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STORY<br />
bei ihren Entdeckern in Europa nicht<br />
weitaus populärer sind. Vielleicht liegt<br />
es am Image, das ihnen immer noch<br />
anhaftet. Stark sollen sie sein und<br />
ungehobelt wie ein Campesino, ein<br />
mexikanischer Landarbeiter. Dieses<br />
Vorurteil resultiert nicht zuletzt aus<br />
dem Zigarrenboom der Neunziger, als<br />
die aufgeheizte Goldgräberstimmung<br />
der USA die produzierenden Nachbarländer<br />
in Brand setzte. Neben traditionellen<br />
Herstellern witterten selbsternannte<br />
Zigarrenfirmen das schnelle<br />
Geld und warfen Produkte in schwankender<br />
Qualität auf den Markt. Als sich<br />
dann der Hype und Zahl der mittelamerikanischen<br />
Produzenten wieder<br />
auf ein Normalmaß beruhigt hatte, war<br />
das Ansehen der mexikanischen Zigarre<br />
teilweise beschädigt.<br />
Vom Pulque zum Mezcal<br />
Mit solchen Imageproblemen musste<br />
sich der Tequila nicht herumschlagen.<br />
Nach der Mexikanischen Revolution<br />
zum Nationalgetränk erklärt, annektierte<br />
der Agavenschnaps den nordamerikanischen<br />
Kontinent, bevor er<br />
weltweit die Bars eroberte. Wie der<br />
Kaktus und der Tabak, hatte auch die<br />
Agave ihren festen Platz im präkolumbischen<br />
Olymp der Azteken. Sie bot<br />
vielfältige Verwendungsmöglichkeiten:<br />
Aus den Stacheln der Blattspitzen wurden<br />
Nähnadeln, aus den Pflanzenfasern<br />
Teppiche und das Herz lieferte einen<br />
süßen, dickflüssigen Saft, der nach<br />
wenigen Stunden Gärzeit so viel Alkohol<br />
enthielt wie unser Bier. Anfangs<br />
nur den indianischen Hohepriestern<br />
vorbehalten, entwickelte sich „Pulque“<br />
unter den spanischen Eroberern zum<br />
Bestseller und wird bis heute in Mexiko<br />
getrunken. Irgendwann stellte man<br />
fest, dass sich aus Pulque ein wohlschmeckender<br />
Schnaps brennen lässt.<br />
Als Namen setzte sich das indianische<br />
Wort für „Agavenherz“ durch: Mezcal,<br />
der bürgerliche Vetter des aristokratischen<br />
Tequilas. Letzterer darf nur aus<br />
einer ganz bestimmten blauen Agave,<br />
der „agave tequilana Weber azul“, hergestellt<br />
werden.<br />
Das blaue Wunder<br />
Ein weiterer Unterschied zwischen<br />
beiden Spirituosen ist die geschützte<br />
Herkunftsbezeichnung (vergleichbar<br />
mit der des Cognacs) – Tequila stammt<br />
entweder aus dem Bundesstaat Jalisco<br />
oder aus bestimmen Ortschaften<br />
von Nayarit, Michoacán, Guanajuato<br />
oder Tamaulipas. Anbau und Ernte der<br />
bis zu 100 kg schweren Agavenherzen<br />
sind ebenso langwierig und schweißtreibend,<br />
wie die Verarbeitung selbst:<br />
Um den Zucker aus dem Fruchtfleisch<br />
zu lösen, werden die Pflanzen bis zu<br />
zwei Tage gekocht, anschließend gewaschen,<br />
gemahlen und zerstampft. Dann<br />
werden der Maische spezielle Hefekulturen<br />
zugefügt, die den Zucker in einem<br />
mehrtägigen Gärprozess in Alkohol<br />
umwandeln, der schließlich gebrannt<br />
wird. Grundsätzlich lässt sich Tequila<br />
in zwei Qualitätsstufen unterteilen, die<br />
auf dem Flaschenetikett vermerkt sind:<br />
Steht dort „100% de Agave“, so handelt<br />
es sich um ein Premiumprodukt, das<br />
in Mexiko abgefüllt wurde und in dessen<br />
Gärtank nichts als reiner Agavensaft<br />
war. Fehlt der 100%-Hinweis, ist<br />
es ein so genannter Mixto – er darf im<br />
Gärstadium bis zu 49% Fremdzucker<br />
enthalten und auch außerhalb Mexikos<br />
abgefüllt werden. Wer bisher nur den<br />
preisgünstigen Mixto getrunken hat,<br />
wird sich über den Geschmack eines<br />
Hundertprozentigen wundern: Er besitzt<br />
ein deutliches Agavenaroma, das<br />
man so noch nie auf der Zunge hatte. In<br />
Mexiko selbst wird dazu gerne Sangrita<br />
und Limettensaft gereicht; Salz und<br />
Zitrone findet man eher selten. Vor allem<br />
gereifte Destillate genießt man am<br />
besten bei Zimmertemperatur aus dem<br />
Degustationsglas. Eines wird man aber<br />
niemals in einer Tequilaflasche finden –<br />
den berühmten „Wurm“. Die Raupe des<br />
Dickkopffalters schwimmt allenfalls in<br />
einem speziellen Mezcal für den Export<br />
und es gibt viele Geschichten um diese<br />
Larve. Der Marketinggag ist vor allem<br />
in Asien beliebt.<br />
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