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ThyssenKrupp Magazin Werkstoffe - ThyssenKrupp Elevator AG

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von ihr selbst gemauert. Und all das hat sie prädestiniert – um in die<br />

Fußstapfen von Meister Gerhard zu treten, dem mittelalterlichen ersten<br />

Baumeister, der wiederum vom mittelalterlichsten aller Denker, dem<br />

Gelehrten Albertus Magnus, beeinflusst wurde?<br />

Dombaumeisterin in Köln zu sein, ist keine schöngeistige Arbeit.<br />

Es ist, wenn man so will, die Anwendung der Kenntnis der antiken Sieben<br />

Freien Künste – dem „Trivium” (der Grammatik, Rhetorik, Dialektik)<br />

und dem „Quadrivium” (Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Musik).<br />

Himmlische Harmonie, in einem sehr irdischen Haus, das aber dank<br />

seiner Geometrie im Großen wie im Kleinen die Menschen bewegt. Wer<br />

ließe sich nicht dadurch beeindrucken, verloren in einem Raum zu stehen,<br />

dessen Inhalt 400.000 Kubikmeter misst? Da geht es Frau<br />

Schock-Werner nicht anders als jedem der Besucher, die durch den<br />

Dom schreiten, schlendern oder schlurfen.<br />

Ist es Arbeit an einer gigantischen Fassade, in einer Art Potemkinscher<br />

Kirche? Nein, das würde die Meisterin der Dombauhütte strikt<br />

bestreiten. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse kommen zum Einsatz,<br />

bei der Steinkonservierung (zum Beispiel mit dem Acryl-Volltränkungsverfahren,<br />

bei dem Steine mit dem Kunstharz Methyl-Methacrylat<br />

getränkt werden, was wiederum im Inneren der Steine polymerisiert).<br />

Gern würde sie auch mit Metallurgen zusammenarbeiten, um Erkenntnisse<br />

darüber zu gewinnen, welche Legierungen bei verwendeten<br />

Stählen besonders witterungsbeständig sind. Platz für entsprechende<br />

Versuche hoch oben an den Türmen des Steinhauses gibt es genügend.<br />

Die Verwendung von Edelstahl ist jedenfalls heute unverzichtbar,<br />

wenn neue Stahlprofile oder –träger gebraucht werden.<br />

Dem Detail in einer groß, ja gigantisch angelegten Konzeption gerecht<br />

zu werden, darin sieht die Dombaumeisterin ihre Aufgabe. Überreich<br />

an Details, die vom Fundament bis zu den Turmspitzen reicht, wird<br />

die Restaurierung nie zu einem Ende kommen. Eine frustrierende Aus-<br />

Die Meisterin für den<br />

„kolossalen Gesell“<br />

Der Dom wird nie<br />

vollendet sein. Denn ein Raum<br />

mit vierhunderttausend<br />

Kubikmetern Inhalt instand<br />

zu halten, ist eine Aufgabe<br />

ohne Ende. Wenn jemals die<br />

Vollendung erreicht sein sollte,<br />

beginnt die Ewigkeit. Das<br />

aber kann dauern.<br />

Das TK <strong>Magazin</strong> | 1 | 2004 |<br />

DOMBAUMEISTERIN 47<br />

sicht? Auch da ordnet sie sich in eine lange währende Tradition ein. Im<br />

direkten wie im übertragenen Sinn: „Kirche in säkularer Welt, das ist für<br />

mich das Bild dieses Doms, und es ist auch das Bild der Kirche in unserer<br />

Gegenwart. An dieser Kirche will ich mitarbeiten.“<br />

DIE DOMBAUMEISTERIN STEHT MITTEN IM LEBEN<br />

Eine Sisyphus-Aufgabe ist es jedenfalls nicht. Der Fortschritt ist durchaus<br />

sichtbar. Die Kriegsschäden etwa geraten mehr und mehr aus dem<br />

Blickfeld. Ein im Krieg angeschossener Strebebogen im Chorbereich<br />

wurde durch einen neuen ersetzt, in diesem Jahr wird die so genannte<br />

Plombe verschlossen – eine Flickstelle, die 1944 notdürftig mit Ziegeln<br />

schnell vermauert wurde. „Eine sehr komplizierte Stelle mit aufwändiger<br />

Gliederung und anspruchsvollen Skulpturen, deren Restaurierung<br />

wir aber jetzt zum Abschluss bringen.“<br />

Sisyphus, heißt es bei Camus, müsse ein glücklicher Mensch<br />

sein, finde er doch den Sinn im Nicht-Sinn. Ihre unbekümmerte, fast<br />

schon rheinisch unbeschwerte Art mag Frau Schock-Werner vor solcher<br />

nihilistischer Sinngebung bewahren. Gegen den Begriff konservativ hat<br />

sie nichts, schon von Berufs wegen, als Sachverständige in Fragen des<br />

Bewahrens und Erhaltens. Aber ihr Denken ist immer in die Zukunft gerichtet,<br />

was ihre Neugierde erklärt in Fragen der Werkstoffforschung,<br />

der Steinkonservierung. Im Übrigen, wenn man wie sie einen Betrieb<br />

wie die Dombauhütte mit mehr als 80 Angestellten, etlichen Millionen<br />

Jahres-Budget und einer beträchtlichen Außenwirkung leitet, darf man<br />

kein Traumtänzer sein, sondern muss mitten im Leben stehen.<br />

Das tut sie mit Verve, mit größter Überzeugung, dass die Aufgabe,<br />

Dombaumeisterin in Köln zu sein, ein Traumberuf ist, arbeitet sie<br />

doch an einem Haus, das die Brücke zur Ewigkeit schlägt und nicht, wie<br />

Goethe eher süffisant schrieb, einem „Märchen vom Turme zu Babel an<br />

den Ufern des Rheins“ gleicht. 7

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