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kam allerdings nicht. Die Stadt erteilte die Baugenehmigung nicht.<br />
Bei den Behördengängen für die Firma Bernd kam unser Vater an einem Dresdener Arbeitsamt vorbei und sah<br />
sich bei dieser Gelegenheit dort um. Eben in diesem Moment gab ein junger Mann ein Stellenangebot zurück.<br />
<strong>Mein</strong> Vater übernahm es; es bot eine Ingenieurstelle im Privatbüro von Professor Beyer. Professor Beyer stellte<br />
ihn ein. Das war aber schon im folgenden <strong>Jahr</strong>.<br />
Professor Beyer hatte in den dreißiger <strong>Jahr</strong>en Förderbrücken für den Braunkohlenbergbau projektiert. Jetzt machte<br />
er in seinem Privatbüro die Projekte für die Demontage dieser Brücken. Die Tagebaueinrichtungen wurden von<br />
den Sowjets ausgeschlachtet und komplett nach der Sowjetunion gebracht, auch die riesigen Förderbrücken.<br />
In den Folgejahren arbeitete unser Vater an veschiedenen Projekten bei Dresdener Professoren. Es waren<br />
sogenannte "Russenprojekte". Eines davon war die Konstruktion von Kleinstkraftwerken zur Nutzung kleiner<br />
Wasserläufe für die Energieerzeugung: Damm und Wehranlage, Wasserturbine - und diese eingehaust in ein<br />
kleines Blockhaus - das ganze im Baukastenprinzip vorfertigbar und leicht aufstellbar. Damit sollten weit entlegene<br />
Ortschaften ihre Stromversorgung bekommen, ein Teil des Elektrifizierungsprogrammes der Sowjetunion. Wie<br />
diese Anlagen arbeiteten, sahen wir später einmal im Kino.<br />
Im Herbst kam wieder ein Aufruf: - wer keinen Entlassungsschein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft hat, soll<br />
sich melden. <strong>Mein</strong> Vater sagte zu uns: "Ich habe einen aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Dresden,<br />
das genügt mir." Und das war gut so. Ein Bekannter von ihm, der sich gemeldet hatte, war noch 5 <strong>Jahr</strong>e in<br />
russischer Gefangenschaft. - Im Herbst sprach ihn einmal Herr Johne an, ein freundlicher alter Mann aus unserer<br />
Nachbarschaft: "Herr Grunert, sie waren doch auch bei der SS." <strong>Mein</strong> Vater konnte das mit gutem Gewissen<br />
verneinen. Herr Johne lächelte und schien das nicht so recht zu glauben; aber offenbar hat er sein Geheimnis mit<br />
ins Grab genommen. - <strong>Mein</strong> Vater hat lange darüber nachgedacht, wie Herr Johne zu dieser Annahme<br />
gekommen war. Die Technische Nothilfe hatte einen schwarzen, uniformähnlichen Arbeitsanzug. <strong>Mein</strong> Vater<br />
hasste Uniformen und war nur ein einziges Mal mit diesem Anzug von zu Hause aus weggegangen.<br />
Wahrscheinlich hatte ihn Herr Johne da zufällig gesehen.<br />
Die Lebensmittelrationen waren zu gering. Wir hungerten. Vaters Ingenieurgehalt reichte nicht, um auf dem<br />
schwarzen Markt Lebensmittel zu kaufen. Um wenigstens ab und zu etwas zusätzlich kaufen zu können, machte<br />
er neben seiner Arbeit nachts Projektierungsarbeiten gegen Honorar. Nach dem gemeinsamen Abendessen legte<br />
unser Vater sein Reißbrett auf den Tisch und begann zu arbeiten. An der einen Stirnseite des Tisches löste ich<br />
noch Schulaufgaben, an der anderen machte unsere Mutter Näharbeiten. Bei Stromsperre arbeiteten wir<br />
gemeinsam bei einer Kerze oder der Petroleumlampe, wenn wir Karbid hatten auch bei der Karbidlampe.<br />
Als sich Prof. Neuffer an dem international ausgeschriebenen Wettbewerb für die Projektierung der U-Bahn in