SPORTaktiv April 2023
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TRAINING Crosstraining<br />
Mut zur Vielfalt<br />
Früher einmal wurde Läufern nur Laufen und Radfahrern nur Radfahren empfohlen.<br />
Heute weiß man, dass es überaus sinnvoll ist, im Training über den Tellerrand zu<br />
blicken. Warum, verrät dieser Teil unserer „<strong>SPORTaktiv</strong> Doc“-Serie. von Christof Domenig<br />
B<br />
ist du Läufer, musst du<br />
laufen und alles andere<br />
ist Gift für deine Laufleistung.<br />
So oder ähnlich<br />
stand es sinngemäß<br />
in alten Lehrbüchern geschrieben.<br />
„Doch das stimmt einfach nicht“,<br />
veweist Sportmediziner Robert<br />
Fritz auf mittlerweile völlig andere<br />
trainings- und sportwissenschaftliche<br />
Zugänge. „Früher sagte man<br />
etwa dem Radfahren eine negative<br />
Auswirkung auf die Schrittfrequenz<br />
von Läufern nach.“ Der wahre<br />
Kern, der hinter dieser Meinung<br />
steckt: „Hat jemand überhaupt keinen<br />
Zugang zum Radfahren und<br />
setzt sich aufs Rad, wird er mit<br />
mittlerem Widerstand und 50, 60<br />
Umdrehungen dahinkurbeln. Gute<br />
Radfahrer hingegen haben eine<br />
Trittfrequenz von 80, 90 Umdrehungen<br />
– das entspricht einer guten<br />
Schrittfrequenz beim Laufen.“ Man<br />
müsse Läufern für Radeinheiten<br />
also bloß ein paar Tipps mit auf den<br />
Weg geben: Mit bewusst höherer<br />
Trittfrequenz bei wenig Widerstand<br />
treten; der Puls soll etwa 10 bis 15<br />
Schläge niedriger sein als beim<br />
Laufen, um den gleichen Effekt zu<br />
erzielen, dazu darf die Radeinheit<br />
etwas länger ausfallen als die Laufrunde.<br />
Schon hat man ein gelenkschonendes<br />
Grundlagentraining,<br />
das für jeden Ausdauersport passt.<br />
Grundsätzlich gilt die Faustregel:<br />
In Grundlagenphasen sind Abwechslung<br />
und alternative Trainingsmittel<br />
immer möglich und erwünscht<br />
– je näher ein Wettkampf<br />
ZUR PERSON<br />
Dr. Robert Fritz<br />
Der Sport- und Ernährungsmediziner<br />
ist einer der Gründer und medizinischer<br />
Leiter einer Unit der „Sportordination“<br />
in Wien und einer der bekanntesten<br />
Sportärzte in Österreich. Als „<strong>SPORTaktiv</strong>-Doc“<br />
beleuchtet er kompetent<br />
in jeder Ausgabe ein Sport- oder<br />
Ernährungsthema.<br />
www.sportordination.at<br />
rückt, desto mehr sollte man in seiner<br />
Hauptsportart spezifisch trainieren.<br />
Doch gerade das Grundlagentraining,<br />
das den Herzmuskel<br />
trainiert und das so wichtige Fundament<br />
jedes Trainingsprogramms<br />
darstellt, kann und soll auf vielerlei<br />
Arten ausgeübt werden, so Fritz.<br />
Laufen und Radfahren, Letzteres<br />
im Freien oder am Ergometer,<br />
(Nordic) Walken oder Wandern,<br />
Crosstrainer oder Ruderergometer<br />
oder im Winter Langlaufen oder<br />
Skitourengehen – einzig die persönliche<br />
Vorliebe diktiert die Wahl.<br />
Schön öfters haben wir in dieser<br />
Serie aufs moderne „polarisierte<br />
Training“ verwiesen: Viele niedrigintensive<br />
Einheiten unterhalb<br />
der aeroben Schwelle bilden die Basis,<br />
als Kontrast sind harte Belastungsspitzen<br />
gefragt, den mittleren,<br />
wenig effizienten „Wohlfühlbereich“<br />
soll man dagegen meiden.<br />
Gerade die Grundlageneinheiten<br />
schaffen viele Hobbysportler mit<br />
anderen Sportarten als Laufen sogar<br />
besser. „Immer wieder sagen<br />
mir Läufer: Robert, so langsam<br />
kann ich gar nicht laufen, wie du es<br />
mir empfiehlst. Meine Antwort:<br />
Dann setz dich für die Grundlage<br />
auf das Ergometer, geh walken,<br />
wandern oder auch flott spazieren<br />
und mach nur die intensiven Einheiten<br />
laufend.“ Wobei auch zu beachten<br />
ist, dass es einen Mindestreiz<br />
gibt, unter dem es zu keiner<br />
Anpassung im Körper kommt,<br />
fügt Fritz hinzu, also immer die individuellen<br />
Voraussetzungen beachtet<br />
werden müssen.<br />
Wenn Radfahrer laufen<br />
Für Biker ist umgekehrt ein gelegentlicher<br />
Umstieg zum Laufen<br />
ebenfalls ein Gewinn. Ein Grund dafür<br />
ist, dass beim Immer-nur-Radeln<br />
die Stoßbelastung fehlt. Trainiert<br />
man (und Frau) immer am Rad, sitzt<br />
sonst vielleicht auch noch den ganzen<br />
Tag in einem Bürosessel, dann<br />
tut ein regelmäßiger Impact auf den<br />
Bewegungsapparat überaus gut.<br />
Frauen sind hier aufgrund eines höheren<br />
Osteoporose-Risikos ab dem<br />
40. Lebensjahr besonders angesprochen.<br />
„Die mechanische Belastung<br />
des Laufens ist an sich etwas richtig<br />
Gutes“, räumt Fritz mit einer weiteren<br />
veralteten Lehrmeinung auf.<br />
FOTOS: Thomas Polzer, Getty Images<br />
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