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sollte das Erbe der Toten antreten? Die rechtmäßige Erbin war meine Oma, sie wollte jedoch nur ihre eigene<br />
Habe und sagte:"Die Sachen von Hans und Gretel teilt Euch." Der Vater von Tante Gretel, Großvater Walther,<br />
hatte seine Töchter reichlich mit guter Bett- und Tischwäsche ausgestattet. Das stellte damals einen Reichtum<br />
dar, der Begehrlichkeit wecken konnte. Vater Walther beanspruchte für seine noch lebende Tochter und deren 2<br />
fast erwachsene Mädchen einen Teil der Wäsche. Richtig so! Aber nun kam es leider zum großen Streit zwischen<br />
den Schwestern. <strong>Mein</strong>e Mutter sagte: "Fritz und Viktor sind auch erbberechtigt. Fritz mit seinen 2 Kindern und<br />
seiner jungen Frau ist am bedürftigsten, und die Sachen von der Ursel passen der Renate." Aber die<br />
beanspruchte Tante Liesel für ihre Elke. Und in diesem Streit wurde die knapp einjährige Elke zum vollen<br />
Teilhaber am Erbe, für die auch Gretels Nähmaschine aufgehoben werden sollte. Tante Liesel sagte: "Ich habe<br />
das gerettet" und begründete damit ihre Rechte. <strong>Mein</strong>e Oma stand zwischen ihren Töchtern und war am<br />
Verzweifeln, und ich stand hilflos und sorgenvoll daneben, weil ich fürchtete, die Aufregung könnte die Gesundheit<br />
meiner Mutter ernsthaft schaden.<br />
[Als ich meinen 55. Geburtstag feierte, gab Elke zum besten: "Ich habe jetzt die ganze Wäsche, die ich von<br />
meiner Mutter hatte, fortgeworfen, sie füllte mir nur all’ die <strong>Jahr</strong>e meine Schränke;" und im gleichen Atemzuge<br />
zu mir gewandt: "Wie gemein Deine Mutter zu meiner Mutter damals war, das hat mir meine Mutter auch<br />
erzählt." - Das war das richtige Wasser auf die Mühle meiner Schwiegertochter, die sich auch beschwerte, wie<br />
viel Wäsche ihr Mann mit in die Ehe gebracht hatte. Sie möchte sich auch gerne "neue" Wäsche kaufen! - Und<br />
wieder stand ich sprachlos und verletzt vor meiner Umgebung und dachte: "Hätte ich doch damals die<br />
Schokolade von Tante Liesel weggenascht und hätte ich statt in die Aussteuer für unseren Sohn mein Geld in<br />
einen Trabbi gesteckt, ich stünde jetzt besser da!]<br />
Das Leben ging weiter! Geordneten Schulunterricht hatten wir seit Monaten nicht mehr. Das Schulhaus war<br />
Notunterkunft für Ausgebombte und Flüchtlinge. Wir Pimpfe wurden eingesetzt, um die Ankommenden in die<br />
Klassenzimmer einzuweisen oder auch, um Getränke auszugeben. Dieser Einsatz machte uns Spaß. Während wir<br />
auf die Flüchtlingszüge warteten, die wir mit Getränken und vorbereiteten Schnitten versorgten, saßen wir in<br />
einem Kiosk am Bahnhof, einer hatte ein Schifferklavier dabei, und wir sangen. Wenn dann ein Zug kam, war<br />
das, was wir verteilen konnten, wie ein Tropfen auf einen heißen Stein. Aber es herrschte große Disziplin.<br />
Damals war mir das normal, heute bewundere ich das Verhalten der Menschen. - Andere Zeiten - andere<br />
Menschen!? -<br />
Jeden Mittwoch war Dienst bei den Pimpfen mit Appell, bei dem, streng militärisch, das ganze Fähnlein in<br />
Jungzügen vor dem Fähnleinführer antrat, die Jungzüge ihre Befehle erhielten und dann ausrückten. Unser letzter<br />
Fähnleinführer, Christian Schneider, war wirklich ein feiner Kerl, ca. 18 <strong>Jahr</strong>e alt , intelligent. Er gab keine<br />
sinnlosen Befehle. Wie ich hörte studierte, er nach dem Kriege Innenarchitektur und arbeitete dann bei der Defa