WUNDERKERZE 17
18 WUNDERKERZE STICHWORT Schon der Name legt nahe, dass es bei der „Wunderkerze“ nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Wie gern würde man da wissen, was genau sich hinter dieser „Wondercandle“ verbirgt. Am ehesten können die Poeten vielleicht noch weiterhelfen. Die Gnome beispielsweise in Goethes „Faust“: „Felschirurgen“ nennen sie sich, Wesen, die im Alltag „die hohen Berge schröpfen“, der Metallgewinnung wegen. Und genau die sollen im Laboratorium der Kerze das funkelnde Licht entlockt haben, das Faust so begeisterte, dass er nur noch ausrufen konnte: „Da sprühen Funken in der Nähe, / Wie ausgestreuter goldner Sand“. Georg Alef ist kein Poet, sondern ein fröhlicher Mann aus dem Rheinland, genau genommen aus Eitorf an der Sieg. In der pyrotechnischen Fabrik Weco entwickelt und erforscht er zusammen mit seinen Kollegen Feuerwerkskörper. Als Spezialisten für Großfeuerwerke, besonders für Musikfeuerwerke, haben sie es schon in Montreal zum Titel „Weltmeisters“ gebracht – der Lohn für eine grandiose Kombination von Musik und Feuerwerk. DIE WUNDERKERZE IST EIN SEHR KOMPLIZIERTES PRODUKT In der nüchtern wirkenden Produktionshalle in Eitorf ist von diesem betörenden Glanz wenig zu spüren. Alefs raschen Schritten folgend, führt die Besichtigung zum „Taucher“. Kein Gnom oder „Gezwergenfürst“, sondern ein absoluter Fachmann, dessen Tätigkeit darin besteht, ein ums andere Mal dünne verkupferte Stahldrähte, von denen vierhundert kerzengerade auf einem Brett sitzen, kurz in eine mausgraue Masse unterzutauchen, sie herauszuziehen, noch einmal kurz „abzudippen“ und sie dann in einem Metallregal zum Zwischentrocknen zu lagern. Hexerei? Mitnichten. Die Wunderkerze, siebzehn Zentimeter lang, ist wohl die schlichteste Art der Hexerei. Ein paar Sekunden Fun- kensterne, leises Knistern, sanftes Rauchen – fertig ist das Erlebnis. Wunderkerzenland ist abgebrannt. Was für ein grandioser Irrtum. „Für mich ist die Wunderkerze eines der kompliziertesten Systeme, das ich kenne“, stellt Alef, der Fachmann, fest. Leise Zusatzfrage: Was dies alles denn mit dem Thema Werkstoff zu tun habe? Viel, sehr viel, um mit Alefs Worten zu antworten. Denn was in der Wunderkerze vor allem verbrennt? Eisenpulver und so genannter Nadelschleifstaub, fein gemahlenes Eisen, dessen Körnung kaum noch mit dem Auge zu erkennen ist. Dieses brennt zusammen mit Bariumnitrat (als Sauerstoffträger) in einer Art hauseigenem Hochofenprozess ab, funkenstiebend, mehr oder weniger. DIE WUNDERKERZE IST EIN FASZINIERENDER GEGENSTAND Die Nachfrage, ob das denn alle Ingredienzen der Wunderkerze seien, beantwortet Alef eher zögernd. Es ist ihm noch zu entlocken, dass in der breiigen Tauchmasse zwei Sorten Aluminium, Dextrin (ein Abbauprodukt der Stärke) und Mehl als Bindemittel enthalten seien. Mehr will er nicht sagen, denn die genaue Rezeptur bleibt Geschäftsgeheimnis, über dessen Geheimhaltung mit Argusaugen gewacht wird. „Das Produkt ist sehr sensibel“, klärt Georg Alef weiter auf. Was insofern verständlich sei, als die Verbindung zwischen oxidierenden und metallischen Stoffen (etwa dem Aluminium) zu heftigen Reaktionen führen könne. Im schlimmsten Fall würde der Wunderkerzen-Brei aufkochen und sich am Ende selbst entzünden. Es ist so eines der Aha-Erlebnisse, das Erforschen dieses unscheinbaren Gegenstands, das bei Weco in englischer Fassung natürlich nicht Wondercandle, sondern „Electric Sparklers“ heißt – Referenz an einen funkelnden Geist, der auf einer intelligent ausgedachten Mischung beruht. Die sich wer ausgedacht hat? Da streikt des Pyrotech- Gemahlenes Eisen mit richtiger Körnung Wunderkerzen herzustellen, ist ein schwieriger Vorgang. Die Tauchmasse muss stimmen, in der Mischung aus Eisenpulver, Nadelschleifstaub und allen anderen Materialien. Nur dann lässt die Wunderkerze die Funken stieben. Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |