen nicht näher als fünf Kilometer<br />
nähern. Von all dem abgesehen: „Wir legen Wert auf größtmögliche Qualität<br />
bei den Behältern“, lautet die Maxime des Bergungsort-Beauftragten.<br />
Fürwahr, allein die Darstellung der Verschlusstechnik, wie sie Klaus Kettner erklärt,<br />
lässt die Qualität ahnen. Die Container müssen hochdruckbelastbar sein, die<br />
Edelstahlflansche werden innen und außen verschweißt, in sie ist jeweils eine Nut eingearbeitet,<br />
in diese hinein wird ein Kupferring gelegt. „Früher war dies ein Gummiring,<br />
doch der war zu weich und wurde porös“, erinnert sich Kettner. Also probierte man es<br />
mit Ringen aus Kautschuk, die aber rissen durch das Quetschen und lösten sich auf.<br />
„Heute verwenden wir reine Kupferdichtungen. Diese werden gerundet, an beiden<br />
Endstellen geschweißt, es entsteht ein leichter Wulst, der wird kalibriert. Die Schweißnaht<br />
muss absolut präzis auf den Durchmesser passen, der im Ursprungsmaterial ist.<br />
Nur so ist die totale Abdichtung gewährleistet.“ Am Ende werde alles verschraubt, in<br />
der Regel für Jahrhunderte. Sollte allerdings mal ein Container geöffnet werden,<br />
müsse der Ring erneuert werden, denn dieser werde durch das Öffnen zerstört. „Das<br />
alles ist ein relativ komplizierter Produktionsvorgang, der viel handwerkliches Geschick<br />
erfordert.“<br />
Zu sehen ist davon nichts tief im Berginnern. Nur, dass die heute eingelagerten<br />
Container sich von den Vorgängern insofern unterscheiden, als diese sehr viele<br />
Schweißnähte aufwiesen. Die Nachfolger lassen nichts davon erkennen. Die Unversehrtheit<br />
des Äußeren lässt sich auf das Innere übertragen. Sechzehn Filmrollen à<br />
1520 Meter können auf den „Tortenböden“ in einem Edelstahlbehälter gelagert werden,<br />
für immer und ewig. Nur zur Ansicht liegen auf einigen wenigen Containern Farbkopien<br />
von den Dokumenten, die archiviert sind. Wenn in fernen Zeiten ein Zeitgenosse<br />
Genaueres über den Frieden von Venedig 1174, das Titelblatt zur Goldenen<br />
Bulle König Wenzels um 1400, die Grundrechte des Deutschen Volkes vom Reichsverweser<br />
Johann oder ein „Ausschreiben“ von Friedrich August I. vom 27. Juni 1694<br />
wissen will: im Barbarastollen wird er fündig werden.<br />
CONTAINER FÜR DAS VOLK DER DICHTER UND DENKER<br />
Stellt sich die Sinnfrage. Gerade einmal drei Millionen Euro stellt das Bundesinnenministerium<br />
pro Jahr für diese Art von Archivierung bereit. Verschwindend wenig „für<br />
das Volk der Dichter und Denker“, wie Stachowiak gar nicht süffisant feststellt. Es bestehe<br />
doch geradezu eine Verpflichtung, Kulturgüter für zukünftige Generationen mit<br />
aller Sorgfalt zu verwahren. Solches müsse langfristig durchdacht werden und dürfe<br />
keinesfalls kurzfristigen monetären Überlegungen (wenn Geld fehlt) zum Opfer fallen.<br />
„Ich versuche seit Jahren klar zu machen, was hier auf dem Spiel steht, aber die Re-<br />
Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />
OBERRIED 109<br />
sonanz lässt sehr zu wünschen übrig, bei den mit Kulturgutschutz<br />
beauftragten Ministerien in Bund und Ländern“,<br />
sagt Stachowiak mit leicht resignierendem Ton. Wo<br />
doch dieser Stollen ein in Deutschland einzigartiges Projekt<br />
ist. Das weiß-blaue Zeichen in dreifacher Wiederholung<br />
ist weltweit nur fünf Mal vergeben worden – ein einziges<br />
Mal in Deutschland, allein dies erklärt den Stollen<br />
unter dem Schauinsland-Gebirge zum Unikat.<br />
SCHUTZGUT FÜR TAUSEND JAHRE<br />
Ob digitale Archivierung dies alles einmal überflüssig machen<br />
wird? Stachowiak widerspricht nachdrücklich. Zusammen<br />
mit dem Fraunhofer-Institut für physikalische<br />
Messtechnik werde daran gearbeitet, digitale Daten auf<br />
analogen Farbfilm zu bringen. Denn die digitalen Datenträger<br />
hielten sich nicht lange, Filme dagegen sehr wohl.<br />
Das Internet biete davon abgesehen die aktuelle Nutzung<br />
von verfilmten Archivalien an, wenn man die Idee in die<br />
Tat umsetze. Durch die Entgelte für die elektronische Webdarstellung<br />
ließe sich ein ziemlicher Teil der Kosten der Archivierung<br />
in Oberried amortisieren.<br />
So wird denn der Barbarastollen auf ferne Zeiten<br />
gebraucht werden. Mehr und mehr, glaubt man Roland<br />
Stachowiak. Die Firma Ucon mag sich darüber freuen,<br />
dass vom Jahr 2004 an noch mehr Container gebraucht<br />
werden, denn mit der Verfilmung auch von wichtigen Bibliotheksbeständen<br />
steigt die Zahl einzulagernder Behälter.<br />
Schon weist der Fachmann für den Schutz von Kulturgut<br />
darauf hin, dass ein zweiter Lagerstollen in<br />
absehbarer Zeit erschlossen und ausgebaut werden<br />
müsse. Um der Zukunft willen, welche die Vergangenheit<br />
bewahrt: im Dunkeln, vorbildlich klimatisiert, erdbebensicher,<br />
von Edelstahl rundherum umgeben. Fünfhundert,<br />
tausend, zweitausend und mehr Jahre lang. Beruhigend<br />
zu wissen, dass hier kein Barbarossa herumirrt, der am<br />
Ende den Stollen verlässt und sein Unwesen unter der<br />
Menschheit treibt. 7