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mITeInAnder 5./6. Oktober 2013 / Nr. 40<br />
Tipp<br />
Behinderten mit<br />
Respekt begegnen<br />
der Paartherapeut und Buchautor<br />
Hans Jellouschek vergleicht die<br />
Phasen der Ehe mit den vier Jahreszeiten:<br />
Da ist der Frühling der Liebe<br />
des frisch verliebten Paares, der<br />
Sommer der Fürsorge, der mit der<br />
Eheschließung und der Gründung<br />
einer Familie beginnt, der Herbst,<br />
der Phase der Lebensmitte und<br />
schließlich der Winter, bei dem es<br />
gilt, sich zu versöhnen und auf den<br />
Abschied einzustellen.<br />
Wie sieht der Herbst der Ehe aus?<br />
Kann es für ein Paar einen „goldenen<br />
Oktober“ geben? Welche Herausforderungen<br />
kommen auf die Partnerschaft<br />
in der Lebensmitte zu und wie<br />
können sie hilfreich für beide bewältigt<br />
werden? Jetzt sind in der Regel<br />
die erwachsenen Kinder ausgezogen<br />
und auf sich selbst gestellt. Möglicherweise<br />
stehen jedoch andere familiäre<br />
Aufgaben an: da ist die erkrankte<br />
Mutter, die gepflegt werden muss,<br />
die Enkel, die von Oma und Opa<br />
betreut werden möchten. Die Fürsorge<br />
bezieht sich jetzt auf andere Familienmitglieder<br />
als auf die eigenen<br />
Kinder und der erwartete Freiraum<br />
wird wiederum beschränkt.<br />
sich aufeinander beziehen<br />
Wenn ein Paar sich während der<br />
Familienphase emotional verloren<br />
hat, wenn kaum mehr Nähe empfunden<br />
werden kann, besteht die Gefahr,<br />
dass die Aufgaben für andere zu<br />
viel Raum einnehmen und sich das<br />
Paar noch mehr entfremdet. Denn<br />
nun wäre Zeit, sich wieder ganz aufeinander<br />
zu beziehen. Möglicherweise<br />
dauert es eine gewisse Zeit,<br />
bis das Paar sich an das Leben ohne<br />
die alltäglichen Sorgen für und mit<br />
den Kindern gewöhnt. Doch gerade<br />
dies gilt es nun umzusetzen: Zeit für<br />
Zweisamkeit – ohne Alltagsstress.<br />
Die Phase der Lebensmitte bedeutet<br />
für jeden einzelnen Menschen,<br />
sich mit nicht oder bisher nicht gelebtem<br />
Leben auseinanderzusetzen.<br />
Da ist Thomas enttäuscht, dass er<br />
sich nie den Traum vom Reisen in<br />
ein unbekanntes Land erfüllt hat und<br />
seine Frau Anna erkennt, dass sie all<br />
die Jahre nur für die Kinder, für ihren<br />
beziehungsweise<br />
In einem milden Licht<br />
Der Herbst als Phase der Ehe – Zusammengehörigkeit neu entdecken<br />
Ein älteres Paar muss sich nicht mehr beweisen.<br />
Mann, für Haus und Garten da war<br />
und ihre eigene berufliche Entwicklung<br />
vernachlässigt hat. Wenn es den<br />
beiden gelingt, darüber ins Gespräch<br />
zu kommen, können sie einander<br />
wieder näher kommen. Wenn sich<br />
beide für die Träume und Sehnsüchte<br />
des anderen interessieren, werden<br />
sie sich dadurch tief berühren und<br />
das Gefühl von Zusammengehörigkeit<br />
wieder ganz neu erfahren.<br />
Thomas reagiert überaus glücklich,<br />
als er von Anna erfährt, dass sie ihn<br />
gerne auf einer Reise begleiten würde<br />
und Anna ist froh und dankbar,<br />
dass Thomas sie ermutigt, sich über<br />
eine mögliche berufliche Tätigkeit zu<br />
informieren. Durch dieses einander<br />
ernst nehmen in den Bedürfnissen,<br />
Wünschen und Sehnsüchten, kann<br />
die Liebe zueinander neu geweckt<br />
werden.<br />
In der Lebensmitte muss sich<br />
das Paar gegenseitig nicht mehr<br />
beweisen. Die Idealvorstellungen<br />
des Frühlings weichen einem realistischeren<br />
Bild von sich selbst und<br />
vom anderen. Im milden Licht des<br />
Herbstes sind die Konturen nicht<br />
mehr so starr und streng. Eigene<br />
Fehler und Makel der Partnerin,<br />
des Partners können gelassener betrachtet<br />
werden. Thomas weiß, dass<br />
seine Frau Anna immer wieder mal<br />
vergisst, alle Lichter auszumachen,<br />
bevor sie das Haus verlässt. Anna<br />
Foto: detailblick-fotolia.com<br />
weiß, dass ihr Mann Thomas immer<br />
wieder mal seine Kleidung im ganzen<br />
Haus verstreut. Haben sie früher<br />
deswegen heftig gestritten, gelingt es<br />
ihnen nun immer häufiger, darüber<br />
zu lächeln, stillschweigend den<br />
Lichtschalter zu bedienen und die<br />
Kleidung aufzuräumen.<br />
Das Paar, dass sich jetzt bewusst<br />
Zeit füreinander schenkt, wird auch<br />
Zeit für all die Aufgaben finden, die<br />
sowohl im Beruf wie in der Familie<br />
anstehen. Und schließlich Zeit für<br />
sich selber, die in der Familienphase<br />
meist viel zu kurz gekommen ist.<br />
Es gilt, eine Balance zwischen gemeinsamen<br />
Unternehmungen und<br />
Aktivitäten, die jeder ganz alleine<br />
durchführt, herzustellen, eine Balance<br />
zwischen Nähe und Distanz.<br />
Umso mehr es gelingt, einander anzunehmen,<br />
sich füreinander neu zu<br />
interessieren, umso goldener kann<br />
der Herbst der Lebensmitte werden.<br />
Helga Kramer-Niederhauser<br />
Die Autorin ist<br />
Psychologin und<br />
Psychotherapeutin.<br />
Sie leitet die<br />
Psychologische<br />
Beratungsstelle für<br />
Ehe-, Familien- und<br />
Lebensfragen in<br />
Augsburg<br />
Der Deutsche Knigge-Rat hat gemeinsam<br />
mit der Inklusionsexpertin<br />
vom Wohlfahrtsverband Der Paritätische<br />
Hessen, Katja Lüke, zehn<br />
Ratschläge für einen respektvollen<br />
Umgang mit Behinderten zusammengestellt.<br />
Im Folgenden eine<br />
gekürzte Version der Tipps.<br />
• Keine plumpe Neugier – Wenn<br />
der Gegenüber die Geschichte seiner<br />
Behinderung erzählen möchte,<br />
wird er es von allein tun. Anstarren<br />
ist generell ein Tabu.<br />
• Hilfe im Alltag – Unterstützung<br />
anbieten, aber abwarten ob sie<br />
angenommen wird. Ein „Nein“<br />
sollte akzeptiert werden.<br />
• Direkte Ansprache ist wichtig<br />
– Mit den Menschen reden, nicht<br />
über sie hinweg. Wenn eine Person<br />
mit Behinderung eine Begleitung<br />
hat, sollte nicht allein die Begleitperson<br />
adressiert werden.<br />
• Die Privatsphäre wahren – Den<br />
Blindenhund nicht einfach streicheln,<br />
das könnte ihn von seinem<br />
Auftrag ablenken. Auch der Rollstuhl,<br />
Blindenstock oder andere<br />
Hilfsmittel sollten nicht einfach<br />
umplatziert werden.<br />
• Keine Angst vor Redewendungen<br />
– Ein „Auf Wiedersehen“ ist<br />
für einen blinden Menschen keine<br />
Beleidigung.<br />
• Sprachliche Sorgfalt – Wenn über<br />
Menschen mit Behinderungen<br />
gesprochen wird, sollten die richtigen<br />
Begriffe verwendet werden.<br />
Gehörlose sind nicht taubstumm.<br />
• Blickkontakt suchen – Gerade bei<br />
Schwerhörigen ist der Augenkontakt<br />
für das Verständnis hilfreich.<br />
• Dolmetscher – Wenn ein Gebärdensprachendolmetscher<br />
dabei<br />
ist, sollte nicht er die volle Aufmerksamkeit<br />
erhalten, sondern<br />
der Gesprächspartner.<br />
• Mehr kommunizieren – Gerade<br />
bei blinden Menschen sollten die<br />
eigenen Handlungen vermehrt<br />
kommentiert werden.<br />
• Nicht auf die Behinderung reduzieren<br />
– Der Mensch mit Behinderung<br />
hat viele Eigenschaften<br />
jenseits seines Handicaps. Diese<br />
sollten nicht vergessen werden.<br />
Quelle: KNA