AUTOINSIDE Ausgabe 5 – Mai 2022
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VERBAND & SEKTIONEN<br />
ETH-Koryphäe Lino Guzzella<br />
Ab in die Wüste <strong>–</strong> das Geld<br />
und die Sonne wären da<br />
Der Professor für Thermotronik an der ETH Zürich, Lino Guzzella, sprach an der Generalversammlung der<br />
AGVS-Sektion Zürich über die Entwicklungen im Bereich synthetischer Treibstoffe. Die Aufmerksamkeit der<br />
Garagisten war ihm damit sicher. Cynthia Mira<br />
Um übers Potenzial von synthetischen Treibstoffen und E-Fuels im<br />
Mobilitätsbereich zu referieren, müsse er zuerst das globale Energiesystem<br />
erläutern, sagte ETH-Professor Lino Guzzella zum Einstieg. Mit<br />
seinen Fakten und Aussagen, auch über die Schweizer Energiepolitik,<br />
brachte er die Teilnehmenden der AGVS-Zürich-GV zum Nachdenken,<br />
manchmal aber auch zum Lachen und Staunen. Wie gut sein Referat<br />
ankam, bewies die anschliessende Fragerunde.<br />
«Wie realistisch ist es denn, dass in rund 20 Jahren alle Fahrzeuge, abgesehen<br />
von E-Autos, mit synthetischem Treibstoff fahren?», wurde<br />
Guzzella gefragt. Antwort: «Wir müssten riesige Raffinerien in der<br />
Wüste bauen. Das Geld und die Sonne sind da und wenn man gigantische<br />
Investitionen tätigt, könnten substanzielle Anteile mit E-Fuels<br />
betrieben werden.» Für die Herstellung braucht es eine erneuerbare<br />
Energiequelle, um Wasser zu spalten. Die Frage bleibt, woher die Anlagen<br />
in der Wüste dann das nötige CO2 nehmen, das es ebenfalls für<br />
den Herstellungsprozess braucht.<br />
Guzzella führte zudem vor Augen, wie schwierig es ist, Prognosen abzugeben.<br />
Diesel werde bei den Personenwagen in Europa vermutlich<br />
verschwinden und batteriebetriebene Fahrzeuge massiv zunehmen.<br />
«Wenn sich die EU-Pläne durchsetzen, hat ab 2035 keine Neuzulassung<br />
mehr einen Verbrennungsmotor, sondern fährt batterieelektrisch<br />
oder brennstoffzellenelektrisch.» Es komme aber immer schlimmer:<br />
«Russland ist der weltweit grösste Nickel-Lieferant. Wie sollen all die<br />
Batterien produziert werden, wenn mit dem Ukrainekonflikt die Nickelpreise<br />
explodieren?»<br />
Er habe auch Verständnis dafür, dass man den weltweiten Energiebedarf<br />
nicht mit fossilen Energieträgern decken will. Derzeit sind es<br />
über 80 Prozent. Aber: «Bis 2050 CO2-neutral unterwegs zu sein, würde<br />
bedeuten, dass man das in 80 Jahren aufgebaute Energiesystem in 30<br />
Jahren ersetzen könnte.» Mit Technologien, die notabene um einiges<br />
schwieriger seien, als ein Loch zu bohren und Öl oder Gas zu finden.<br />
«Wer kommt auf sowas?», fragte Guzzella rhetorisch. Er dämpfte auch<br />
die Euphorie rund um Photovoltaikanlagen und Windenergie. Diese<br />
seien gut, keine Frage, aber die Dimensionen und die Tatsache, dass<br />
die Anlagen nicht 24 Stunden laufen könnten, schmälern das Potenzial.<br />
Und der Strombedarf in der Schweiz wird trotz sinkendem Energieverbrauch<br />
steigen.<br />
«Diese Berater sind unglaublich, ich beneide sie wirklich» <strong>–</strong> Lino Guzzella<br />
(links) sprach von einem Beratergürtel, den sich die Bundesräte angelegt<br />
hätten. Er zweifle an den Prognosen, die beispielsweise über den künftigen<br />
Schweizer Strombedarf abgegeben wurden. Er sagte: «Ich glaube keiner<br />
Prognose.» Christian Müller (rechts), Präsident der AGVS-Sektion Zürich bedankte<br />
sich herzlich für sein Kommen. Foto: AGVS-Medien<br />
Die Elektrifizierung sei die nobelste Form der Energie, könne aber<br />
nicht gespeichert werden. Es folgte eine simple Dreisatzrechnung, die<br />
alle zum Schmunzeln brachte. Wenn ein noch zu erfindendes E-Flugzeug<br />
nur halb so viel Energie benötigen würde und es 5-Mal bessere<br />
Batterie gäbe, müsste das Flugzeug für die Distanz von Zürich nach<br />
Los Angeles 665 Tonnen Batterien mitnehmen. «Bisschen schwierig,<br />
wenn ein herkömmliches Flugzeug mit 280 Tonnen Startmaterial abhebt.»<br />
Die Speicherung der Energie über chemische Energieträger hingegen<br />
sei optimal. «Synthetischer Kohlenwasserstoff beispielsweise<br />
ist ein extrem guter Energieträger.»<br />
An der GV hatte ebenfalls die Studentin Alexandra Müller einen Auftritt.<br />
Sie ist die Tochter vom Präsidenten der AGVS-Sektion Zürich,<br />
Christian Müller. Sie wurde im Januar am «Tag der Schweizer Garagisten»<br />
<strong>2022</strong> zu ihrer Maturarbeit befragt. Diese hatte die Welt der Garagisten<br />
zum Thema. Auch diesmal beantwortete sie Fragen über die<br />
Erkenntnisse und das Vorgehen ihrer Arbeit. Zuvor wurden von den<br />
Mitgliedern sämtliche Traktanden ohne Gegenstimmen angenommen<br />
und der gesamte Vorstand für die nächste Amtsperiode wieder gewählt.<br />
Der Präsident Christian Müller bedankte sich für das Vertrauen. <<br />
<strong>AUTOINSIDE</strong> | <strong>Mai</strong> <strong>2022</strong>69