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Trauerkiste und Co - Dr. Dietmar Weixler

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konnte mit. Immer wieder versuchte ich die Patientin <strong>und</strong> die Großmutter auf die momentane<br />

<strong>und</strong> die bevorstehende Situation aufmerksam zu machen, nannte Betreuungsmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> evt. psychologische Hilfestellung. Intuitiv musste ich in dieser Situation in meine Rolle<br />

als Mutter schlüpfen. „Was würden meine Kinder wollen?“. „Wie würden sie reagieren?“.<br />

„Wie könnte ich ihnen bzw. meiner Familie helfen?“. „Wer könnte ihnen helfen?“. „Was<br />

würde ich mir für meine Kinder für die Zukunft wünschen?“. „Was würde ich ihnen noch<br />

gerne mitgeben wollen?“. „Welche Schritte könnten unternommen werden, damit aus dem<br />

Verlust für sie keine längere Traumatisierung resultieren würde?“ Je mehr dieser Fragen ich<br />

mir stellte, desto wichtiger schien es mir, auf dieses Problem aufmerksam zu manchen.<br />

Zu dieser Zeit hatte ich zu diesem Thema einen rein persönlichen, emotionalen Zugang <strong>und</strong> es<br />

fehlte mir jegliche fachliche oder wissenschaftliche Information. Ich fühlte mich einfach als<br />

Anwalt dieser Kinder.<br />

In einem Nachdienst, wenige Tage vor dem Ableben der Patientin, hatte ich die Gelegenheit,<br />

mit dem Gatten ein sehr persönliches <strong>und</strong> ehrliches Gespräch zu führen. Dabei wies ich ihn<br />

auf die meiner Meinung nach bestehende Notwendigkeit hin, die Kinder über die Schwere der<br />

Erkrankung der Mutter aufzuklären <strong>und</strong> sie auf ihren nahenden Tod vorzubereiten. Im<br />

Rahmen dieses Gespräches konnte ich dem Mann dann auch eine Adresse für eine<br />

psychologische Beratungsstelle <strong>und</strong> verschiedene Kinderbetreuungseinheiten nennen <strong>und</strong> wir<br />

konnten gemeinsam ohne Scham über die verzweifelte Situation weinen. Am nächsten Tag im<br />

Stiegenhaus gestand mir jener Mann, dass er selbst den bevorstehenden Tod seiner Frau nie<br />

wahrhaben wollte <strong>und</strong> alles was damit verb<strong>und</strong>en war, vor sich hergeschoben hatte. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> konnte <strong>und</strong> wollte er sich mit den Kindern nicht auseinandersetzen <strong>und</strong> vertagte<br />

ein Gespräch mit ihnen stets auf den folgenden Tag.<br />

Dieses Erlebnis <strong>und</strong> die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Tod anderer<br />

lösten in mir neue Entwicklungen aus.<br />

Wenn Kinder von Geburt an halten <strong>und</strong> festhalten können, mit unserer Hilfe teilen, schenken<br />

<strong>und</strong> loslassen lernen, sind wir dann nicht auch verpflichtet, unsere Ängste <strong>und</strong> Unsicherheiten<br />

mit ihnen zu teilen? Können wir uns auf diese Weise nicht gemeinsam an das Thema Sterben<br />

<strong>und</strong> Tod heranwagen? Wenn wir den Tod als Teil unseres Lebens einbeziehen, <strong>und</strong> Verluste<br />

nicht unbedingt immer nur negativ sehen, kann das dann nicht für unser Leben eine ganz<br />

w<strong>und</strong>erbare Bereicherung sein. Für meine Kinder <strong>und</strong> mich sind Themen wie Verlust <strong>und</strong><br />

Endlichkeit absolut kein Tabu <strong>und</strong> unter diesem Blickwinkel nimmt so manches eine andere<br />

Wendung.

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