KIKIS•REISENOTIZEN BERAUSCHENDE AFFÄREN Von Kiki Baron 48 <strong>FineTobacco</strong>[+] 01·2024
Wenn man Glück hat und die Wolkengeschwader nicht zu tief hängen, sieht man beim Anflug auf Singapur Dutzende von dicken Pötten, die auf bleigrauem Meer vor dem Inselstaat dümpeln. Auf der Fahrt ins Zentrum bestimmt saftiges Grün das Bild. Die 6-Millionen-Metropole ist zweitgrößter Hafen der Welt und dank der Millionen Tropengewächse trägt sie den Beinamen „Garden City“. Zudem ist die Stadt Heimat von Asiens berühmtester Fluggesellschaft – Singapore Airlines. Just nämlicher habe ich eine einzigartige Einladung zu verdanken. Sie gilt einer Weinprobe im SIA-Headquarter. Einzigartig deswegen, weil sich andere Airlines in Sachen Catering nicht über die Schulter gucken lassen. Ich bin also eingeladen zur Wine Week. Und kann mir erstmal wenig darunter vorstellen. Allerdings habe ich auf dem Business Class Flug schon mal ein paar erlesenen Tropfen gesüffelt. Und gut geschlummert. Die Dimension, die das Weinbusiness bei SIA einnimmt, verblüfft. Zum Auftakt der Degustation, gibt die Moderatorin ein paar erstaunliche Zahlen zum Besten: 2,1 Millionen Flaschen Champagner, Rot- und Weißwein gehen alljährlich auf Strecke. Dafür werden 3000 Weine in Blindverkostung probiert, jeweils für die Suites, First und Business Class, ebenfalls für die Premium Eco und Economy-Class. Highlights für die ersten drei Sitzklassen sind Burgunder. 50 Labels, darunter 33 Grands Crus, rotieren im 18-Monatsrhythmus. Bei der Weinprobe sitzen wir wie in der Schule. In einer Art Klassenraum sind Batterien von Gläsern aufgereiht. Das sind Work-Stations von drei hochdekorier ten Sommeliers - Jeanne Cho Lee, Oz Clarke und Michael Hill Smith. Seit vielen Jahren bei der Airline beschäftigt, verkosten sie Weine aus aller Welt. Hier im Headquarter eine ganze Woche lang, diesmal von 1000 Produzenten. Ein Traumjob? „Spannender noch“, grinst Michael vergnügt, „sind die Reisen, um unbekannte Winzer ausfindig zu machen, die im Sinne unseres Qualitätsanspruchs ausbauen“. Nicht nur das. Die Qualität muss nämlich in der Luft stabil bleiben und zu den Speisen passen, die während des Flugs gereicht werden. Gemeinsam schlürfen wir einige Rote und Weiße, ohne die Etiketten zu sehen. Welche Traube, welches Herkunftsland ist die Frage. Ich muss Acht gegeben, dass nicht jeder Schluck durch meine Kehle rinnt. Sonst wäre ich am Ende völlig benebelt. Es tut fast in der Seele weh, den flüssigen Genuss ins Spucknapf zu befördern. Bei einem einzigen liege ich richtig, meine Geschmackspapillen erkennen einen deutschen Riesling. Immerhin. Wie das aufgedeckte Label zeigt, stammt er von der Saar, von VDP-Weingut „von Hövel“. Szenenwechsel. Im SIA - Ausbildungszentrum erlebe ich live wie Flugbegleiterinnen – ein paar Männer sind auch dabei - auf Weinberatung und perfekten Ausschank trainiert werden. Die Challenge beim Lunch ist nochmal größer. Es geht darum, zu den verschiedenen Speisen, ob Kreationen nach europäischer oder asiatischer Art, den passenden Tropfen wählen. Ehrlich gesagt, so ganz klar im Kopf bin ich beim Abschied nicht. Doch munter genug, um einige extravagante Spektakel im Stadtzentrum zu inhalieren. Was man wörtlich nehmen kann. Mein erster Besuch gilt nämlich dem „Cloud Forest“ in „Gardens by the Bay“. Der Regenwald sprießt auf einem künstlichen Hügel in gigantischer Glasmuschel. Die Luft ist angenehm kühl, was nicht zuletzt dem 35 Meter hohen Wasserfall zu verdanken ist. Plötzlich wabert Nebel durchs Dickicht und mich fröstelt. Die Pflanzen, die in freier Natur nur auf Höhen von 1000 bis 3500 Metern gedeihen, lieben die dicke Suppe. Nächstes Highlight sind die benachbarten „Supertrees“. 50 Meter hohe Stahlkonstruktionen, an denen sich tropische Pflanzen ranken. Einige der Metallbäume dienen als Wasserreservoir, andere der Belüftung der Glasmuscheln. Elf sind mit Photovoltaikmodulen ausgestattet, die Strom für die abendliche Lightshow produzieren. Alles Maßnahmen im Sinne der Nachhaltigkeit. Tropische Gewächse und Hochtechnologie zu verbinden, darin ist Singapur spitze. Dass solch eine Paarung noch mehr Faszination hervorrufen kann, entdecke ich in der Lobby Lounge meines Hotels „Como Metropolitan“. Inhaberin Christina Ong hatte für diese Property eine berauschende Videoinstallation in Auftrag gegeben. Kreiert hat sie der norwegische Regisseur und Künstler Thomas Hilland. Für eine 6x7 Meter große LED-Wand filmte er Blumen bouquets in 3-D-Close-ups. Wahrscheinlich war es das erste Mal, wie er sagt, dass jemand die Kamera auf langsamste Geschwindigkeit einstellt. Die Wirkung ist betö rend. Im Zeitlupentempo bewegen sich fantastische Riesen blüten über die Wand, immer wieder andere, ohne dass man Übergänge erkennt. Ich fühle mich vom Video einverleibt. Durchaus vorstellbar, dass man nach längerer Betrachtung in Trance verfallen kann. Mich beindruckt das Kunstwerk derart, dass ich erstmal kein Auge für die Kaffeemaschine in der Lounge habe. Kaffeemaschine? Gott bewahre, ich bin im High-Tech Wunderland. Die Zubereitung meines Cappuccinos hat was von Science-Fiction-Performance. Weil nämlich ein Roboter-Barista fürs Kaffeemachen zuständig ist. In einem Glaskasten sind zwei Greifarme in Bewegung. Der eine zieht den Espresso Shot aus dem Brühgerät, der andere aufgeschäumte Milch aus dem Kocher. Im Kännchen umgeschwenkt und mit perfektem Orchideen-Motiv eingegossen, fertig. Croissant dazu? Unbedingt. Im Como hat sich der französische Star-Patissier Cedric Grolet mit einem Outlet etabliert. Vermutlich arbeitet seine Backstube ebenfalls in High-Tech-Manier. Das Croissant ist jedenfalls das größte und Beste, was je über meinen Gaumen gerutscht ist. Allerdings auch das teuerste! Zum Ausgleich ist mittags ein Hawker Center angesagt. Denn die legendären Garküchen konglomerate bieten preiswerte Singapur Spezialitäten. Und nicht zu vergessen, bei Hawkern ist alles noch handgemacht. <strong>FineTobacco</strong>[+] 01·2024 49