Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
20<br />
Männer sterilisieren. Die grauenhaften Visionen waren die Summe aus dem Zerrbild, das die Propaganda von der<br />
Sowjetunion entworfen hatte und dem, was die deutschen Nationalsozialisten anderen angetan hatten. Auch wie<br />
brutal mit russischen Kriegsgefangenen umgegangen worden ist, wussten wir: Zu Kriegsbeginn, als unser Vater<br />
noch in Dresden arbeitete, kam er eines Tages verstört von einer Baustelle zurück. Er hatte ein<br />
Kriegsgefangenenlager mit Russen gesehen. Die Männer waren miserabel untergebracht, abgeschlissen,<br />
verschmutzt, und sie wurden grundlos von den Wachmannschaften mit Knüppeln geschlagen. Ihnen wurden in<br />
Drahtkäfigen gehaltene Wanzen angesetzt. Aus den Wanzen wurde ein Impfserum hergestellt. Was, wenn sich<br />
die Russen dafür an uns rächten?<br />
*<br />
Wir wollten einkaufen gehen. Ich war schon zum Gartentor vorausgelaufen, da hörte ich vom Stadtzentrum her<br />
ungewöhnliche Panzergeräusche. "Muttel, ich glaube die Russen sind da". Wir zögerten. Da kam ein Mann über<br />
das an unseren Weg angrenzende Feld gerannt: "Ja, die Panzer müßten bald zu sehen sein". - Dann: Das<br />
Rasseln von Panzerketten, das Heulen von Panzermotoren ganz in der Nähe. Helgas Mutter kam zu uns gerannt:<br />
"Oben auf der Straße sind 2 Panzer, die Kanonen zeigen auf unsere Siedlung". Und jetzt setzte Beschuß ein:<br />
Abschuß - Heulen - Detonation. Abschuß - Heulen - Detonation. Panzergeräusche. Abschuß - Heulen -<br />
Detonation.<br />
2 Panzer waren von der Neucoswiger Straße in ein Grundstück neben ein Siedlungshaus gefahren, um Deckung<br />
vor dem Beschuss zu haben. Nur 2 Zaunsfelder waren in Panzerbreite kaputt. Sie wurden später wieder<br />
zusammengenagelt und haben noch jahrelang gestanden. Am Haus war nichts passiert. - Aber durch den<br />
Beschuss waren in der Umgebung 4 Häuser arg beschädigt worden. Die SS hatte sich auf den Lößnitzhöhen<br />
verschanzt und schoss mit Artillerie, um das weitere Vordringen der Panzerspitze zu verhindern. Die Streuung der<br />
Einschläge: ca. 500 m. Kolateralschäden: 4 Häuser, 2 Bürger.<br />
Vom Wohnzimmerfenster aus konnten wir sehen, wie die Russen auf dem Bahndamm einen Beobachtungsposten<br />
einrichteten. Sie stellten ein Scherenfernrohr auf, schauten durch. Mehrere Offiziere - wir erkannten sie an den<br />
Schirmmützen - kamen, schauten durch, entfalteten eine Karte, berieten.<br />
Inzwischen ging ein Offizier mit 2 Soldaten in unserer Siedlung von Haus zu Haus. Was wird passieren? Jetzt<br />
kommt er zu uns, klopft kräftig an die Küchentür, tritt ein, grüßt mit erhobener Faust. - Wir sind alle versammelt.<br />
<strong>Mein</strong>e Oma grüßt in ihrer Aufregung mit gestreckter Hand, dem Hitlergruß, aber mit der linken Hand, auf dem<br />
rechten Arm hat sie Elke. Der Offizier heißt die beiden Soldaten in der Küche bleiben und geht ins angrenzende<br />
Wohnzimmer. An der Verbindungstür zum Nebenzimmer schließt er, einmal zu, einmal auf, klinkt, öffnet aber die