AUTOINSIDE Ausgabe 5 – Mai 2022
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FOKUS CARROSSERIE<br />
Leandro Santos mit einem Renault 4CV von 1953<br />
bei der Teilnahme an der «Landeron Classic».<br />
Der junge AGVS-Garagist Lucas Jeanneret ist auch für den zweiten Standort an der Rue de la Prairie 13 in<br />
Les Ponts-de-Martel verantwortlich.<br />
2019 hilft Philippe Jeanneret seinem Sohn<br />
auch, den ersten Schritt zu machen, und kauft<br />
eine 1962 erbaute Garage im Dorfzentrum.<br />
«Ziel war es, ihm das nötige Rüstzeug für seine<br />
Laufbahn zu geben.» So steht ihm der Papa bei<br />
seinen ersten Gehversuchen als Chef und bis<br />
zum Abschluss seiner zweiten Ausbildung als<br />
Mechatroniker stets zur Seite. 2021 wird eine<br />
zweite Garage am Stadtrand übernommen.<br />
Deren Besitzer ist Jacques Haldimann, der im<br />
neuen Betrieb als Mechaniker und Lehrmeister<br />
von Lucas eingestellt wird. Dieser Bestrieb<br />
wird ab nächstem Juli eine Lackierkabine besitzen<br />
und seinen Kunden folglich sämtliche<br />
Carrosseriearbeiten anbieten können.<br />
Lucas Jeanneret hat sich inzwischen mit Leib<br />
und Seele der Entwicklung seines Betriebs<br />
verschrieben. «Ich werfe selten die Flinte ins<br />
Korn», bekennt er. «Wenn ich ein bisschen<br />
Zeit habe, arbeite ich an meinen eigenen Fahrzeugen.<br />
Früher habe ich mich ein wenig mit<br />
Modellbau befasst, aber seit ich die Garage<br />
habe, fehlt mir dafür die Zeit.» In der Schule<br />
gilt er ein wenig als Sonderling. Schliesslich<br />
ist er bereits Chef seiner eigenen Garage, und<br />
da können seine Kameradinnen und Kameraden<br />
nicht mithalten. «Manche meinen, das<br />
wäre nur ‹Dolce Vita›. Fakt ist jedoch, dass<br />
ich auch viel Verantwortung trage. Nach dem<br />
Unterricht arbeite ich. Am Wochenende kümmere<br />
ich mich bisweilen um die Buchhaltung.<br />
Ferien mache ich nur selten. Das Wichtigste<br />
für mich ist, dass meine Garage floriert»,<br />
unterstreicht Lucas Jeanneret.<br />
Sich als so junger Mensch in das Abenteuer<br />
einer eigenen Garage zu stürzen, verlangt Mut.<br />
Hinzu kommt, dass der Beruf des selbstständigen<br />
Garagisten beileibe kein Zuckerschlecken<br />
ist. «Es ist nicht immer einfach. Die finanzielle<br />
Marge ist gering, und die anfängliche<br />
Investition in die Ausstattung ist gewaltig.<br />
Ebenso braucht man viel Platz. Und das kostet<br />
Geld, genauso wie der ganze Strom, denn<br />
dessen Verbrauch ist ebenfalls hoch.» Apropos<br />
Geld … «Wenn ich reich werden wollte,<br />
hätte ich was anderes gemacht. Doch meine<br />
Leidenschaft für Autos und die Unabhängigkeit<br />
treiben mich jeden Tag an», stellt Lucas<br />
Jeanneret klar.<br />
Da Elektroautos immer weiter auf dem Vormarsch<br />
sind, sorgen sich viele selbstständige<br />
Garagisten um die Zukunft ihres Arbeitsplatzes.<br />
Da ist Lucas Jeanneret keine Ausnahme,<br />
auch wenn er die Zukunft seines Betriebs optimistisch<br />
beurteilt. «Carrosseriearbeiten werden<br />
immer benötigt, und für Oldtimer finden<br />
sich immer Liebhaber und Sammler.» Schon<br />
jetzt kann er auf einen treuen Kreis von Oldtimer-Fans<br />
zählen, die sich bei Problemen mit<br />
ihren Preziosen an Lucas wenden.<br />
Doch auch der Beruf entwickelt sich weiter. So<br />
kommt es, dass angehende Garagisten in der<br />
Schule kaum noch lernen, wie man einen Vergaser<br />
oder Unterbrecher einstellt. Im Unterricht<br />
dreht sich inzwischen alles um Elektronik,<br />
Oszilloskope, Signale und vieles mehr.<br />
Sein Oldtimer-Wissen hat sich Lucas Jeanneret<br />
übrigens selbst angeeignet. Zudem war er<br />
zwei Jahre lang in der Garage Schürch in Chézard-Saint-Martin<br />
NE tätig, die sich ebenfalls<br />
auf die Restaurierung alter Fahrzeuge spezialisiert<br />
hat. Interessant in diesem Zusammenhang:<br />
Der Auto Gewerbe Verband Schweiz<br />
bietet seit 2021 in der Westschweiz ebenfalls<br />
eine Weiterbildung als Fahrzeugrestaurator/in<br />
an. Bei diesem Lehrgang sollen alte Hasen ihr<br />
Wissen an den Nachwuchs weitergeben. Ziel<br />
ist auch, künftigen Absolventen die Leidenschaft<br />
für aussterbende Berufe mitzugeben.<br />
Der junge Garagist beobachtet die Entwicklung<br />
des Marktes aktuell mit recht sorgenvoller<br />
Miene. «Das Auto wird zu einem Gebrauchsgegenstand,<br />
der beim geringsten Problem einfach<br />
ausgetauscht wird. Ich finde das bedauerlich.»<br />
Dabei hofft er, dass Elektroantriebe nicht<br />
die Automobilnorm der Zukunft sein werden.<br />
Nach seiner Auffassung ist ein solcher Übergang<br />
mit zahlreichen Problemen in Zusammenhang<br />
mit dem Stromverbrauch und den Ladenetzen<br />
verbunden. «Das gilt insbesondere,<br />
wenn man bedenkt, dass Kern- und Kohlekraftwerke<br />
stillgelegt werden sollen.»<br />
Fortsetzung Seite 10<br />
<strong>AUTOINSIDE</strong> | <strong>Mai</strong> <strong>2022</strong>9