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PORTRAIT•FRIDA KAHLO Foto: Copyright DIEGO RIVERA & FRIDA KAHLO ARCHIVES, Bank of Mexico UND Copyright VG Bild-Kunst, Bonn 2023 geht. Gleichzeitig wird sie als sehr positiv, warmherzig, entgegenkommend und fürsorglich beschrieben. Und sie liebt die Abwechslung. Frida Kahlo ist 30, als sie für die amerikanische Vogue interviewt wird und ihre internationale Solokarriere langsam Fahrt aufnimmt. Nach ihrer ersten Einzelausstellung in New York reist die Malerin 1939 auf Veranlassung Bretons nach Paris zu einer von Marcel Duchamp präsentierten Vernissage. Es wird ein Riesenerfolg. Der Louvre erwirbt ein Bild von ihr und sie macht Bekanntschaft mit Kollegen wie Dalí, Picasso, Miró und Max Ernst. Doch nach ersten positiven Erfahrungen ist sie von der französischen Metropole und der ganzen Künstlermischpoke irgendwann so genervt, dass sie abreist. Die meisten Künstler würden nicht arbeiten, sondern nur heiße Luft produzieren und sich von den Reichen aushalten lassen: „Ich sitze lieber auf dem Markt von Toluca auf dem Boden und verkaufe Tortillas“, schreibt sie an ihren damaligen Geliebten, den Fotografen Nickolas Muray. Wieder zurückgekehrt, lässt sie sich von Diego scheiden, schneidet sich die Haare ab und landet wegen Alkoholproblemen und einer Nierenentzündung in der Klinik. Viva la vida Ein Jahr später schließen sie erneut gemeinsam den Bund der Ehe. Allen Beziehungsproblemen zum Trotz können die beiden Eigenwilligen einfach nicht ohne den anderen – die Liebe des Lebens – existieren. Mit der Zeit wird Kahlos Bekanntheitsgrad in Mexiko immer größer. Mit 36 Jahren erhält sie einen Lehrstuhl an der Kunstschule La Esmeralda, drei Jahre später wird ihr der Nationalpreis für Malerei für ihr Werk „Moses“ verliehen. Und noch immer hat sie es faustdick hinter den Ohren: Als die Gattin des mexikanischen Präsidenten Camacho bei der prominenten Malerin „ein Stillleben mit Früchten“ bestellt, das im Speisesaal des Präsidentenpalastes hängen soll, macht sich Frida Kahlo sofort an die Arbeit. Denn sie hat ihre ganz eigene Vorstellung davon, wie die Früchte aussehen sollten. Leider ist nichts über die spontane Reaktion der Präsidentengattin bekannt, nachdem ihr das Bild geliefert wurde. Einen Ehrenplatz erhielt das Gemälde jedenfalls nicht, sondern wurde postwendend zurückgeschickt: Es sei unanständig, ja im höchsten Grade anstößig. Kahlo hatte sicherlich ihren Spaß dabei. Immer häufiger leidet sie aber auch unter ihrer geflickten Wirbelsäule. 1950 unterzieht sie sich weiterer Operationen, ist monatelang im Krankenhaus (wo auch Diego sein Bett aufgeschlagen hat), schluckt Schmerzmittel und kann irgendwann nur noch im Liegen malen. Die Zeit scheint ihr davon zu fliegen. Als 1953 Frida Kahlos erste Einzelausstellung in ihrer Heimat stattfindet, kann sie nur in einem Krankenbett liegend an der Eröffnung teilnehmen. Dann muss ihr „schwaches“ Bein amputiert werden. „Füße, wozu brauche ich dich, wenn ich Flügel zum Fliegen habe?“ notiert die Künstlerin auf einer Zeichnung eines abgetrennten Beines. Doch am meisten leidet sie darunter, dass nun jeder ihre Behinderung sehen könne. Ihr fragiles Fundament, das jahrzehntelang alle Stürme überstanden und sie immer aufrecht gehalten hat, gerät plötzlich ins Wanken. 29 Jahre hatte sie dem Tod abgetrotzt, dabei immer wieder um ihren Lebenswillen gekämpft, doch nun ist sie erschöpft. „Ich hoffe, der Abgang ist freudig und ich hoffe, nie wieder zurückzukehren“, notiert sie einige Tage vor ihrem Tod und verziert eines ihrer letzten Bilder mit der Botschaft „Viva la Vida“ – es lebe das Leben. Dann kommt Kahlos letzter großer Auftritt: Obwohl sie sich eigentlich von einer schweren Lungenentzündung erholen sollte, schlägt sie den ärztlichen Rat in den Wind und nimmt an einer Demonstration gegen die nordamerikanische Intervention in Guatemala teil. Sieben Tage nach ihrem 47. Geburtstag stirbt Frida Kahlo im Casa Azul am 13. Juli 1954. Die Wiederauferstehung Diego überlebt seine Frida nur um drei Jahre. Gemäß dem Wunsch der beiden wird das Casa Azul 1958 in ein Frida Kahlo Museum umgewandelt, während der Staat Mexiko alle ihre Werke als Geschenk erhält. Einzige Bedingung: Keines darf das Museum verlassen. Der Rest der Welt scheint die Malerin und ihr Œuvre zu vergessen. Dann wird die Kämpferin von der Frauenbewegung in den 1970ern wiederentdeckt, ein Jahrzehnt später erinnert sich auch die Kunstwelt an Kahlo und für Ausstellungen werden ihre Arbeiten aus der ganzen Welt eingesammelt. Das Comeback der Mexikanerin ist langsam aber gewaltig. Doch mit Selma Hayeks Filmbiografie „Frida“ (2002) hat sie sich zum Popstar entwickelt. 75 Jahre nach ihrem Vogue-Interview landete die Künstlerin auf dem Cover. Seitdem scheint ihr Konterfei mit den Augenbrauen jeden Konsumartikel der Welt zu zieren, es existiert sogar eine geliftete Barbie-Puppe, deren Verkauf in Mexiko verboten ist. Frida Kahlos Marktwert explodiert indes immer weiter. 144 Ölgemälde soll sie geschaffen haben, eines davon erzielte 2021 bei einer Auktion unglaubliche 34,9 Mio. Dollar. Damit ist es das teuerste jemals versteigerte lateinamerikanische Kunstwerk (das den bisherigen Spitzenreiter von Diego Rivera auf Platz zwei verwies). Und plötzlich tauchen neue „garantiert echte“ Bilder auf, während ein Unternehmer eine Aquarellzeichnung der Künstlerin öffentlich verbrennt, um Kryptowerte von etwa 40 Mio. Dollar zu verkaufen. Das wiederum ruft das mexikanische Kulturministerium auf den Plan, weil das vorsätzliche Zerstören eines Kunstdenkmals dort eine Straftat ist… Eine verrückte Welt! Frida Kahlo hätte sicherlich das passende Bild dazu gemalt. LAST MINUTE TIPP: Bis voraussichtlich 07.04.2024 präsentiert die Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim sehenswerte Fotografien aus Frida Kahlos Nachlass, die ihr als Erinnerung, Inspirationsquelle und Arbeitsmaterial dienten. 70 FineTobacco[+] 01·2024
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