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vsao Journal Nr. 5 - Oktober 2023

Sprache - Verstehen, verstummen, vermitteln Politik - Zulassungssteuerung – quo vadis? Adipositas - Neue Medikamente wecken Hoffnungen Offene Handverletzungen - Tipps und Tricks für den Notfall

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Politik<br />

Bürokratiemonster<br />

statt sinnvolles<br />

Steuerungsinstrument<br />

Mit der Zulassungsbeschränkung wollte die Politik<br />

die Gesundheitskosten in den Griff kriegen und die Versorgung sichern.<br />

Eine vorläufige Zwischenbilanz deutet darauf hin,<br />

dass mit dem geschaffenen Instrument weder das eine<br />

noch das andere erreicht werden kann.<br />

Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation / stv. Geschäftsführer <strong>vsao</strong><br />

Seit Mitte 2021 ist der Artikel 55a<br />

des Krankenversicherungsgesetzes<br />

(KVG) in Kraft. Er erlaubt den<br />

Kantonen, die Zahl der Ärztinnen<br />

und Ärzte, die ambulante Leistungen zu<br />

Lasten der Grundversicherung erbringen<br />

dürfen, zu begrenzen. Solche Beschränkungen<br />

sind in einem oder mehreren medizinischen<br />

Fachgebieten sowie in bestimmten<br />

Regionen möglich. Ist die vom<br />

Kanton festgelegte Höchstzahl erreicht,<br />

stellt dieser vorerst keine zusätzlichen Berufsausübungsbewilligungen<br />

mehr aus.<br />

Die Festlegung der Höchstzahlen geschieht<br />

aufgrund von drei Faktoren:<br />

– dem bestehenden Angebot an Ärztinnen<br />

und Ärzten, das von den Kantonen in<br />

Vollzeitäquivalenten bestimmt werden<br />

muss,<br />

– dem Versorgungsgrad, der vom Bund berechnet<br />

und in der Höchstzahlenverordnung<br />

publiziert wird,<br />

– dem Gewichtungsfaktor, den die Kantone<br />

selbst bestimmen.<br />

Diese Regelung, zu welcher der <strong>vsao</strong> gegenüber<br />

dem Bundesamt für Gesundheit<br />

in Vernehmlassungen und Umfragen bereits<br />

mehrmals Stellung genommen hat,<br />

ist extrem geprägt vom Bestreben, die<br />

Kosten im Gesundheitswesen zu senken<br />

bzw. das Kostenwachstum zu beschränken.<br />

Die Politik sah in diesem Zulassungsstopp<br />

während vieler Jahre das Allheilmittel<br />

für die steigenden Gesundheitskosten.<br />

Fachkräftemangel als zentrales<br />

Problem<br />

Heute aber sind wir mit einem Fachkräftemangel<br />

konfrontiert, im Gesundheitswesen<br />

wie auch in vielen anderen Branchen.<br />

Ausgerechnet in dieser Situation sind die<br />

Kantone nun verpflichtet, den Zulassungsstopp<br />

umzusetzen. Eine geradezu<br />

paradoxe Situation: Statt Massnahmen gegen<br />

den Fachkräftemangel ergreifen zu<br />

können, müssen die Kantone nun mit<br />

grossem bürokratischem Aufwand<br />

Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte<br />

festlegen.<br />

Trotz der schwierigen Situation: Die<br />

Kantone sind verpflichtet, das Gesetz umzusetzen,<br />

und kommen dieser Pflicht auch<br />

nach. Wie die Erfahrungen der letzten Monate<br />

zeigen, ist dies aber gar nicht so einfach.<br />

Einerseits ist die Datenlage sehr unsicher.<br />

Dies macht es schwierig, zu bestimmen,<br />

in welchem Fachgebiet und<br />

welcher Region eine Beschränkung nun<br />

tatsächlich angebracht ist. Andererseits<br />

ist auch juristisch weiterhin vieles unklar,<br />

unter anderem die Frage, ob die Höchstzahlen<br />

auf Verordnungsstufe festgelegt<br />

werden können oder ob es dafür eine kantonale<br />

Gesetzesgrundlage braucht.<br />

Grosse Unterschiede zwischen<br />

den Kantonen<br />

Es präsentiert sich deshalb zurzeit ein föderalistischer<br />

Flickenteppich. Einzelne<br />

Kantone haben ihre Pflicht erfüllt, indem<br />

sie eine Höchstzahl in einem Fachgebiet<br />

festlegten, das für ihren Kanton nicht besonders<br />

relevant ist bzw. in dem es ohnehin<br />

ein genügendes Angebot gibt. Beispiele<br />

dafür sind Appenzell Innerrhoden oder<br />

Glarus, welche die Bereiche Handchirurgie<br />

(AI) bzw. Nuklearmedizin, Pathologie,<br />

Radio-Onkologie und Strahlentherapie<br />

sowie Radiologie (GL) beschränkt haben.<br />

Im Kanton Basel-Landschaft wurde<br />

der ursprüngliche Beschluss, in acht Fachrichtungen<br />

eine Beschränkung festzulegen,<br />

vom Kantonsgericht aufgehoben. Der<br />

Kanton muss nun zuerst eine gesetzliche<br />

Grundlage schaffen, um Höchstzahlen<br />

festlegen zu können. Diese unerwartete<br />

Intervention des Gerichts hat grosse Kantone<br />

wie Bern und Zürich dazu bewogen,<br />

ihre ebenfalls auf Verordnungsstufe geplante<br />

Regelung vorerst aufzuschieben.<br />

Wartelisten in Genf<br />

Am weitesten ging der Kanton Genf. Dort<br />

gilt seit dem 1. <strong>Oktober</strong> 2022 eine Beschränkung<br />

in allen 45 Fachrichtungen.<br />

Die Genfer Ärztegesellschaft legte Rekurs<br />

gegen die Regelung ein, dieser wurde aber<br />

vom Kantonsgericht abgewiesen. Der Entscheid<br />

wurde zwar ans Bundesgericht weitergezogen,<br />

die Entscheidung steht aber<br />

noch aus, und der Weiterzug hat keine aufschiebende<br />

Wirkung zur Folge. Die Liste<br />

von Ärztinnen und Ärzten, die auf eine<br />

Zulassung warten, ist dementsprechend<br />

lang. Sie umfasst unter anderem acht Per-<br />

6<br />

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