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Mein Jahr 1945 - Coswig

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20<br />

Männer sterilisieren. Die grauenhaften Visionen waren die Summe aus dem Zerrbild, das die Propaganda von der<br />

Sowjetunion entworfen hatte und dem, was die deutschen Nationalsozialisten anderen angetan hatten. Auch wie<br />

brutal mit russischen Kriegsgefangenen umgegangen worden ist, wussten wir: Zu Kriegsbeginn, als unser Vater<br />

noch in Dresden arbeitete, kam er eines Tages verstört von einer Baustelle zurück. Er hatte ein<br />

Kriegsgefangenenlager mit Russen gesehen. Die Männer waren miserabel untergebracht, abgeschlissen,<br />

verschmutzt, und sie wurden grundlos von den Wachmannschaften mit Knüppeln geschlagen. Ihnen wurden in<br />

Drahtkäfigen gehaltene Wanzen angesetzt. Aus den Wanzen wurde ein Impfserum hergestellt. Was, wenn sich<br />

die Russen dafür an uns rächten?<br />

*<br />

Wir wollten einkaufen gehen. Ich war schon zum Gartentor vorausgelaufen, da hörte ich vom Stadtzentrum her<br />

ungewöhnliche Panzergeräusche. "Muttel, ich glaube die Russen sind da". Wir zögerten. Da kam ein Mann über<br />

das an unseren Weg angrenzende Feld gerannt: "Ja, die Panzer müßten bald zu sehen sein". - Dann: Das<br />

Rasseln von Panzerketten, das Heulen von Panzermotoren ganz in der Nähe. Helgas Mutter kam zu uns gerannt:<br />

"Oben auf der Straße sind 2 Panzer, die Kanonen zeigen auf unsere Siedlung". Und jetzt setzte Beschuß ein:<br />

Abschuß - Heulen - Detonation. Abschuß - Heulen - Detonation. Panzergeräusche. Abschuß - Heulen -<br />

Detonation.<br />

2 Panzer waren von der Neucoswiger Straße in ein Grundstück neben ein Siedlungshaus gefahren, um Deckung<br />

vor dem Beschuss zu haben. Nur 2 Zaunsfelder waren in Panzerbreite kaputt. Sie wurden später wieder<br />

zusammengenagelt und haben noch jahrelang gestanden. Am Haus war nichts passiert. - Aber durch den<br />

Beschuss waren in der Umgebung 4 Häuser arg beschädigt worden. Die SS hatte sich auf den Lößnitzhöhen<br />

verschanzt und schoss mit Artillerie, um das weitere Vordringen der Panzerspitze zu verhindern. Die Streuung der<br />

Einschläge: ca. 500 m. Kolateralschäden: 4 Häuser, 2 Bürger.<br />

Vom Wohnzimmerfenster aus konnten wir sehen, wie die Russen auf dem Bahndamm einen Beobachtungsposten<br />

einrichteten. Sie stellten ein Scherenfernrohr auf, schauten durch. Mehrere Offiziere - wir erkannten sie an den<br />

Schirmmützen - kamen, schauten durch, entfalteten eine Karte, berieten.<br />

Inzwischen ging ein Offizier mit 2 Soldaten in unserer Siedlung von Haus zu Haus. Was wird passieren? Jetzt<br />

kommt er zu uns, klopft kräftig an die Küchentür, tritt ein, grüßt mit erhobener Faust. - Wir sind alle versammelt.<br />

<strong>Mein</strong>e Oma grüßt in ihrer Aufregung mit gestreckter Hand, dem Hitlergruß, aber mit der linken Hand, auf dem<br />

rechten Arm hat sie Elke. Der Offizier heißt die beiden Soldaten in der Küche bleiben und geht ins angrenzende<br />

Wohnzimmer. An der Verbindungstür zum Nebenzimmer schließt er, einmal zu, einmal auf, klinkt, öffnet aber die

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