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Wenn man Glück hat und<br />
die Wolkengeschwader<br />
nicht zu tief hängen,<br />
sieht man beim Anflug auf Singapur<br />
Dutzende von dicken Pötten, die auf<br />
bleigrauem Meer vor dem Inselstaat<br />
dümpeln. Auf der Fahrt ins Zentrum bestimmt<br />
saftiges Grün das Bild. Die 6-Millionen-Metropole<br />
ist zweitgrößter Hafen<br />
der Welt und dank der Millionen Tropengewächse<br />
trägt sie den Beinamen „Garden<br />
City“. Zudem ist die Stadt Heimat von<br />
Asiens berühmtester Fluggesellschaft<br />
– Singapore Airlines. Just nämlicher<br />
habe ich eine einzigartige Einladung zu<br />
verdanken. Sie gilt einer Weinprobe im<br />
SIA-Headquarter. Einzigartig deswegen,<br />
weil sich andere Airlines in Sachen Catering<br />
nicht über die Schulter gucken<br />
lassen. Ich bin also eingeladen zur Wine<br />
Week. Und kann mir erstmal wenig darunter<br />
vorstellen. Allerdings habe ich auf<br />
dem Business Class Flug schon mal ein<br />
paar erlesenen Tropfen gesüffelt. Und<br />
gut geschlummert.<br />
Die Dimension, die das Weinbusiness<br />
bei SIA einnimmt, verblüfft. Zum Auftakt<br />
der Degustation, gibt die Moderatorin<br />
ein paar erstaunliche Zahlen zum Besten:<br />
2,1 Millionen Flaschen Champagner,<br />
Rot- und Weißwein gehen alljährlich<br />
auf Strecke. Dafür werden 3000 Weine<br />
in Blindverkostung probiert, jeweils für<br />
die Suites, First und Business Class,<br />
ebenfalls für die Premium Eco und Economy-Class.<br />
Highlights für die ersten drei<br />
Sitzklassen sind Burgunder. 50 Labels,<br />
darunter 33 Grands Crus, rotieren im<br />
18-Monatsrhythmus. Bei der Weinprobe<br />
sitzen wir wie in der Schule. In einer<br />
Art Klassenraum sind Batterien von Gläsern<br />
aufgereiht. Das sind Work-Stations<br />
von drei hochdekorier ten Sommeliers<br />
- Jeanne Cho Lee,<br />
Oz Clarke und<br />
Michael Hill Smith.<br />
Seit vielen Jahren<br />
bei der Airline beschäftigt,<br />
verkosten<br />
sie Weine aus<br />
aller Welt. Hier im<br />
Headquarter eine<br />
ganze Woche lang,<br />
diesmal von 1000<br />
Produzenten. Ein<br />
Traumjob? „Spannender<br />
noch“, grinst<br />
Michael vergnügt,<br />
„sind die Reisen,<br />
um unbekannte<br />
Winzer ausfindig<br />
zu machen, die im Sinne unseres Qualitätsanspruchs<br />
ausbauen“. Nicht nur<br />
das. Die Qualität muss nämlich in der<br />
Luft stabil bleiben und zu den Speisen<br />
passen, die während des Flugs gereicht<br />
werden. Gemeinsam schlürfen wir einige<br />
Rote und Weiße, ohne die Etiketten<br />
zu sehen. Welche Traube, welches<br />
Herkunftsland ist die Frage. Ich muss<br />
Acht gegeben, dass nicht jeder Schluck<br />
durch meine Kehle rinnt. Sonst wäre<br />
ich am Ende völlig benebelt. Es tut fast<br />
in der Seele weh, den flüssigen Genuss<br />
ins Spucknapf zu befördern. Bei<br />
einem einzigen liege ich richtig, meine<br />
Geschmackspapillen erkennen einen<br />
deutschen Riesling. Immerhin. Wie das<br />
aufgedeckte Label zeigt, stammt er von<br />
der Saar, von VDP-Weingut „von Hövel“.<br />
Szenenwechsel. Im SIA - Ausbildungszentrum<br />
erlebe ich live wie Flugbegleiterinnen<br />
– ein paar Männer sind auch<br />
dabei - auf Weinberatung und perfekten<br />
Ausschank trainiert werden. Die Challenge<br />
beim Lunch ist nochmal größer.<br />
Es geht darum, zu den verschiedenen<br />
Speisen, ob Kreationen nach europäischer<br />
oder asiatischer Art, den passenden<br />
Tropfen wählen.<br />
Ehrlich gesagt, so ganz klar im Kopf bin<br />
ich beim Abschied nicht. Doch munter<br />
genug, um einige extravagante Spektakel<br />
im Stadtzentrum zu inhalieren. Was<br />
man wörtlich nehmen kann. Mein erster<br />
Besuch gilt nämlich dem „Cloud Forest“<br />
in „Gardens by the Bay“. Der Regenwald<br />
sprießt auf einem künstlichen Hügel in<br />
gigantischer Glasmuschel. Die Luft ist<br />
angenehm kühl, was nicht zuletzt dem<br />
35 Meter hohen Wasserfall zu verdanken<br />
ist. Plötzlich wabert Nebel durchs<br />
Dickicht und mich fröstelt. Die Pflanzen,<br />
die in freier Natur nur auf Höhen von<br />
1000 bis 3500 Metern gedeihen, lieben<br />
die dicke Suppe. Nächstes Highlight sind<br />
die benachbarten „Supertrees“. 50 Meter<br />
hohe Stahlkonstruktionen, an denen sich<br />
tropische Pflanzen ranken. Einige der<br />
Metallbäume dienen als Wasserreservoir,<br />
andere der Belüftung der Glasmuscheln.<br />
Elf sind mit Photovoltaikmodulen<br />
ausgestattet, die Strom für die abendliche<br />
Lightshow produzieren. Alles Maßnahmen<br />
im Sinne der Nachhaltigkeit.<br />
Tropische Gewächse und Hochtechnologie<br />
zu verbinden, darin ist Singapur<br />
spitze. Dass solch eine Paarung<br />
noch mehr Faszination hervorrufen<br />
kann, entdecke ich in der Lobby Lounge<br />
meines Hotels „Como Metropolitan“.<br />
Inhaberin Christina Ong hatte<br />
für diese Property eine berauschende<br />
Videoinstallation in Auftrag gegeben.<br />
Kreiert hat sie der norwegische Regisseur<br />
und Künstler Thomas Hilland. Für<br />
eine 6x7 Meter große LED-Wand filmte<br />
er Blumen bouquets in 3-D-Close-ups.<br />
Wahrscheinlich war es das erste Mal,<br />
wie er sagt, dass jemand die Kamera<br />
auf langsamste Geschwindigkeit<br />
einstellt. Die Wirkung ist betö rend. Im<br />
Zeitlupentempo bewegen sich fantastische<br />
Riesen blüten über die Wand, immer<br />
wieder andere, ohne dass man<br />
Übergänge erkennt. Ich fühle mich<br />
vom Video einverleibt. Durchaus vorstellbar,<br />
dass man nach längerer Betrachtung<br />
in Trance verfallen kann.<br />
Mich beindruckt das Kunstwerk derart,<br />
dass ich erstmal kein Auge für<br />
die Kaffeemaschine in der Lounge<br />
habe. Kaffeemaschine? Gott bewahre,<br />
ich bin im High-Tech Wunderland. Die<br />
Zubereitung meines Cappuccinos hat<br />
was von Science-Fiction-Performance.<br />
Weil nämlich ein Roboter-Barista<br />
fürs Kaffeemachen zuständig ist. In<br />
einem Glaskasten sind zwei Greifarme<br />
in Bewegung. Der eine zieht den<br />
Espresso Shot aus dem Brühgerät, der<br />
andere aufgeschäumte Milch aus dem<br />
Kocher. Im Kännchen umgeschwenkt<br />
und mit perfektem Orchideen-Motiv<br />
eingegossen, fertig. Croissant dazu?<br />
Unbedingt. Im Como hat sich der französische<br />
Star-Patissier Cedric Grolet<br />
mit einem Outlet etabliert. Vermutlich<br />
arbeitet seine Backstube ebenfalls in<br />
High-Tech-Manier. Das Croissant ist<br />
jedenfalls das größte und Beste, was<br />
je über meinen Gaumen gerutscht ist.<br />
Allerdings auch das teuerste! Zum<br />
Ausgleich ist mittags ein Hawker Center<br />
angesagt. Denn die legendären<br />
Garküchen konglomerate bieten preiswerte<br />
Singapur Spezialitäten. Und<br />
nicht zu vergessen, bei Hawkern ist<br />
alles noch handgemacht.<br />
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