Trauerkiste und Co - Dr. Dietmar Weixler
Trauerkiste und Co - Dr. Dietmar Weixler
Trauerkiste und Co - Dr. Dietmar Weixler
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
durch einen kleinen Schlauch direkt in den Magen geben (PEG) etc. Julia hört, dass sie machen kann, was sie<br />
will, bleiben <strong>und</strong> gehen kann, solange sie will <strong>und</strong> dass sie mir jede Frage stellen kann, die ihr einfällt.<br />
Sie nähert sich langsam an ihren Großvater an, sagt dabei nichts. Zunächst schaut sie nur, doch bald deutet sie<br />
auf einige Tatsachen, die ich zuvor nicht genau gesagt habe <strong>und</strong> fragt, was das sei (Tracheostoma,<br />
Arterienkanüle). Der Vater meint, Julia könne dem Großvater einen Kuss geben. Aber sie mag nicht. Der<br />
Großvater sieht sie nicht an. Speichel läuft aus seinem M<strong>und</strong>. Sie kann alles sehen <strong>und</strong> spricht es sofort an. Nach<br />
einer Weile ist ihr die ganze Stille <strong>und</strong> Passivität des Großvaters „zu fad“ <strong>und</strong> sie möchte lieber wieder gehen.<br />
Der Vater geht mit ihr nach außen.<br />
Tage später beginnt der Patient Kontakt mit seiner Umgebung aufzunehmen, 2 Wochen später verlässt er die<br />
Intensivstation, kann sprechen <strong>und</strong> selbständig essen – gegen jede Erwartung der Mediziner.<br />
Wenn das Kind am Krankenbesuch teilnimmt, ist es wie im o.g. Beispiel sinnvoll, wenn<br />
wenigstens ein zweiter Erwachsener mitgeht, der dann beim Kind bleiben kann, falls es sich<br />
vom Kranken distanzieren will. Rauch <strong>und</strong> Arnold (14) empfehlen, dass man den Kindern<br />
eine Möglichkeit einräumen soll, dem Kranken etwas Persönliches zurückzulassen (z.B. kann<br />
man Papier <strong>und</strong> Zeichenstifte mitnehmen).<br />
Manche Autoren vertreten die Ansicht, dass man Kindern den Anblick sehr entstellender<br />
Veränderungen vorenthalten sollte (12). Der Kranke <strong>und</strong> Sterbende wünscht mitunter, dass<br />
sein Zustand, seine äußerlich wahrnehmbaren Veränderungen, nicht (mehr) von den Kindern<br />
gesehen werden soll. Die Wünsche des Kindes sollten auf jeden Fall berücksichtigt werden,<br />
falls es den Kranken oder Sterbenden nicht mehr sehen will (11, 12). Wichtig ist es für beide,<br />
dass eine Beziehung aufrecht erhalten wird <strong>und</strong> den Beteiligten ermöglicht wird, miteinander<br />
in Kontakt kommen zu können. In der Auseinandersetzung mit diskrepanten Wünschen ist die<br />
Kreativität <strong>und</strong> Vermittlungsrolle der Betreuer gefordert, Entscheidungen sollten für alle<br />
Beteiligten tragbar sein. Gespräche über Krankheit <strong>und</strong> Tod sind für Kind <strong>und</strong> Kranken<br />
tröstlich (12). Auch Gespräche darüber, wie es nach dem Tod des Angehörigen weitergeht,<br />
sind wichtig. Es muss gewiss sein, dass das Leben des Kindes <strong>und</strong> der Familie weitergeht <strong>und</strong><br />
lebenswert bleibt, dass es Liebe empfangen wird <strong>und</strong> Betreuung hat wie bisher (12).<br />
Es geht viel an Gemeinsamkeit verloren. Die unbewussten Phantasien des Kindes müssen<br />
bedrohlich werden, wenn auf seine Vorbereitung auf den Tod eines nahen Angehörigen<br />
verzichtet wird. Verheimlichen <strong>und</strong> Verschweigen wirken auf das Kind wie eine Bestätigung,<br />
dass es nicht verdient hat, an der Sorge der Erwachsenen teilzunehmen, unter Umständen wie<br />
eine Bestätigung seiner Schuldphantasien (nach Leist, 12).<br />
Es sollten alle Anstrengungen getroffen werden, dem Wunsch des Patienten nach Autonomie<br />
(Selbstbestimmungsrecht) zu entsprechen. Mehr als die Hälfte aller terminal Kranken können<br />
die letzte Zeit ihres Lebens zuhause verbringen, wenn ein Betreuungssystem die notwendigen