LiDONIT 51 Mineralstoff mit Potenzial Beim Abkippen aus dem Konverter wird die Schlacke vom Rohstahl getrennt. Eingeblasener Sauerstoff verwirbelt Quarzsand zusammen mit der Schlacke zu einem hochwertigen Rohstoff. Im Beet kühlt LiDonit eine Woche lang ab, um dann in aufbereiteter Form als Fertigprodukt gelagert zu werden.
52 LiDONIT brüchen in grauer Vorzeit, als die Erde langsam in Jahren und Jahrtausenden zu ihrer (erkalteten) Form fand. Doch es ist eben nicht nur die kostbare Rohstahlmasse, die im Konverter entsteht, sondern die oft genug verächtlich „Abfall“ genannte Schlacke. „Beim Abkippen wird jetzt der Rohstahl von der Schlacke getrennt“, erläutert Joost den Kipp-Vorgang, bei dem der Konverter sich einmal nach links, dann nach rechts neigt. 27 Tonnen der rötlichgelb siedenden Schlacke werden in den bereitgestellten Kübel abgegossen – der nur wenige Augenblicke später langsam weiter rollt: zur derzeit weltweit einzigen Anlage, in der, präzis ausgedrückt, die Linz- Donawitz-Schlacke stabilisiert wird. WESHALB LIDONIT EIN WERTVOLLER MINERALSTOFF IST Es ist schon erstaunlich, die spätere, endgültige Form von LiDonit zu sehen – ein körniges Material, das in großen Brechern, wie man sie aus herkömmlichen Steinbrüchen kennt, auf eine unterschiedlich große Körnung „runtergeknackt“ wird, wie der Fachmann sagen würde. Was immer noch nicht ahnen lässt, wo der synthetische Mineralstoff am Ende tatsächlich verwendet wird: als zentraler Bestandteil einer Asphaltdeckschicht, mit denen Straßen gebaut werden. „Die stabilisierten Schlacken weisen eine sehr hohe Griffigkeit und eine nicht weniger hohe Festigkeit aus“, sagt DSU-Mann Joost. „Im Sinne der nachhaltigen Verwendung ist LiDonit ein idealer Stoff, der für Straßenbauer genauso interessant sein müsste wie für Umweltpolitiker“, fährt Joost fort. Denn nicht nur der Stahl, sondern auch die Schlacke sei für sich genommen ein Produkt mit Wertschöpfungspotenzial – was erwarte man mehr von <strong>Werkstoffe</strong>n in heutiger Zeit? Zwei Bereiche von <strong>ThyssenKrupp</strong> arbeiten in diesem Fall Hand in Hand. Carl-Heinz-Schütz, ein promovierter Ingenieur, der als Direktor für den Bereich Rohstahl, Division Metallurgie/Grobblech verantwortlich ist, verhehlt nicht seine Genugtuung über diese Verwendung von Schlacke mit hoher Griffigkeit Schlacke. Der Mann Ende fünfzig, der sich (kahlköpfig) durch Probleme im beruflichen Alltag keine grauen Haare mehr wachsen lässt, vermittelt jene Souveränität, die man mit den rhythmisch langfristig und übersichtlich geregelten Vorgängen im Stahlwerk verbindet. In der Ruhe liegt wie immer die Kraft – was in diesem Fall ganz und gar nicht ein durchschlagendes Argument gegen Schnelligkeit ist. Schütz berichtet, dass die Stahl-Leute gern die Idee Ende der neunziger Jahre aufnahmen, Edelsplitte zu produzieren, „unter Einsatz einer Lanze, die Sauerstoff und Quarzsand in die noch flüssige Schlacke einbläst“. Das Silicium verdünne die Schlacke. „Je geringer das Verhältnis von Calcium- zu Siliciumoxid, desto dünnflüssiger die Schlacke. Durch die Beimischung von Quarzsand werden freie Kalkanteile in den Calciumsilikaten gebunden.“ Sehenden Auges diesen Vorgang zu betrachten, verbietet sich. Die Einblaslanze erzeugt einen solch grell-weißen Lichtreflex, dass nur Farbfilter die Augen vor dauerhafter Schädigung schützen können. Knapp eine Viertelstunde vergeht – fertig ist die LiDonit-Masse angerichtet. Und dann? Die Idee für diesen Mineralstoff habe, sagt Joost, in der Absicht gelegen, kalkreiche Schlacken, die sonst nicht als Straßenbaustoff zu verwenden seien, trotzdem sinnvoll weiterzuverarbeiten. „Damit geben wir verstärkt Mineralstoffe in den natürlichen Kreislauf zurück. Schlacken mit hohen freien Kalkanteilen, die wegen der Volumeninstabilität für den Straßenbau normalerweise nicht zu gebrauchen sind, werden auf diese Weise richtig interessant.“ 200.000 Tonnen LiDonit könnte das Stahlwerk II im Stabilisierungsverfahren bereitstellen. Die Nachfrage, weiß Joost zu berichten, steigt. Derzeit verlassen 120.000 Tonnen stabilisierter LD-Schlacke glühend heiß jährlich das Werk, um wenige hundert Meter entfernt aus dem flüssigen Zustand in einen festen zu wechseln. Dazu sind Beete angelegt, nicht in Manier des Kleingärtners, dessen „home“ sein Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |