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Mein Jahr 1945 - Coswig

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gegeben. Dann senkten wir ihn in seiner Schlafkiste in die Erde, deckten ihn mit seiner Decke zu und verfüllten<br />

die Grube.<br />

Am Neujahrstag hatte uns die Oma mit meiner Cousine Ursel besucht. In der vorangehenden Nacht war Steppke<br />

gestorben. Ursel war auch sehr traurig über den Tod von Steppke und wollte ihn noch einmal sehen. 6 Wochen<br />

später erlitt sie selbst einen viel schrecklicheren Tod, und ihr Körper wurde neben dem ihrer Mutter in ein<br />

Massengrab geschichtet. - Aber daran dachte zu dieser Zeit noch niemand. -<br />

Außer den immer häufiger werdenden Fliegeralarmen und den vielen Todesnachrichten von Soldaten aus<br />

unserem Ort spürten wir vom Krieg noch wenig. Manche Krieger-Witwen setzten unter die Todesanzeigen in der<br />

Zeitung: "In stolzer Trauer". Doch diese Unterschriften wurden bald zu: "In tiefer Trauer".<br />

Die Sorge, dass auch uns Luftangriffe treffen könnten, war immer da. Nächtliche Alarme wurden von uns Kindern<br />

anfangs als Abenteuer empfunden. Wir zogen uns an, gingen in den Keller und warteten auf die Entwarnung.<br />

Bomben waren bisher bei uns nur vereinzelt gefallen. Tagesalarme waren spannender. Bei Voralarm - der kam<br />

1/4 Stunde vor dem Hauptalarm - wurde die Schule geräumt, und wir sollten schnell nach Hause gehen. Ein<br />

Schulkamerad, der Friedrich Zülke, war Fahrschüler. Er hätte nur auf den Bahnhof gehen können. Ich nahm ihn<br />

mit nach Hause. Herbert Grahl, Edi Gabriel und Gerhard Pietzsch wohnten in Neucoswig am Waldrand. Wir<br />

waren vor Tieffliegerangriffen gewarnt worden. Das Deckungsuchen hatten wir bei den Pimpfen geübt. Wir liefen<br />

durch die Lutherstraße. Die war ziemlich einsichtig; dann durch die Talstraße. Hier gab es eine dichte Hecke, in<br />

der wir uns hätten verstecken können. Bis zum Hauptalarm erreichten wir den Lachenweg. Dann kamen die<br />

Schulkameraden mit zu uns in den Keller. Über die deckungslose Steinstraße hätte meine Mutter die Jungen nicht<br />

laufen lassen. So hatte das die <strong>Jahr</strong>e geklappt.<br />

Einmal hatte uns der Fliegeralarm bei einem Waldspaziergang überrascht. Es muß 1944 gewesen sein, ein<br />

sonniger Sonntagnachmittag. Wir waren am Spitzgrundteich - Muttel, ich und unser Dackel Steppke. Im Walde<br />

fühlten wir uns sicher. Wunderschön sahen wir als silberne Punkte am tiefblauen Himmel eine Bomberstaffel -<br />

plötzlich darunter schwarze Wölkchen. Erst jetzt hörten wir es knallen. Die Flak schoß nach dem Bomberverband.<br />

Dann kam ein unheimliches Summen und Rauschen - und pitsch, pitsch, pitsch, pitsch - schlugen die Splitter von<br />

den Flakgranaten in den Teich ein und knackend krachend in die Bäume. Wir hockten uns hinter einen dicken<br />

Kiefernstamm. Muttel warf sich über mich. Sie wollte mich schützen. Und der Steppke kroch zitternd unter mich.<br />

Wir waren mitten in den Splitterregen hineingeraten. Einige Minuten später war der Spuk vorbei. Muttel sagte:<br />

"Das war unsere Feuertaufe." Aber zum Waldspaziergang hatten wir nicht mehr die rechte Lust. Wir gingen zur<br />

Spitzgrundmühle. Dort arbeitete unsere Oma. Die war froh, uns gesund zu sehen. Man hatte dort bemerkt, was<br />

soeben passiert war.

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