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dankbar für die Früchte der natur

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ForTseTZungsromAn 5./6. Oktober 2013 / Nr. 40<br />

Junge drehte sich<br />

um. „Einen Fisch?“<br />

40Der<br />

fragte er ungläubig.<br />

„Ja, ich kenne einen Fischer, und<br />

zu dem wollte ich gerade gehen.<br />

Vielleicht hat er was gefangen und<br />

gibt mir etwas.“<br />

Der Junge schien interessiert und<br />

schloss sich Ursula an.<br />

„Gehst du alleine nach Jerusalem?“<br />

wollte Ursula von ihm wissen.<br />

„Nein, meine ganze Familie ist auf<br />

dem Weg.“<br />

„Wo kommt ihr her?“<br />

„Aus dem Frankenland. Doch<br />

dort gab es nichts mehr zu essen. Das<br />

letzte Jahr war schlecht, und unsere<br />

Herren forderten immer mehr von<br />

uns, da sie in Fehde mit ihren Nachbarn<br />

lagen. Die Soldaten des Nachbarn<br />

haben dann unseren Hof angezündet,<br />

und nun haben wir gar<br />

nichts mehr“, gab der Junge bereitwillig<br />

Auskunft. Und bevor Ursula<br />

ihn etwas fragen konnte, fuhr er fort:<br />

„Dann kam ein Mönch in das Dorf<br />

und erzählte uns von dem Auftrag an<br />

alle Christenmenschen und dass wir<br />

alles, was wir auf dem Weg nach Jerusalem<br />

erbeuten, unser Eigen nennen<br />

dürfen. Wir sind sofort losgezogen,<br />

und mit Gottes Hilfe werden<br />

wir reich im Morgenland.“ Die Augen<br />

des Jungen strahlten bei seiner<br />

Rede so hoffnungsvoll, dass Ursula<br />

ihm nicht widersprechen mochte.<br />

„Vor zwei Wochen waren wir in<br />

einem Dorf, und als man uns verjagen<br />

wollte, haben wir alle erschlagen.<br />

Da haben wir einiges zu essen gehabt,<br />

das ist aber seit vier Tagen verbraucht.<br />

In dem Dorf gab es auch<br />

einen Schmied, und nun habe ich<br />

sogar ein eigenes Schwert“, fuhr der<br />

Knabe fort, und Ursula bemerkte die<br />

Waffe, die der Junge am Gürtel trug<br />

und deren Griff er beständig nach<br />

unten drückte, damit die blanke<br />

Spitze des Schwertes nicht über den<br />

Boden kratzte.<br />

Am Ufer angekommen, sah sie Jakob<br />

nicht weit vom Ufer in seinem<br />

Kahn. Sie rief ihn, und er kam auch<br />

gleich zu ihr gerudert.<br />

„Jakob, na, hast du etwas gefangen?“<br />

begrüßte Ursula den Fischer.<br />

„Ja, ich hatte Glück“, gab dieser<br />

zur Antwort, fragte aber gleich misstrauisch<br />

nach Ursulas Begleiter.<br />

„Und wer ist der da?“<br />

„Einer, der mit seiner Familie auf<br />

Pilgerfahrt ist“, antwortete Ursula.<br />

„Jakob, sie haben nichts zu essen,<br />

kannst du einen deiner Fische entbehren?“<br />

„Ich schenke dir einen, Ursula“,<br />

erwiderte der Fischer und hob einen<br />

zappelnden, silbrig glänzenden Fisch<br />

vom Boden seines Kahns auf. „Du<br />

kannst damit machen, was du willst.<br />

Aber beeil dich, sonst haben wir<br />

gleich eine Menge Pack am Hals, das<br />

nicht lange bittet.“<br />

Ursula verstand, gab dem Jungen<br />

Hin- und hergerissen zwischen<br />

dem Wunsch, bei<br />

der Befreiung Jerusalems<br />

alle Sünden loszuwerden,<br />

und den Zweifeln, ob<br />

die Fahrt mit den Flößern<br />

eine gute Entscheidung<br />

sei, sieht sich<br />

Ursula in der großen<br />

Zelt stadt der Pilger um.<br />

Sie sieht Armut und Elend.<br />

Ein Knabe fragt sie nach Brot.<br />

Ursula hat Mitleid und stellt ihm<br />

einen Fisch in Aussicht.<br />

schnell den Fisch und stieg ins Boot.<br />

Als sie sich umdrehte, sah sie, wie<br />

der Junge die Gabe in sein Hemd<br />

schob und mit der so versteckten<br />

Beute eilig loslief. Jakob sah zu, dass<br />

sie schnell wieder vom Ufer in die<br />

Strommitte kamen. Im Gegensatz zu<br />

Ursula hatte er schon einige Köpfe<br />

ausgemacht, die sich ihnen zugewandt<br />

hatten und deren Augen begierig<br />

auf das Boot schielten.<br />

„Und hattest du Erfolg?“ fragte er<br />

Ursula nun, da er sie außer Gefahr<br />

wusste.<br />

„Wie man’s nimmt. Es ist ein<br />

Haufen armer Leute da, kaum bewaffnet<br />

und ohne viel Hab und Gut.<br />

Ich habe den Eindruck, die leben<br />

von der Hand in den Mund und von<br />

alldem, was sie finden und ergaunern<br />

können. Sie alle hoffen auf Gottes<br />

Vergebung und auf Wohlstand durch<br />

Beute.“ Ursula war enttäuscht von<br />

allem, was sie gesehen hatte. Doch<br />

was hatte sie sich erhofft? Hilde und<br />

ihr ging es doch kaum anders – und<br />

doch beschlich sie das Gefühl, es wäre<br />

nicht gut, sich den Pilgern anzuschließen.<br />

Am Stadtufer angekommen, half<br />

sie Jakob, die gefangenen Fische in<br />

einem Korb zu verstauen, und gemeinsam<br />

trugen sie den Fang zur<br />

Hütte. Dort wartete bereits eine ungeduldige<br />

Hilde.<br />

Ursula sah ihr gleich an, dass sie<br />

bessere Laune hatte. Ihre Züge hatten<br />

die gewohnte Gutmütigkeit wiedergewonnen,<br />

und in ihren Augen<br />

konnte man ein unternehmenslustiges<br />

Blinken wahrnehmen.<br />

„Da kommt sie ja, meine Rumtreiberin“,<br />

rief sie Jakob und ihr entgegen.<br />

„Was bringt ihr? Einen Korb<br />

voll Neuigkeiten?“<br />

Foto: akg-images/<br />

Erich Lessing<br />

Das Scherzen Hildes unterstrich<br />

Ursulas Eindruck von der Freundin.<br />

Gemeinsam begaben sie sich in Jakobs<br />

Hütte. Seine Frau nahm die Fische<br />

in Empfang und begann sofort<br />

damit, sie auszunehmen und zu<br />

schuppen. Danach zog sie eine Stange<br />

durch die Kiemen der Fische und<br />

hängte sie über das Herdfeuer in den<br />

Rauch. Beim Feuer stand auch ein<br />

Kessel mit dampfendem Sud, aus<br />

dem Ursula sogleich die Kräuter riechen<br />

konnte. Durstig schöpfte sie<br />

sich etwas davon in einen Becher<br />

und setzte sich an den Tisch. Auch<br />

Jakob und Hilde bedienten sich und<br />

setzten sich dazu.<br />

„Na, du Kundschafterin“, hob<br />

Hilde an. „Was hast du herausgefunden?“<br />

„Nichts wirklich Gutes“, antwortete<br />

Ursula, und Resignation schwang<br />

in ihrer Stimme mit. „Die Leute drüben<br />

sind größtenteils schlechter dran<br />

als wir. Der Zug besteht fast nur aus<br />

armen Teufeln, die ins Himmelreich<br />

wollen. Sie haben kaum Waffen und<br />

ganz wenig zu essen. Ich fürchte,<br />

wenn wir uns denen anschließen,<br />

fallen sie als erstes über unsere Vorräte<br />

her. Ohne bewaffneten Schutz<br />

sind wir den hungrigen Mäulern<br />

einfach ausgeliefert.“<br />

„Na, da habe ich allerdings bessere<br />

Nachrichten.“ Hilde schlürfte ihr<br />

Getränk und wartete genüsslich, die<br />

Neugierde Ursulas auskostend.<br />

„Erzähl schon“, drängte Ursula<br />

ungeduldig.<br />

„Ich habe in der Stadt mit einigen<br />

Wallfahrern aus dem Gefolge des<br />

Grafen Emicho geredet. Sie werden<br />

die Donau entlang weiterziehen,<br />

durch das Land der Ungarn und<br />

dann nach Süden auf die Straße nach<br />

Konstantinopel. Der Haufen, der<br />

bereits unterwegs ist, sind Leute, die<br />

von Clermont und aus anderen Städten,<br />

berauscht von den Reden des<br />

Einsiedlers, sofort losgezogen sind.<br />

Es werden aber auch Ritterheere<br />

kommen. Ich konnte erfahren, dass<br />

ein Bischof und Grafen aus dem<br />

Frankenreich sich dem Papst zu Füßen<br />

geworfen haben und baten, die<br />

Reise antreten zu dürfen. Sie werden<br />

ihre Heere versammeln und dann<br />

losziehen. Sie werden aber nicht<br />

hierher kommen, sondern andere<br />

Wege gehen oder sogar mit Schiffen<br />

fahren. Doch alle müssen zuerst nach<br />

Konstantinopel.“<br />

„Und was bedeutet das?“ Ursula<br />

konnte Hildes Gedanken nicht<br />

gleich folgen.<br />

„Das bedeutet, dass wir es nicht<br />

eilig haben. Dem plündernden Pöbel<br />

brauchen wir nicht zu folgen. In seiner<br />

Spur werden wir nur Elend finden<br />

und sicherlich nichts verdienen<br />

können. Aber wir werden in Konstantinopel<br />

sein, wenn die Ritter dort<br />

ankommen. Von ihnen können wir<br />

uns Schutz und Geschäfte erhoffen.“<br />

„Aber wie kommen wir nach Konstantinopel?“<br />

Ursula verstand Hildes<br />

Optimismus noch immer nicht.<br />

„Wir werden mit dem Flößer fahren“,<br />

eröffnete Hilde ihr endlich.<br />

„Ich habe einen Rat der Stadt getroffen,<br />

und der war bereit, mir für den<br />

Platz, an dem unser Haus stand, eine<br />

gute Summe zu geben. Wenn der<br />

Flößer klug ist, nimmt er von uns<br />

Geld und lässt uns mitfahren.“ Hilde<br />

strahlte über ihr ganzes Gesicht.<br />

„Ursula, liebe gute Ursula, wir<br />

werden unser Glück machen, und all<br />

unsere Sünden werden uns vergeben.<br />

Gott zeigt uns den Weg. Alles wird<br />

gut“, endete sie ihre Rede und umarmte<br />

Ursula stürmisch.<br />

„Ihr wisst noch nicht, wie die Flößer<br />

entschieden haben“, versuchte<br />

Jakob die beiden Freundinnen zu<br />

bremsen. „Lasst uns auf Bertram<br />

warten, und bis dahin hat mein Weib<br />

uns sicherlich auch etwas zu essen<br />

bereitet.“<br />

Als Bertram an die Tür klopfte,<br />

waren sie schon fast fertig mit Essen.<br />

Der Flößer schaute etwas mürrisch,<br />

doch seine Miene erhellte sich, als<br />

Jakobs Frau ihm auch eine Schale<br />

Eintopf vorsetzte.<br />

DIE KREUZFAHRERIN<br />

Stefan Nowicki<br />

Gebunden, 384 S.<br />

Sankt Ulrich Verlag<br />

19,95 EUR<br />

Fortsetzung folgt

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