2012 - Ärztliche Weiterbildung in Sachsen-Anhalt
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Brauchen wir pharmaf<strong>in</strong>anzierte Fortbildung?<br />
H<strong>in</strong>tergrund<br />
Wer als Arzt <strong>in</strong> Deutschland tätig ist,<br />
hat die Pflicht, sich fortzubilden.<br />
Diese Verpflichtung ist <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Normen geregelt. Im § 95d des<br />
SGB V hat der Gesetzgeber den<br />
„Vertragsarzt“ (und ermächtigte Ärzte,<br />
sowie Angestellte) verpflichtet, „sich <strong>in</strong><br />
dem Umfang fortzubilden, wie es zur<br />
Erhaltung und Fortentwicklung der zu<br />
se<strong>in</strong>er Berufsausübung <strong>in</strong> der vertragsärztlichen<br />
Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse<br />
notwendig ist.“ 1 In der Berufsordnung<br />
der Ärztekammer <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong><br />
heißt es <strong>in</strong> § 4:“(1) Der Arzt, der se<strong>in</strong>en<br />
Beruf ausübt, ist verpflichtet, sich <strong>in</strong> dem<br />
Umfange beruflich fortzubilden, wie es<br />
zur Erhaltung und Entwicklung der zu<br />
se<strong>in</strong>er Berufsausübung erforderlichen<br />
Fachkenntnisse notwendig ist.“ 2<br />
Die Bundesärztekammer empfiehlt zur<br />
Gestaltung ärztlicher Fortbildung: „Fortbildungs<strong>in</strong>halte<br />
müssen unabhängig von kommerziellen<br />
Interessen se<strong>in</strong>.“ 3 Daneben werden jedoch Bed<strong>in</strong>gungen<br />
genannt, die bezüglich des Sponsor<strong>in</strong>gs und der<br />
Verb<strong>in</strong>dungen der Referenten zur Industrie e<strong>in</strong>zuhalten<br />
s<strong>in</strong>d. Wie „Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen“<br />
und Sponsor<strong>in</strong>g zusammen passen, erklärt die Bundesärztekammer<br />
nicht. Die Annahme, dass Unternehmen der Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />
mit dem Sponsor<strong>in</strong>g von Fortbildung ke<strong>in</strong>e<br />
unternehmerischen Ziele verfolgten, ist unter den gegebenen<br />
ökonomischen Bed<strong>in</strong>gungen nicht nachvollziehbar.<br />
Die Ärztekammer <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> formuliert <strong>in</strong> ihrer „Richtl<strong>in</strong>ie<br />
zur Fortbildungszertifizierung“ als Ziel ärztlicher Fortbildung<br />
den „Erhalt, die Erweiterung und Aktualisierung der<br />
<strong>in</strong> der Aus- und <strong>Weiterbildung</strong> erworbenen Kompetenzen<br />
zum Nutzen der Patienten und zur Förderung der Gesundheit.“<br />
4 Als „Grundsätzlich nicht anerkennungsfähig“ werden<br />
<strong>in</strong> dieser Richtl<strong>in</strong>ie solche Fortbildungsveranstaltungen<br />
genannt, „bei denen die Firmen- und Produktneutralität<br />
nicht gewährleistet ist...“<br />
Vor diesem Regelungsh<strong>in</strong>tergrund stellen sich folgende<br />
Fragen:<br />
1. Kann pharmaf<strong>in</strong>anzierte Fortbildung frei von kommerziellen<br />
Interessen se<strong>in</strong>?<br />
2. Welchen E<strong>in</strong>fluss hat Pharmasponsor<strong>in</strong>g auf Inhalte von<br />
Fortbildungen und das Verhalten der Ärzte?<br />
3. Ist Pharmasponsor<strong>in</strong>g nötig, damit ärztliche Fortbildung<br />
ihre Ziele erreicht?<br />
56 Ärzteblatt <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> 23 (<strong>2012</strong>) 10<br />
Methoden<br />
Zur Beantwortung dieser Fragen<br />
wurden Recherchen zu Verb<strong>in</strong>dung<br />
von Pharma-Industrie und Fortbildung<br />
<strong>in</strong> PubMed durchgeführt. 5<br />
Zunächst wurde ohne E<strong>in</strong>schränkungen<br />
nach den Begriffen „drug<br />
companies“ UND „CME“ gesucht.<br />
Die Suche ergab 11 Treffer, von denen nach<br />
Aussortieren von Arbeiten ohne Bezug<br />
zur Fragestellung drei Arbeiten <strong>in</strong> die<br />
Auswertung gelangten.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Suche wurde mit den Suchbegriffen<br />
„quality of <strong>in</strong>formation“ UND<br />
„pharma“ ohne E<strong>in</strong>schränkungen geführt.<br />
Aus den 44 resultierenden Arbeiten lässt<br />
sich e<strong>in</strong>e relevante Arbeit extrahieren.<br />
Die aus den Suchergebnissen als relevant<br />
extrahierten Arbeiten wurden <strong>in</strong> ihren<br />
Quellenverzeichnissen nach weiteren<br />
Quellen durchsucht. Ergänzt wurden die<br />
Ergebnisse der Suche um Arbeiten, die <strong>in</strong> der<br />
Bibliothek des Autors bereits vorhanden waren.<br />
Die Ergebnisse der Recherche s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Tabelle 1 aufgeführt.<br />
Ergebnisse<br />
Im Ergebnis der Recherche lassen sich folgende Aussagen<br />
zur Wechselwirkung von Pharma<strong>in</strong>dustrie und ärztlicher<br />
Fortbildung treffen:<br />
1. E<strong>in</strong>e Verbesserung der Verordnungsqualität durch<br />
Pharma-Sponsor<strong>in</strong>g ärztlicher Fortbildung ist nicht<br />
nachweisbar. 6<br />
2. Es gibt H<strong>in</strong>weise auf häufigere, teurere und unangemessene<br />
Verordnungen <strong>in</strong> der Folge pharmaf<strong>in</strong>anzierter<br />
Fortbildung.<br />
3. Informationen der Pharma-Industrie zu ihren Produkten<br />
s<strong>in</strong>d Bestandteil von Market<strong>in</strong>g und Werbung und als<br />
solche oft lückenhaft. 7<br />
4. Pharmasponsor<strong>in</strong>g beschädigt die ärztliche Autonomie<br />
<strong>in</strong> der Fortbildung. 8<br />
5. Ärzte werden <strong>in</strong> ihrem Verhalten durch Pharmasponsor<strong>in</strong>g<br />
bee<strong>in</strong>flusst. 9<br />
6. Ärzte erkennen die Gefahr verzerrter Information, s<strong>in</strong>d<br />
aber überwiegend nicht bereit, für Fortbildung zu<br />
bezahlen. 10<br />
E<strong>in</strong>e direkte Antwort auf die o.g. Frage, ob pharmaf<strong>in</strong>anzierte<br />
Fortbildung frei von kommerziellen Interessen se<strong>in</strong><br />
kann, f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den recherchierten Arbeiten nicht. fotolia<br />
Gleichwohl kann <strong>in</strong>direkt aus den Veränderungen des<br />
Verordnungsverhaltens und aus der Lückenhaftigkeit phar-Foto: