vsao Journal Nr. 5 - Oktober 2023
Sprache - Verstehen, verstummen, vermitteln Politik - Zulassungssteuerung – quo vadis? Adipositas - Neue Medikamente wecken Hoffnungen Offene Handverletzungen - Tipps und Tricks für den Notfall
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Perspektiven<br />
Der besondere Ort<br />
Hohe Berge und<br />
herzliche Menschen<br />
Maya Cosentino, Redaktionsmitglied <strong>vsao</strong> <strong>Journal</strong><br />
Bilder: Adobe Stock; zvg<br />
Nach einigen Tagen in Kathmandu,<br />
der dynamischen<br />
Hauptstadt Nepals, fuhr ich<br />
mit dem Bus zwei Stunden<br />
Richtung Südosten nach Dhulikhel;<br />
einem Ort, der für sein Krankenhaus und<br />
die Aussicht auf die Berge bekannt ist und<br />
an dem ich die folgenden zwei Monate<br />
verbringen sollte. Nachdem ich übers<br />
Wochenende den Ort kennengelernt und<br />
eine Wanderung zu einem tibetischen<br />
Kloster in Namo Buddha unternommen<br />
hatte, war ich bereit, meine Arbeit im<br />
Dhulikhel Hospital aufzunehmen.<br />
Meine Tage begannen mit einer<br />
Schüssel Reis, einer aufgeschnittenen<br />
Banane und Büffelmilch. Während des<br />
Frühstücks leistete mir «Opa», Herz und<br />
Seele des familiengeführten Gästehauses,<br />
in dem ich wohnte, Gesellschaft. Gemeinsam<br />
lasen wir die Morgenzeitung und<br />
diskutierten über die nepalesische Politik.<br />
Auf dem Weg zur Arbeit machte ich<br />
jeweils einen kurzen Spaziergang durch<br />
die engen Strassen von Dhulikhels älteren<br />
Vierteln. Vom Teetrinken und geselligen<br />
Beisammensein bis hin zum Wäschewaschen<br />
und Baden fand alles in diesen Strassen<br />
statt. Die Einheimischen bereiteten dort<br />
sogar Büffelfleisch zu und verkauften es.<br />
Bis ich mich an diesen Anblick und die<br />
Gerüche gewöhnt hatte, dauerte es einige<br />
Tage. Ich beobachtete immer wieder, wie<br />
viele Einheimische die billigeren, aber<br />
offenbar schmackhaften Innereien wie<br />
Magen und Leber kauften. Eines Morgens<br />
sprach mich ein Metzger an und lud mich<br />
ein, ihm am nächsten Morgen um drei<br />
Uhr beim Schlachten eines Büffels<br />
zuzusehen. Ich lehnte höflich ab und liess<br />
mich stattdessen durch den kleinen<br />
Schlachthof führen, direkt hinter dem<br />
Ort, an dem bereits ein anderer Büffel in<br />
Stücken auf einer Plane lag.<br />
Kurz vor acht Uhr kam ich jeweils<br />
im Krankenhaus an. An der Morgenkonferenz<br />
berichteten wir über Neuauf-<br />
Nahe des buddhistischen Klosters in Namo Buddha wehen nepalesische Gebetsfahnen im Wind.<br />
nahmen, komplizierte Fälle und Todesfälle.<br />
Anschliessend gab es oftmals einen<br />
Vortrag von Assistenzärzten oder Gästen<br />
des Krankenhauses, dann ging es bis<br />
neun Uhr zum Frühstück und Tee in<br />
die Kantine.<br />
Ich arbeitete mit drei Dermatologen,<br />
einem Assistenzarzt und vier Pflegefachfrauen<br />
zusammen, die in der kleinen,<br />
aber aktiven dermatologischen Abteilung<br />
tätig waren. An meinem ersten Tag kam<br />
eine Mutter mit ihren drei Kindern ins<br />
Krankenhaus, um sich wegen angeborener<br />
Hypertrichose behandeln zu lassen;<br />
einer sehr seltenen Krankheit, bei der<br />
die Haare am Körper – einschliesslich<br />
Gesicht – deutlich länger und dicker<br />
wachsen. Die Familie war gekommen,<br />
um eine der sechs kostenlosen Laserbehandlungen<br />
zu erhalten, die das<br />
Krankenhaus für sie anbietet. Die Woche<br />
darauf sah ich einen Patienten mit<br />
Lepra – einer vernachlässigten tropischen<br />
Krankheit, die in Nepal immer noch<br />
vorkommt.<br />
Das Dhulikhel-Krankenhaus bietet<br />
auch Gesundheitsversorgung und Bildung<br />
in abgelegenen nepalesischen Dörfern<br />
an und baut manchmal für ein paar Tage<br />
ein Lager an weiter entfernten Orten auf.<br />
Ich hatte das Glück, mit zwei Ärzten<br />
und einer Pflegefachfrau an einer solchen<br />
Reise teilnehmen zu können. Es war<br />
besonders, ein abgelegenes Dorf zu<br />
besuchen und zu erleben, wie sinnvoll das<br />
Bereitstellen einer sehr grundlegenden<br />
medizinischen Versorgung für die<br />
Menschen sein kann.<br />
Der phänomenale Blick auf die Berge<br />
und die schöne Altstadt von Dhulikhel,<br />
aber vielmehr noch die Warmherzigkeit<br />
und Freundlichkeit der Menschen dort<br />
lassen in mir den Wunsch aufkommen,<br />
irgendwann wieder zurückzukehren.<br />
Maya Cosentino<br />
ist seit <strong>2023</strong> Redaktionsmitglied<br />
des <strong>vsao</strong><br />
<strong>Journal</strong>s. Sie arbeitet<br />
als stv. Oberärztin in<br />
der Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
der<br />
Universitären Psychiatrischen<br />
Dienste (UPD) Bern. Aktuell<br />
absolviert sie ein Fernstudium in Global<br />
Health Policy an der London School<br />
of Hygiene and Tropical Medicine<br />
(LSHTM) der Universität London.<br />
<strong>vsao</strong> /asmac <strong>Journal</strong> 5/23 51