30.01.2013 Aufrufe

2012 - Ärztliche Weiterbildung in Sachsen-Anhalt

2012 - Ärztliche Weiterbildung in Sachsen-Anhalt

2012 - Ärztliche Weiterbildung in Sachsen-Anhalt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

magesponserter Information geschlossen werden, dass mit<br />

dem Pharmasponsor<strong>in</strong>g wirtschaftliche Ziele verfolgt<br />

werden. E<strong>in</strong> positiver E<strong>in</strong>fluss pharmaf<strong>in</strong>anzierter Fortbildung<br />

auf das Verhalten von Ärzten läßt sich nicht zeigen.<br />

Betrachtet man die Erweiterung und die Aktualisierung ärztlicher<br />

Kenntnisse und Kompetenzen zum Nutzen der Patienten<br />

als Ziel der Fortbildung, so wird dies durch Pharmasponsor<strong>in</strong>g<br />

nicht unterstützt.<br />

Davon ausgehend, dass sich die Kosten des Pharmasponsor<strong>in</strong>gs<br />

<strong>in</strong> den Medikamentenkosten wiederf<strong>in</strong>den, geht dieses<br />

Sponsor<strong>in</strong>g letztlich zu Lasten der Beitragszahler, der Patienten.<br />

Diskussion<br />

Die Recherche förderte neben den bereits genannten Ergebnissen<br />

die Erkenntnis zu Tage, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe westlicher<br />

Länder, allen voran die USA und Großbritannien, neben<br />

e<strong>in</strong>em Problembewußtse<strong>in</strong> für die Wechselwirkungen<br />

zwischen Industrie und Arzt auch Zahlen existieren, die das<br />

Engagement der Industrie zeigen. Solche Zahlen, wie z.B.<br />

die Summe der von der Industrie für Ärztefortbildung aufgewendeten<br />

Mittel, gibt es für Deutschland nicht. So ist auch<br />

die genaue Zahl der pharmaf<strong>in</strong>anzierten Fortbildungen <strong>in</strong><br />

<strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und bundesweit unbekannt. Soweit der<br />

Autor dies überblickt, dürfte die Mehrzahl der Vortragsveranstaltungen<br />

und e<strong>in</strong> Teil der Qualitätszirkel von der<br />

Pharma-Industrie „unterstützt“ werden. Aus Sicht der Industrie<br />

ist diese Unterstützung nachvollziehbar, geben solche<br />

Veranstaltungen den Firmen die Möglichkeit, für ihre<br />

Produkte zu werben. Dass diese Werbung auch <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong>-<br />

<strong>Anhalt</strong> sehr gut funktioniert, zeigen z.B. die Verordnungszahlen<br />

zu neuen Medikamenten wie z.B. den DPP4-<br />

Hemmern („Glipt<strong>in</strong>e“). Ohne, dass es auch nur e<strong>in</strong>en<br />

H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e günstige Bee<strong>in</strong>flussung patientenrelevanter<br />

Endpunkte (Dialyse, Infarkt, Amputation) durch diese<br />

Sub stanzen gibt, steigen die Verordnungszahlen stetig. Die<br />

Verordnungskosten für alle Glipt<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />

stiegen vom I. Quartal 2010 von 836.177,05 EUR auf<br />

1.818.301,81 EUR im IV. Quartal 2011. 11 Wie anders als<br />

durch Werbung und Market<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d solche Zahlen zu<br />

erklären? Mit Studienergebnissen zu Endpunkten def<strong>in</strong>itiv<br />

nicht. Aus Sicht der Ärzte ist e<strong>in</strong>e Organisation von Fortbildung<br />

durch die Industrie bequem. Thema, Ort und Referent<br />

werden vorgegeben, man muss nur noch h<strong>in</strong>gehen, an den<br />

Barcode-Aufkleber denken und es w<strong>in</strong>ken nach pflichtgemäßem<br />

Frontalvortrag Fortbildungspunkte, Geselligkeit und<br />

vielleicht e<strong>in</strong>e warme Mahlzeit. Zum Abschied gibt es<br />

Klebezettel und Kugelschreiber. Alles ohne Kosten für den<br />

Arzt.<br />

Dass es dabei um Werbung geht, ist den meisten Ärzten klar,<br />

allerd<strong>in</strong>gs ist auch die Ansicht sehr verbreitet, man selbst sei<br />

nicht manipulierbar. Dabei ist der Mechanismus, wie solche<br />

Manipulationen funktionieren bekannt, zum<strong>in</strong>dest außerhalb<br />

derÄrzteschaft: Das Reziprozitätspr<strong>in</strong>zip. Wie das ganz<br />

praktisch funktioniert, haben GRANDE et al 2009<br />

beschrieben. 12 Schon alle<strong>in</strong> der Präparatename auf e<strong>in</strong>em<br />

58 Ärzteblatt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 23 (<strong>2012</strong>) 10<br />

Klemmbrett oder e<strong>in</strong>em Notizzettel hatte hier E<strong>in</strong>fluss auf<br />

die Bewertungen der Präparate.<br />

Unbestreitbar gibt es auch pharmaf<strong>in</strong>anziert gute Referate.<br />

Aber brauchen diese Vorträge und die Referenten die<br />

Pharma-Industrie für ihre Qualität?<br />

Zusammenfassung<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e Belege, dass Pharma-Sponsor<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der ärztlichen<br />

Fortbildung für die Ärzte von Nutzen ist. H<strong>in</strong>gegen gibt<br />

es H<strong>in</strong>weise, dass Verordnungsfrequenz und -kosten steigen,<br />

die Verschreibungsqualität s<strong>in</strong>kt. Pharmaf<strong>in</strong>anzierte Fortbildungen<br />

dienen aus Sicht der Firmen Market<strong>in</strong>g- und Werbezwecken,<br />

die dabei gelieferten Informationen s<strong>in</strong>d fehleranfällig.<br />

Es ist nicht plausibel, wie von der Industrie bezahlte Fortbildungen<br />

frei von kommerziellen Interessen se<strong>in</strong> können.<br />

Ärzte geben ohne Not Teile ihrer Autonomie an die Industrie<br />

ab. Insbesondere bei den niedergelassenen Ärzten steht hier<br />

die Frage nach der Vere<strong>in</strong>barkeit mit dem Anspruch als Freiberufler.<br />

E<strong>in</strong>e Notwendigkeit materieller Unterstützung ärztlicher<br />

Fortbildung ist nicht erkennbar.<br />

Schlußfolgerungen<br />

Für Fortbildungen, die von der Industrie „unterstützt“<br />

werden, dürften ke<strong>in</strong>e Fortbildunsgpunkte vergeben werden.<br />

Parallel ist zu überlegen, die geforderte Punktzahl zu senken.<br />

Die Regularien hierzu s<strong>in</strong>d zwar vorhanden, aber widersprüchlich.<br />

Die Kammern s<strong>in</strong>d gefordert, hier für klare<br />

Verhältnisse zu sorgen.<br />

Ilja Karl, Hausarzt<br />

Interessenkonflikt: Der Autor erhält für die Moderation e<strong>in</strong>es (pharmafreien)<br />

Qualitätszirkels e<strong>in</strong>e Aufwandsentschädigung der KVSA,<br />

Vortragshonorare der Rosa-Luxemburg-Stiftung <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> und<br />

teilnehmerf<strong>in</strong>anziertes Honorar beim Sem<strong>in</strong>arkongress „Practica“.<br />

1 www.gesetze-im-<strong>in</strong>ternet.de/sgb_5/_95d.html<br />

2 www.aeksa.de/80download/10rechtsquellen/20ordnungen_satzungen/010Beruf<br />

sordnung/010berufsordnung.pdf<br />

3 www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=1.102.104#Wirtschaftliche<br />

4 www.aeksa.de/80download/10rechtsquellen/20ordnungen_satzungen/040Fortb<br />

ildung/310Richtl<strong>in</strong>ie_Zertifikat.pdf<br />

5 www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/advanced<br />

6 Spurl<strong>in</strong>g GK, Mansfield PR, Montgomery BD, Lexch<strong>in</strong> J, Doust J, Othman N, Vitry<br />

AI.Information from pharmaceutical companies and the quality, quantity, and cost<br />

of physician‘s prescrib<strong>in</strong>g:a systematic review.PLoS Med 7(10):e1000352.<br />

doi:10.1371/journal.pmed.1000352<br />

7 Straand J, Christensen J: Quality of pharma rep meet<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> general practice.<br />

Tidsskr Nor Laegeforen. 2008;128(5):555-7<br />

8 Lichter PR. CME, Physicians, and Pavlov:Can we change what happens when<br />

<strong>in</strong>dustry r<strong>in</strong>gs the bell? Trans Am Ophthalmol Soc. 2008; 106:39-45<br />

9 Lexch<strong>in</strong> J. Interactions between physicians and the pharmaceutical <strong>in</strong>dustry:What<br />

does the literature say? CMAJ.1993;149(10):1401-7<br />

10 Tabas JA, Boscard<strong>in</strong> C, Jacobson DM, Ste<strong>in</strong>man MA, Volberd<strong>in</strong>g PA, Baron RB.<br />

Cl<strong>in</strong>ician attitudes about commercial support of cont<strong>in</strong>u<strong>in</strong>g medical education. Arch<br />

Intern Med. 2011;171(9):840-846<br />

11 Persönliche Information KVSA<br />

12 Grande D, Frosch DL, Perk<strong>in</strong>s AW, Kahn BE. Effect of exposure to small pharmaceutical<br />

items on treatment preferences. Arch Intern Med.2009;169(9):887-93

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!