2012 - Ärztliche Weiterbildung in Sachsen-Anhalt
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Foto: fotolia, privat<br />
Quo vadis mediz<strong>in</strong>ische<br />
Versorgung?<br />
Quo vadis mediz<strong>in</strong>ische Versorgung, besser gesagt, gibt es<br />
e<strong>in</strong>en Weg um die mediz<strong>in</strong>ische Versorgung weiter zu<br />
sichern? Um diese Frage beantworten zu können, sollten wir<br />
kurz den Ist- Zustand analysieren. Wir haben e<strong>in</strong>e durchaus<br />
vernünftig gegliederte mediz<strong>in</strong>ische Versorgung. Mit dem<br />
Hausarzt, dem Lotsen, als Basisversorger. (Ich will anderen<br />
Fachrichtungen wie Gynäkologie, Pädiatrie..., die auch<br />
Basisversorgung leisten, nicht unerwähnt lassen.)<br />
Doch schon hier geht das ganze Desaster los. Wir schaffen<br />
es nicht, die immer größer werdenden Lücken zu schließen.<br />
Trotz Stipendium, trotz der immer besseren Integration der<br />
Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> der universitären Lehre, trotz Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong><br />
als Wahlfach im PJ... s<strong>in</strong>d wir sche<strong>in</strong>bar noch<br />
ke<strong>in</strong>en Schritt weiter gekommen.<br />
Wir hier <strong>in</strong> der Hansestadt Stendal können e<strong>in</strong>en <strong>Weiterbildung</strong>sverbund<br />
für die Ausbildung zum FA für Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong>,<br />
bezahlbaren Wohnraum, e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dergarten, der<br />
rund um die Uhr an 7 Tagen der Woche geöffnet ist, Bauland<br />
zu attraktiven Preisen, alle Schulformen (auch als Privatschulen),<br />
Theater, Musik und Kunstschule... vorweisen. Alle,<br />
vom Oberbürgermeister Klaus Schmotz angefangen, warten<br />
mit offenen Armen auf die Absolventen unserer Universitäten.<br />
(Auch Absolventen aus dem Norden, Osten, Westen<br />
und Süden s<strong>in</strong>d herzlich willkommen). Doch bisher ist die<br />
Resonanz ger<strong>in</strong>g. Woran kann es liegen: sicherlich nicht an<br />
den weichen Standortfaktoren (siehe oben), an den<br />
Regressen, die uns Niedergelassene immer wieder <strong>in</strong><br />
unseren Therapieentscheidungen bee<strong>in</strong>flussen sollen, an<br />
der Bürokratie, die immer mehr zunimmt, an der Existenzangst<br />
e<strong>in</strong>es Selbständigen, an der vielen Arbeit, den vielen<br />
Bereitschaftsdiensten...<br />
Alle diese Probleme kann man durch e<strong>in</strong>e Anstellung<br />
umgehen. Nur die viele Arbeit bleibt eben, auch wenn man<br />
dem Wunsch der Ärzte nachgehen möchte, nur halbe Tage<br />
arbeiten zu wollen, um mehr Zeit mit der Familie, Frau/<br />
Mann und K<strong>in</strong>dern zu verbr<strong>in</strong>gen.<br />
Wir werden auch weiterh<strong>in</strong> nicht verzagen, unsere ganze<br />
Kraft auf die Nachwuchsgew<strong>in</strong>nung zu richten. Haben wir<br />
nun genug FÄ für Allgeme<strong>in</strong>mediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Versorgung<br />
gelotst, kommt das nächste Problem auf uns zu oder ist<br />
schon da. Woh<strong>in</strong> mit den Patienten, wenn der Hausarzt<br />
nicht weiter weiß, zu unserem Kollegen, dem Facharzt für<br />
das Spezielle. Ist dieser zwar zahlenmäßig noch nicht so<br />
stark geschrumpft, ist auch er mit der Morbidität völlig überfordert.<br />
Nicht überfordert im eigentlichen S<strong>in</strong>ne, sondern die<br />
Wartezeiten summieren sich auf ungeahnte Dauer. Verstopft<br />
durch die Laienpresse, die jegliche Bef<strong>in</strong>dlichkeitsstörung<br />
durch e<strong>in</strong>en Arzt, am besten eben durch e<strong>in</strong> Spezialisten,<br />
abklären lassen soll, verstopft durch die Hausärzte, die mit<br />
Editorial<br />
den übergroßen Praxen an ihre zeitlichen und körperlichen<br />
Grenzen stoßen, die an der Behandlung von Bef<strong>in</strong>dlichkeitsstörungen<br />
(unserer <strong>in</strong>formierten Patienten) verzagen und<br />
zum Spezialisten überweisen, weil man eben nicht alles<br />
selbst ausschließen kann. Früher wurde diagnostiziert, heute<br />
schließen wir aus. Verstopft durch die Krankenhäuser, die <strong>in</strong><br />
immer kürzeren Zeiten immer mehr Patienten durch ihre<br />
Stationen schleusen und die Patienten zur Weiterbehandlung<br />
an die niedergelassenen Haus- und Fachärzte<br />
verweisen. Wie denn auch anders. Zur Freude jedes<br />
Ökonomen können nicht mehr alle ärztlichen Stellen besetzt<br />
werden, bzw. die Ärzte verschw<strong>in</strong>den im QM, <strong>in</strong> der Kodierung,<br />
<strong>in</strong> der Hygiene (e<strong>in</strong>e Wertung dieser D<strong>in</strong>ge liegt mir<br />
völlig fern).<br />
Das Krankenhaus lobt Stipendien aus, um schon frühzeitig<br />
Studenten an das Haus zu b<strong>in</strong>den. Die Studenten, sollten sie<br />
sich e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> die Prov<strong>in</strong>z verirren, werden gehegt und<br />
gepflegt <strong>in</strong> der Hoffnung, dass sie wieder kommen. Früher<br />
(vor 15 Jahren) war es so, das auf e<strong>in</strong>e Stelle 3 oder mehr<br />
Bewerber kamen, heuten kommen auf e<strong>in</strong>en Bewerber 10<br />
freie Stellen. Wo fangen wir nun an, an der Decke zu ziehen.<br />
Wer bekommt nun die Absolventen, die Universitäten, die<br />
Krankenhäuser <strong>in</strong> den großen Städten oder wir <strong>in</strong> der Fläche.<br />
Und sollten nun auch die reichen Länder (Bayern...)<br />
erkennen, dass sie e<strong>in</strong>en Ärztemangel haben könnten,<br />
reichen unsere Möglichkeiten zum Konkurrieren nicht aus.<br />
Gibt es e<strong>in</strong>e Lösung im großen. Ja. Wenn all die Gelder, die<br />
wir jetzt schon ausgeben um den Mangel an Ärzten zu<br />
m<strong>in</strong>dern, <strong>in</strong> die Universitäten <strong>in</strong>vestiert werden, damit mehr<br />
junge Menschen das Studium aufnehmen können, um <strong>in</strong>sgesamt<br />
mehr Ärzte für die Forschung und Praxis zu Verfügung<br />
zu haben. Sollte das Geld von Bund und Ländern nicht<br />
reichen, dann muss man eben auch über Studiengebühren<br />
nachdenken. Wenn sich der Absolvent nach dem Studium<br />
entscheidet, dorth<strong>in</strong> zu gehen, wo er gebraucht wird, können<br />
diese Gebühren ja erlassen werden.<br />
Solange wir alle nicht geme<strong>in</strong>sam nach e<strong>in</strong>em Weg oder<br />
vielen Wegen suchen, ohne uns gegenseitig die Ärzte<br />
wegzunehmen, uns weiter durch Politiker, Krankenkassen<br />
und Berufspolitiker ause<strong>in</strong>ander dividieren lassen, kann es<br />
ke<strong>in</strong>e Lösung geben. Sollten wir dieses Problem nicht lösen<br />
können, wird die Anzahl derer, die die mediz<strong>in</strong>ische Versorgung<br />
den Kräften des Marktes überlassen<br />
wollen, immer größer...<br />
Seit dem Schreiben dieses Artikels ist<br />
wieder wertvolle Zeit verstrichen....<br />
Dr. med. Jörg Böhme, Stendal<br />
Ärzteblatt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 23 (<strong>2012</strong>) 10 5