Potsdam-Mittelmark

Erlebenswertes Brandenburg
Architektonische Überraschungen
Maurisches in Ziesar?
Von links nach rechts: Ziesar (Burg-Kapelle, 1470),
Brandenburg a.d.H (St. Katharina, 1401), Tangermünde (St. Stephan, nach 1450)
Von oben links nach unten rechts:
Marrakesch (Bab Aknaou, 1147), Granada (Alhambra, Puerta de la Justicia, 1348)
Meknes (Bab Al-Khamis, 1687), Meknes (Bab Al-Mansour, ca. 1700),
Fes (Bab Bou Jeloud, 20. Jh.), Fes (Bab As-Semmarine, 1276/1924)
© Andreas Lange (3)
© Helmut Baumann (6)
Beim Betrachten der Fassade der
Burg-Kapelle in Ziesar fällt sofort
die Besonderheit dieser Architektur
auf. Es handelt sich dabei um ein
eingerahmtes Portal und Maßwerk in
Form netzartig durchbrochener Gitter,
deren Geschichte noch nicht bis
ins Letzte geklärt ist. Es ist bekannt,
dass die Gestaltung derartiger Portale
und Fassaden auf einen Architekten
namens Hinrich Brunsberg
(ca. 1350-ca. 1428) zurückgeht. Anfangs
war er in der Bauhütte Stettin,
später in Brandenburg tätig. Er und
seine Schüler bzw. Nachfolger schufen
zwischen 1380 und ca. 1475 Vorlagen
in diesem Stil für mindestens
23 Kirch- und Rathausportale, neben
Ziesar u. a. auch in Stettin, Brandenburg
an der Havel, Prenzlau, Gartz,
Wolmirstedt, Gransee und Tangermünde.
Derartige Portalgestaltungen wurden
aber auch 1853 im Neuruppiner
Tempelgarten als Beispiel des Islamischen
Historismus und am Ende
des 19. Jh./Anfang des 20. Jh. sogar
beim Bau neogotischer Kirchen auch
in Berlin wieder aufgegriffen.
Vergleicht man diese Architektur
mit zahlreichen Bauten im andalusischen
Spanien, Marokko und Algerien
aus dem 11. bis 14. Jh., so ist
eine verblüffende Ähnlichkeit festzustellen.
Die Giralda in Sevilla, die
Alhambra in Granada oder Bauten
in Marokko wie in Meknes, Fes und
Marrakesch weisen ähnliche Portale
bzw. Fassadengestaltungen auf.
Diese Portalformen, die in Marokko
noch heute zur traditionellen Architektur
gehören, heißen in der Fachsprache
„Alfiz-Portale“, ein Wort,
das aus dem Maurisch-Arabischen
stammt. Auf welchen Weg die maurischen
Ideen nach der Christianisierung
Andalusiens ausgerechnet nach
Pommern, in die Mark Brandenburg
aber auch nach Sizilien gelangten,
ist noch ungeklärt. Es besteht
aber durchaus die Möglichkeit, dass
Brunsberg vor seiner Brandenburger
Zeit Kontakte zu den Ordensrittern
hatte, wo bekanntermaßen auch
Handwerker aus dem Nahen Osten
und auch aus Andalusien tätig waren.
Dass es eine Verbindung nach
Andalusien gab, ist also sehr wahrscheinlich.
Ungeachtet noch teilweise offener
Fragen, zeigen die Kapelle in Ziesar
und die anderen derartigen Portale
in Brandenburg eine wunderschöne
und in Deutschland wirklich einmalige
Architektur.
Andreas Lange, Dipl.-Arabist
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