ThyssenKrupp Magazin Werkstoffe - ThyssenKrupp Elevator AG
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66 EDWARD. G. BUDD<br />
die schon bestehenden Kontakte zur Autoindustrie, um an Aufträge zu<br />
kommen. Der erste Kunde für die Ganzstahlkarosserie des jungen Unternehmens<br />
war kein Geringerer als der Chef des Autoherstellers General<br />
Motors, Charles Nash. Der Durchbruch für Budd kam aber erst mit<br />
dem Auftrag der Gebrüder Dodge, die sich 1914 als Autohersteller<br />
selbständig gemacht hatten und nicht mehr nur Zulieferer für Henry<br />
Ford sein wollten. John und Horace Dodge hatten in den beiden Jahren<br />
zuvor viel Gutes von den Ganzstahlkarosserien aus Philadelphia gehört,<br />
nicht zuletzt auch davon, dass sie 10 Dollar billiger waren als die Konkurrenz<br />
aus Holz. Sie bestellten 5000 Stück – doch mit diesem Auftrag<br />
war das provisorische Zelt für Budd keine Lösung mehr. Es folgte ein<br />
Umzug, und nur ein Jahr später kam aus dem Hause Dodge die nächste<br />
Bestellung über die zehnfache Menge von Karosserien. Bei Budd erhöhte<br />
sich die Mitarbeiterzahl sprunghaft auf 2000. Nur zwei Jahre<br />
zuvor hatte das Unternehmen lediglich 800 Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Inzwischen verließ in jeder Minute ein Karosseriesatz das Werk.<br />
Mit der Hilfe von neuen Schweißmaschinen ließ sich der Takt bald auf<br />
zwei Sätze je Minute erhöhen.<br />
So ging es weiter. Knapp zehn Jahre später verließen Millionen<br />
Karosserien die Bänder; die Kunden hießen Ford, Chrysler und Studebaker.<br />
Budd selbst war bei seinen Mitarbeitern nicht nur wegen der sicheren<br />
Arbeitsplätze beliebt. Der in einer kleinen Stadt aufgewachsene<br />
Unternehmer, der mit 17 als Lehrling in einem Maschinenbaubetrieb<br />
angefangen hatte, war zugänglich, ließ sich häufiger in den Fabrikhallen<br />
sehen als im Büro, kannte die meisten Beschäftigten persönlich. Er<br />
spendierte seinen Mitarbeitern schon kurz nach der Gründung des Unternehmens,<br />
mitten im Ersten Weltkrieg, eine kostenlose Lebensversicherung,<br />
mied nach Möglichkeit aber glanzvolle öffentliche Auftritte.<br />
Budd handelte lieber, weniger wollte er mit seinen Errungenschaften<br />
glänzen. In einer eigenen Werksklinik arbeitete ein nur für die Budd<br />
Company tätiger Werksarzt. Frauen verdienten bei ihm stets genauso<br />
viel wie Männer. Und vom Tag der Gründung an waren seine Mitarbeiter<br />
am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Edward Budd verstand mehr<br />
Die Fabriken von<br />
Edward G. Budd galten<br />
stets als sehr<br />
fortschrittlich. Davon<br />
zeugen auch die mehr<br />
als hundert Patente von<br />
Budd – im Automobil-<br />
und im Eisenbahnbau.<br />
Karosserien<br />
im Minutentakt<br />
von dauerhafter Mitarbeitermotivation als die meisten seiner Zeitgenossen.<br />
STAHLAUTOS, DIE DURCH STABILITÄT GLÄNZTEN<br />
Vor allem war Budd erfolgreich. Seine potentiellen Abnehmer waren<br />
meist mit dem Bau von Kutschen groß geworden, und die waren eben<br />
aus Holz. Zwar besaß Budd so viele Patente, dass auf Jahrzehnte kein<br />
Autohersteller Ganzstahlkarossen pressen lassen konnte, ohne sein<br />
Unternehmen zu fragen. Doch war es Budd wichtiger, die Welt von seinem<br />
Konzept zu überzeugen als die Industrie mit überhöhten Lizenzgebühren<br />
zu gängeln und damit den Siegeszug des fortschrittlichen Materials<br />
Stahl zu bremsen. Das ist bis heute ein auch in anderen<br />
Branchen häufig genutztes Vermarktungskonzept geblieben. Bei seiner<br />
Überzeugungsarbeit war Budd zudem ein Freund spektakulärer Werbeaktionen:<br />
Hin und wieder ließ er seine Stahlautos sogar Klippen herunterstürzen<br />
und forderte seine Holzwettbewerber dazu auf, das Gleiche<br />
mit ihren Produkten zu versuchen. Auch ein Elefant musste herhalten,<br />
um die Stabilität eines Budd-Stahldachs zu beweisen.<br />
EIN UNTERNEHMER, DER DEN WEG NACH EUROPA W<strong>AG</strong>TE<br />
Budd war niemals ängstlich, wenn es um den zügigen Ausbau der Unternehmensaktivitäten<br />
ging. Den Schritt, mit einem eigenen Werk in die<br />
amerikanische Autometropole Detroit zu gehen, wagte er eher zu früh<br />
als zu spät. Und nach Europa zog es ihn schon 1924. Damals zeigte<br />
Citroën Interesse an seinen Produkten. So entstand unter anderem die<br />
Ambi-Budd Presswerk GmbH in Berlin, die in den Jahren darauf zu<br />
einem Lieferanten der Frankfurter Adler-Werke, an der Ambi-Budd beteiligt<br />
war, aber auch von Porsche, BMW oder Mercedes-Benz werden<br />
sollte. Der Kübelwagen von Volkswagen hatte bis zur Zerstörung des<br />
Berliner Werks bei einem Bombenangriff kurz vor Kriegsende ebenfalls<br />
eine Stahlkarosse von Ambi-Budd. Das deutsche Unternehmen war damals<br />
natürlich schon längst nicht mehr mit dem amerikanischen Mutterkonzern<br />
verbunden. Leider hatte die Expansion nach Europa in den<br />
Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |