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Deutsche Grammatik (de Gruyter Lexikon)

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Progressiv<br />

Be<strong>de</strong>utung<br />

Die grammatische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Progressivs ist aspektueller Art und lässt<br />

sich in allgemeiner Form als ‚im Verlauf befindlich‘ beschreiben. In <strong>de</strong>n<br />

überregionalen Varietäten ist die Be<strong>de</strong>utung als ‚zeitlich abgegrenzter und in<br />

<strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund gebrachter Verlauf‘ zu <strong>de</strong>finieren, und zwar im Gegensatz<br />

zu einer <strong>de</strong>nkbaren (aber eben nicht gemeinten) allgemeinen Gültigkeit <strong>de</strong>r<br />

Verbalhandlung o<strong>de</strong>r zu einer unbegrenzten Dauer. Die bei<strong>de</strong>n Merkmale<br />

‚abgegrenzt‘ und ‚im Vor<strong>de</strong>rgrund‘ erklären auch, warum beispielsweise am<br />

Schlafen sein sowohl in regionalen als auch in standardnahen Varietäten vorkommt,<br />

während in keiner Varietät <strong>de</strong>s <strong>Deutsche</strong>n Formen wie *am Liegen<br />

sein o<strong>de</strong>r *am Bleiben sein möglich sind. Zwar bringen liegen und bleiben genauso<br />

wie schlafen eine bestimmte Dauer zum Ausdruck, die auch durchaus<br />

im Vor<strong>de</strong>rgrund stehen kann, jedoch nicht gleichzeitig als begrenzter Zeitblock.<br />

Kennzeichnend für die Be<strong>de</strong>utungsstruktur <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschen Progressivs ist,<br />

dass aspektuelle Oppositionspartner fehlen, d. h. dass <strong>de</strong>r Progressiv in kein<br />

grammatisches Paradigma integriert ist. Der natürliche Oppositionspartner<br />

<strong>de</strong>s Progressivs in einem solchen Paradigma wären die einfachen Tempusformen,<br />

die hier einfach als „Nicht-Progressiv“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n sollen. Der<br />

Nicht-Progressiv kann <strong>de</strong>n Progressiv immer ersetzen, so dass keine sich gegenseitig<br />

ausschließen<strong>de</strong> Opposition vorliegt:<br />

284<br />

Ich bin immer noch am Überlegen, was ich machen soll.<br />

Ich überlege immer noch, was ich machen soll.<br />

Für <strong>de</strong>n Verlauf einer Verbalhandlung sind bei<strong>de</strong> Formen verwendbar, nur<br />

ist <strong>de</strong>r Progressiv in dieser Hinsicht explizit und signalisiert <strong>de</strong>n Verlauf,<br />

während <strong>de</strong>r Verlaufscharakter beim Nicht-Progressiv nur aus <strong>de</strong>m Kontext<br />

abzuleiten ist (z. B. aus immer noch).<br />

Gebrauch und Merkmale in <strong>de</strong>n Varietäten <strong>de</strong>s <strong>Deutsche</strong>n<br />

Obgleich umfangreiche Erhebungen zu Gebrauch und Verbreitung <strong>de</strong>s Progressivs<br />

nicht vorliegen, kann festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass <strong>de</strong>r Progressiv in keiner<br />

Varietät <strong>de</strong>s <strong>Deutsche</strong>n obligatorisch zu sein scheint. Frequenz und syntaktische<br />

Bildungsmöglichkeiten schwanken erheblich. Der Progressiv ist<br />

in <strong>de</strong>r Schweiz und im Rheinland ausgesprochen häufig und weist in diesen<br />

Regionen auch innovative Gebrauchsmöglichkeiten auf, insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n<br />

Gebrauch eines vom Verb im Progressiv abhängigen Akkusativobjekts. Im<br />

Schweizer Hoch<strong>de</strong>utsch, wie man es etwa in Schweizer Tageszeitungen antrifft,<br />

kommen entsprechend nicht nur mehr Progressive vor als in <strong>de</strong>r bun-

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