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FineTobacco[+] 01|24

FREUDE AM LEBEN. SPASS AM GENUSS

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STORY<br />

bei ihren Entdeckern in Europa nicht<br />

weitaus populärer sind. Vielleicht liegt<br />

es am Image, das ihnen immer noch<br />

anhaftet. Stark sollen sie sein und<br />

ungehobelt wie ein Campesino, ein<br />

mexikanischer Landarbeiter. Dieses<br />

Vorurteil resultiert nicht zuletzt aus<br />

dem Zigarrenboom der Neunziger, als<br />

die aufgeheizte Goldgräberstimmung<br />

der USA die produzierenden Nachbarländer<br />

in Brand setzte. Neben traditionellen<br />

Herstellern witterten selbsternannte<br />

Zigarrenfirmen das schnelle<br />

Geld und warfen Produkte in schwankender<br />

Qualität auf den Markt. Als sich<br />

dann der Hype und Zahl der mittelamerikanischen<br />

Produzenten wieder<br />

auf ein Normalmaß beruhigt hatte, war<br />

das Ansehen der mexikanischen Zigarre<br />

teilweise beschädigt.<br />

Vom Pulque zum Mezcal<br />

Mit solchen Imageproblemen musste<br />

sich der Tequila nicht herumschlagen.<br />

Nach der Mexikanischen Revolution<br />

zum Nationalgetränk erklärt, annektierte<br />

der Agavenschnaps den nordamerikanischen<br />

Kontinent, bevor er<br />

weltweit die Bars eroberte. Wie der<br />

Kaktus und der Tabak, hatte auch die<br />

Agave ihren festen Platz im präkolumbischen<br />

Olymp der Azteken. Sie bot<br />

vielfältige Verwendungsmöglichkeiten:<br />

Aus den Stacheln der Blattspitzen wurden<br />

Nähnadeln, aus den Pflanzenfasern<br />

Teppiche und das Herz lieferte einen<br />

süßen, dickflüssigen Saft, der nach<br />

wenigen Stunden Gärzeit so viel Alkohol<br />

enthielt wie unser Bier. Anfangs<br />

nur den indianischen Hohepriestern<br />

vorbehalten, entwickelte sich „Pulque“<br />

unter den spanischen Eroberern zum<br />

Bestseller und wird bis heute in Mexiko<br />

getrunken. Irgendwann stellte man<br />

fest, dass sich aus Pulque ein wohlschmeckender<br />

Schnaps brennen lässt.<br />

Als Namen setzte sich das indianische<br />

Wort für „Agavenherz“ durch: Mezcal,<br />

der bürgerliche Vetter des aristokratischen<br />

Tequilas. Letzterer darf nur aus<br />

einer ganz bestimmten blauen Agave,<br />

der „agave tequilana Weber azul“, hergestellt<br />

werden.<br />

Das blaue Wunder<br />

Ein weiterer Unterschied zwischen<br />

beiden Spirituosen ist die geschützte<br />

Herkunftsbezeichnung (vergleichbar<br />

mit der des Cognacs) – Tequila stammt<br />

entweder aus dem Bundesstaat Jalisco<br />

oder aus bestimmen Ortschaften<br />

von Nayarit, Michoacán, Guanajuato<br />

oder Tamaulipas. Anbau und Ernte der<br />

bis zu 100 kg schweren Agavenherzen<br />

sind ebenso langwierig und schweißtreibend,<br />

wie die Verarbeitung selbst:<br />

Um den Zucker aus dem Fruchtfleisch<br />

zu lösen, werden die Pflanzen bis zu<br />

zwei Tage gekocht, anschließend gewaschen,<br />

gemahlen und zerstampft. Dann<br />

werden der Maische spezielle Hefekulturen<br />

zugefügt, die den Zucker in einem<br />

mehrtägigen Gärprozess in Alkohol<br />

umwandeln, der schließlich gebrannt<br />

wird. Grundsätzlich lässt sich Tequila<br />

in zwei Qualitätsstufen unterteilen, die<br />

auf dem Flaschenetikett vermerkt sind:<br />

Steht dort „100% de Agave“, so handelt<br />

es sich um ein Premiumprodukt, das<br />

in Mexiko abgefüllt wurde und in dessen<br />

Gärtank nichts als reiner Agavensaft<br />

war. Fehlt der 100%-Hinweis, ist<br />

es ein so genannter Mixto – er darf im<br />

Gärstadium bis zu 49% Fremdzucker<br />

enthalten und auch außerhalb Mexikos<br />

abgefüllt werden. Wer bisher nur den<br />

preisgünstigen Mixto getrunken hat,<br />

wird sich über den Geschmack eines<br />

Hundertprozentigen wundern: Er besitzt<br />

ein deutliches Agavenaroma, das<br />

man so noch nie auf der Zunge hatte. In<br />

Mexiko selbst wird dazu gerne Sangrita<br />

und Limettensaft gereicht; Salz und<br />

Zitrone findet man eher selten. Vor allem<br />

gereifte Destillate genießt man am<br />

besten bei Zimmertemperatur aus dem<br />

Degustationsglas. Eines wird man aber<br />

niemals in einer Tequilaflasche finden –<br />

den berühmten „Wurm“. Die Raupe des<br />

Dickkopffalters schwimmt allenfalls in<br />

einem speziellen Mezcal für den Export<br />

und es gibt viele Geschichten um diese<br />

Larve. Der Marketinggag ist vor allem<br />

in Asien beliebt.<br />

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<strong>FineTobacco</strong>[+] 01·2024

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